Mittelschwaebische Nachrichten
Nicht nur für Kinderherzen
Die Eiskönigin 2 Der umsatzstärkste Animationsfilm aller Zeiten geht in Fortsetzung. Die Werbe-Artikel fluten längst wieder alle Läden. Doch wird der Film nun den hohen Erwartungen gerecht?
Nur sehr lose hat Disney vor sechs Jahren den Animationsfilm „Die Eiskönigin“(original: „Frozen“) an Hans Christian Andersens Kunstmärchen angelegt. Die Herrscherin war keine böse Zauberin, die lautere Liebhaber versklavt, sondern ein Mädchen, das mit der Kontrolle seiner Vereisungskräfte ringt. Und im Zentrum stand nicht die Romanze zwischen Kay und Gerda, die das gefrorene Herz des Geliebten durch Tränen reanimiert – das Regie-Duo Jennifer Lee und Chris Buck erzählte die wechselhafte Beziehung zweier grundverschiedener Schwestern, die füreinander bedingungslos einstehen. Die Mischung aus übernatürlichen Kräften, einer großen Geschwisterliebe und spektakulären Tiefkühl-Effekten bescherten dem Film ein begeistertes Publikum.
Für viele Mädchen, die damals zwischen drei und 13 Jahre alt waren, gehört der Film zu den kindCate
Kulturereignissen. Über 1,27 Milliarden Dollar spielte er weltweit ein – ein nettes Sümmchen wieder mal für Disney. Ganz zu schweigen vom Profit aus den zahllosen Merchandising-Artikeln mit der geliebten Eiskönigin.
Sechs Jahre sind eine verhältnismäßig lange Wartezeit für ein Sequel mit einer solch erfolgreichen Vorgeschichte, aber vielleicht setzen die Disney-Strategen auch gezielt darauf eine neue Geschwistergeneration mit dem Frozen-Virus zu infizieren. Erneut sind Lee und Buck für die Regie verantwortlich und mit dieser personellen ist auch eine sichtbare, inhaltliche Kontinuität gewährleistet. Im ersten Teil floh Prinzessin Elsa aus der restriktiven Enge der Familie in die wilde Natur, um mit einem kraftvoll geschmetterten „Let It Go“den gefahrvollen, übernatürlichen Fähigkeiten endlich freien Lauf zu lassen.
Nun steht Phase zwei der Selbstfindung an. Elsa ist nach dem frühen Tod der Eltern zur verantwortungsbewussten Herrscherin über das Königreich Arendelle aufgestiegen, ist aber mit sich und ihrer Rolle nicht im Reinen. Immer wieder hört sie eine ferne Stimme, schließlich folgt sie ihr in die verwunschenen Wälder, die seit dem Krieg ihrer Vorfahren mit dem Naturmagiervolk von Northuldra unter einer undurchdringlichen Nebelglocke liegen. Hier gilt es ein grausames Geheimnis zu lüften, um Arendelle von seiner Schuldlast zu befreien und beide Völker neu miteinander zu versöhnen …
Schwester Anna, die über keine magischen Fähigkeiten verfügt, folgt Elsa, um diese vor dem eigenen Übermut zu schützen. Die enge Beziehung der königlichen Geschwister steht erneut im emotionalen Zentrum des Films. Und auch wenn die Geschichte, die auf verschiedenen Zeit-, Realitäts- und Traumheitsprägenden ebenen umherspringt, oftmals etwas überladen wirkt, ist es Lee und Buck gelungen auf der glitzernden Oberfläche eines Disney-Märchens ihre Heldinnen durch Konflikte von psychologischer Tiefe zu schicken.
Mit der Aufdeckung des Geheimnisses geht es nicht nur um die familiäre Herkunft, sondern auch um die Verdrängung historischer Schuld, die an die Untaten gegen die amerikanischen Ureinwohner anknüpft. Dass Angst nicht nur Folge, sondern oft auch Ursache von Gewalt ist, gehört zu den einfachen, aber klugen Erkenntnissen, die hier nebenher vermittelt werden. Bei alledem kommt der magische Gestaltungswille, mit dem „Frozen“bei seinem jungen Publikum punktet, nicht zu kurz. Wenn Elsa auf einem durchsichtigen Eispferd über den stürmischen Ozean galoppiert, schlagen angesichts der visuellen Dynamik nicht nur Kinderherzen höher. Insgesamt nicht toll, aber gut genug, dass der Hype weitergehen wird.