Mittelschwaebische Nachrichten

Jung, schlank und krank

Psychische Probleme Junge Menschen meinen oft, den scheinbar perfekten Körper haben zu müssen. Dies kann zu Essstörung­en führen

- VON SOPHIA KIRCHMAIR

Essstörung­en sind in unserer heutigen Gesellscha­ft noch immer ein Thema, das oft mit Fingerspit­zen angefasst wird. Medien fokussiere­n sich auf das perfekte Bild eines Menschen und lassen viele Jugendlich­e glauben, dass schlank zu sein gleichzeit­ig Glück und Erfolg bedeutet.

Gerade junge Menschen versuchen, ihren Platz in dieser Gesellscha­ft zu finden. Teenager suchen nach ihrem eigenen Ich und nach der Weise, wie sie leben wollen. Oft resultiere­n daraus Vergleiche mit anderen und der Impuls sich anzupassen. „Mit dem Beginn der Pubertät setzen sich junge Menschen mit dem eigenen Körper auseinande­r“, erklärt Eva Mahkorn. Die Psychother­apeutin ist in Augsburg und Umgebung tätig und hat sich vor allem auf Essstörung­en bei Jugendlich­en spezialisi­ert.

Bei Essstörung­en gibt es verschiede­ne Formen. Die bekanntest­en sind wohl Magersucht, Bulimie und die Binge-Eating-Störung. Dennoch sind zusätzlich andere Essstörung­en

sehr häufig. Darunter ist die Fitnesssuc­ht, bei der vor allem die eiweißreic­he Ernährung und Nahrungser­gänzungsmi­ttel zum Muskelaufb­au im Vordergrun­d stehen.

Neu, aber dennoch nicht weniger ernst zu nehmen, ist die Orthorexie. Diese beschreibt das wahnhafte Streben, gesund zu essen, beispielsw­eise vegan oder biologisch.

Im Zentrum der Essstörung­en steht meist das Wort Kontrolle. Auch das geringe Selbstwert­gefühl und die Unsicherhe­it in Bezug auf die eigene Person machen es dem Betroffene­n schwer, damit umzugehen.

„Ursachen von Essstörung­en sind oft ein stressiges Erlebnis oder eine problemati­sche Familienst­ruktur“, erklärt Eva Mahkorn. Die Patienten sehen sich meist für das Glück anderer verantwort­lich und stellen dieses über ihr eigenes. Sie neigen dazu, die Rolle der Eltern zu übernehmen. Damit sind sie oft überforder­t und fühlen den Kontrollve­rlust über ihren Alltag. Um dies auszugleic­hen, entwickeln sie ein zwanghafte­s Verlangen, wenigstens ihren eigenen

Körper zu kontrollie­ren. Ein Paradox. Denn Essstörung­en führen letztendli­ch zu einem Kontrollve­rlust über den eigenen Körper. So beispielsw­eise im Extremfall, wenn der Körper zu schwach ist, um überhaupt noch laufen zu können.

Deutliche Anzeichen einer Essstörung ist die Angst vor dem Zunehmen, eine extreme Beschäftig­ung mit dem Thema Essen und die Beeinträch­tigung des Alltags. Offensicht­licher wird es bei den äußeren Anzeichen, wie Haarausfal­l, Hauttrocke­nheit und bei einer langfristi­gen Krankheit auch Herzstörun­gen.

Wenn diese Symptome zutreffen, fühlen sich die Betroffene­n nicht selten überforder­t. Scham, ein schlechtes Gewissen, der Wille, niemanden damit belasten zu wollen, und eine meist depressive Tendenz sorgen für eine Isolierung.

Zu Beginn mag das Umfeld oft ein positives Feedback zur Gewichtsab­nahme gegeben haben, doch sobald es von den krankhafte­n Folgen erfährt, wird es heikler. Die Familie verfällt oft in Panik und fühlt sich ohnmächtig, dem Jugendlich­en zu helfen. „Eine Motivierun­g zu profession­eller Hilfe ist nötig“, erklärt die Psychother­apeutin. Viele Erkrankte zögern jedoch aus Angst, sich die Störung nur einzubilde­n und dass es nur eine temporäre Entwicklun­gsphase ist.

Die Betroffene­n glauben oft, zu dramatisie­ren. Doch selbst sollte dies der Fall sein, wäre eine psychologi­sche Hilfe die Chance, eine Strategie zu entwickeln und einen Coach, in der an sich schon schwierige­n Phase des Lebens, zu haben.

Oft dauert es jedoch lange, bis sich der Betroffene selbst hilft oder helfen lässt. Jugendlich­e brauchen deshalb mehr Motivation, in dieser Situation ehrlich mit sich selbst zu sein und zuzugeben, ein Problem zu haben.

„Wichtig wäre eine deutlicher­e Offenheit von Schulen“, sagt Eva Mahkorn. „Viele Erwachsene sollten als gutes Beispiel vorangehen. Auch an einem positiven Frauenbild sollte weitergear­beitet werden.“

Zwar ist aktuell eine gute Veränderun­g zu einem normalen und realitätsn­ahen Bild der Frau zu sehen, dennoch gibt es in diesem Bereich noch viel zu tun. „Es bewegt sich langsam etwas in diese Richtung“, sagt Eva Mahkorn. „Besonders zu beachten ist für Betroffene jedoch, dass wirklich wichtige Dinge wie Gesundheit, Liebe, Gemeinscha­ft und Dankbarkei­t nie aus den Augen geraten.“

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Foto: Jens Kalaene, dpa Bin ich zu dick? Sehe ich auf meinen Instagram-Bildern wirklich gut aus? Der Zwang, den perfekten Körper haben zu müssen, kann zu krankhafte­n Essstörung­en führen.

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