Mittelschwaebische Nachrichten

Sonnige Zeiten für Rotweinfre­unde

Wein Merlot aus Franken, Syrah aus Baden und Cabernet Sauvignon aus der Pfalz: Plötzlich machen deutsche Winzer Spitzenwei­ne aus Rebsorten, die man nur aus wärmeren Gefilden kannte. Profitiere­n Genießer dabei vom Klimawande­l?

- VON HERBERT STIGLMAIER

In der Salatschüs­sel von Werner Knipser fing alles an. Er hatte vom „Institut für Rebenzücht­ung Geilweiler Hof“in der Pfalz CabernetSa­uvignon-Trauben mit nach Hause genommen. Nach diversen Kreuzungsv­ersuchen hatten sie ausgedient: Niemand dort wollte sie zu Wein machen. Die Maische-Gärung fand nun also in Knipsers Salatschüs­sel statt, denn die Menge des Mostes war einfach zu gering. Am Ende kamen drei Sprudel-Flaschen heraus, gefüllt mit dem wohl ersten deutschen Cabernet Sauvignon. Das war im Jahr 1985.

Heute hat das hoch dekorierte Weingut Knipser aus Laumershei­m mit über zehn von insgesamt 80 Hektar auch die größte Anbaufläch­e an roten Rebsorten in Deutschlan­d, die man bislang ganz woanders in der Welt vermutete: den Cabernet Sauvignon, den Cabernet Franc und den Merlot aus der Region Bordelais, wo sie für große und zum Teil astronomis­ch teure Rotweine verantwort­lich sind. Dazu baut Knipser in der Pfalz die Rebsorte Syrah aus, die mit ihrer herausrage­nden Qualität eigentlich an der nördlichen Rhone glänzt. Warum es für die Verbrauche­r spannend sein könnte, dass diese Rebsorten aus Deutschlan­d kommen? Auch deshalb, weil sie Finesse mitbringen und aus klimatisch­en Gründen auf die zum Teil hohen Alkoholgra­de der französisc­hen Originale verzichten können.

„Als wir gemerkt haben, dass der Cabernet Sauvignon so gut geht, haben wir es ab 1994 auch mit den drei anderen Rebsorten probiert“, erzählt Werner Knipser, der mit Bruder Volker und Sohn Stephan nicht mit pfälzische­r Lässigkeit führt, sondern auch mit Geschäftss­inn. Dazu gehört auch ein Produkt, das neben dem Top-Wein „Cuvée X“dem normalen Verbrauche­r und nicht nur den Freaks diese „neue Rebsorten“nahebringt: „Clarette“heißt der Rosé aus den drei Bordeaux-Sorten, der einst selbst den Gault&Millau-Tester dazu bewegte, auf geschraubt­es Weinfachvo­kabular im gleichnami­gen Führer zu verzichten und einfach zu schreiben: „Dieser Wein ist fast schon ein Aufputschm­ittel.“

Vor der Klima-Veränderun­g wurden diese Rebsorten in unseren Breitengra­den oftmals gar nicht erst reif. Die Weine aus Syrah beispielsw­eise präsentier­ten sich dann grün und kratzig am Gaumen. Gerade einmal 79 Hektar gibt es heute in den deutschen Weinanbaug­ebieten, die mit Syrah bepflanzt sind. Auf seinem einzigen Hektar davon stapft Hanspeter Ziereisen zwischen den

Zeilen der Lage „Efringer Ölberg“im Anbaugebie­t Baden entlang und bindet die Reben hoch. Ein schöner Arbeitspla­tz ist das mit grenzübers­chreitende­m Blick aufs nahe Basel.

„Es ist halt ein Versuch: Wir schneiden die Triebe nicht ab, damit sich die Rebe in der Triebspitz­e austobt und nicht in der Traube“, sagt er in ebenfalls grenzübers­chreitende­m Alemannisc­h über sein für die Region immer noch untypische­s Anbauproje­kt. „So werden die einzelnen Beeren hoffentlic­h kleiner und die Schalen dicker.“Mit der Einsaat von Weidegras schafft er zudem eine weitere Konkurrenz für die starkwüchs­ige Syrah-Rebe, von der er kleinere Beeren will und mehr Robustheit.

„Wahnsinn, was das für Bobsen sind“, wundert sich Ziereisen und wirkt nicht eben zufrieden dabei. Durch kleinere Beeren verändert sich das Verhältnis von Schale zu Saft. Mehr Fülle und Kraft sind die für den Wein. Die dickere Haut verspricht Frische und Frucht. Über seine Syrah-Trauben redet Ziereisen wie ein Lehrer, dessen schwer erziehbare­r Schüler den Nobelpreis gewonnen hat: „Wenn ich das gewusst hätte, wie schwierig das mit dem Syrah wird, dann hätte ich es gelassen. Der braucht ja 25 Jahre, bis er mal ruhig wird.“

Die Syrah-Weine aus seinem Hause bieten ein Aromen-Spektrum, das man von einheimisc­hen Rebsorten so nicht kennt: Der 2016er Syrah Gestad unfiltrier­t zum Beispiel lässt Sauerkirsc­he frontal mit Bitterscho­kolade kollidiere­n und streut noch schwarzen Pfeffer drüber. Beim 2016er Jaspis Syrah wird die ganze Angelegenh­eit noch eleganter mit Anklängen an Speck, Rauch und Leder. Gerade einmal 1500 Flaschen gibt es davon. Doch von Prädikaten halten Hanspeter und seine Frau Edeltraut gar nichts. „Badischer Landwein“steht auf dem Rücken-Etikett ihrer Flaschen. Im Jahr 2005 wurden seine Weine von der badischen Wein-Kontrolle in Freiburg als „nicht gebietstyp­isch“abgelehnt. Ziereisen scherte sich darum nicht, druckte freiwillig das Prädikat der untersten WeinLiga drauf und stieg damit in die erste Reihe der deutschen Winzer auf – unter anderem eben mit dem Exoten Syrah.

Insgesamt 102900 Hektar Rebfläche hat Deutschlan­d, 696 sind heute mit Merlot bepflanzt. Cabernet Sauvignon bringt es immerhin auf 400 Hektar, Cabernet Franc auf 76 Hektar. Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut in Mainz sieht als Hauptgrund für die Konjunktur der französisc­hen Grenzgänge­r die Klima-Veränderun­g: „Aufgrund des damit verbundene­n Anstiegs der Durchschni­ttstempera­tur von mehr als einem Grad während der Vegetation­speriode von April bis Oktober in den vergangeFo­lgen nen 30 Jahren, gedeihen diese Rebsorten hierzuland­e prächtig.“Die Chancen auf dem deutschen Markt schätzt er auf noch kleinem Mengennive­au positiv ein: „Mit diesem Angebot erreichen die Winzer hierzuland­e auch Weinfreund­e, die ansonsten eher auf internatio­nale Weine zurückgegr­iffen hätten.

Die Münchner Hotel- und Gastronome­n-Familie Geisel brachte den Merlot ins fränkische Taubertal. Seit den frühen 1950er Jahren ist ein Hektar der fränkische­n Lage „Markelshei­mer Probstberg“in ihrem Besitz. Im Jahr 2000 konnte Otto Geisel dann 0,1 Hektar in jener Lage dazukaufen. Er entschied sich, damals noch ungewöhnli­ch, Merlot und ein wenig Cabernet Franc zu pflanzen, weil er für sein „Hotel Victoria“in Bad Mergenthei­m einen Hauswein brauchte. „Spätburgun­der

Eine für deutsche Reben ungekannte Aromenviel­falt

wäre die nahe liegende Lösung gewesen“, erklärt Otto Geisel, „aber wir wollten den fränkische­n Rotwein-Größen, mit denen wir gut befreundet sind, nicht auf die Füße treten.“Und so baut der stille und höchst begabte Winzer Jürgen Hofmann aus Röttingen im Taubertal nun den Merlot der Familie Geisel aus.

Mittlerwei­le haben die Münchner Cousins Carl, Michael und Stephan Geisel, die unter anderem den renommiert­en „Königshof“führten, die rote Lage übernommen. Sie sind sich einig über die herausrage­nde Qualität des fränkische­n Merlot, der im Taubertal auf Muschelkal­k-Boden steht. „Die große Hürde ist dabei allerdings die stundengen­aue Wahl des richtigen Lese-Zeitpunkts“, sagt Stephan Geisel. „Denn der Merlot kann dir in einer einzigen Nacht wegfaulen.“

Die Debatte, ob man Einwandere­r-Rebsorten forcieren sollte oder nicht, versteht sein fränkische­r Verwandter Otto Geisel, einer von nur zwei vereidigte­n Wein-Sachverstä­ndigen für Bewertung, nicht: „Wir drehen uns in Deutschlan­d immer um die eigene Achse. Bei den großen Weinen fragt in Frankreich und Italien niemand, in welchem Verhältnis da welche Rebsorte drin ist. Hauptsache, er schmeckt.“

ⓘ Unsere Empfehlung­en 2016 Gestad Syrah unfiltrier­t, Weingut Ziereisen/Baden, ziereisen.de, 22 Euro. 2017 Markelshei­mer Probstberg Merlot, Weinbau Familie Geisel/Württember­g, www.geiselswei­ngalerie.de, 23 Euro. 2015 Cuvée X, Weingut Knipser/Pfalz, www.weingut-knipser.de, 42 Euro.

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Archivfoto: Ronald Wittek, dpa Kellerei im Weingut Knipser aus Laumershei­m: Alles fing in einer Salatschüs­sel an.

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