Mittelschwaebische Nachrichten
Jung, schlank und krank
Psychische Probleme Junge Menschen meinen oft, den scheinbar perfekten Körper haben zu müssen. Dies kann zu Essstörungen führen
Essstörungen sind in unserer heutigen Gesellschaft noch immer ein Thema, das oft mit Fingerspitzen angefasst wird. Medien fokussieren sich auf das perfekte Bild eines Menschen und lassen viele Jugendliche glauben, dass schlank zu sein gleichzeitig Glück und Erfolg bedeutet.
Gerade junge Menschen versuchen, ihren Platz in dieser Gesellschaft zu finden. Teenager suchen nach ihrem eigenen Ich und nach der Weise, wie sie leben wollen. Oft resultieren daraus Vergleiche mit anderen und der Impuls sich anzupassen. „Mit dem Beginn der Pubertät setzen sich junge Menschen mit dem eigenen Körper auseinander“, erklärt Eva Mahkorn. Die Psychotherapeutin ist in Augsburg und Umgebung tätig und hat sich vor allem auf Essstörungen bei Jugendlichen spezialisiert.
Bei Essstörungen gibt es verschiedene Formen. Die bekanntesten sind wohl Magersucht, Bulimie und die Binge-Eating-Störung. Dennoch sind zusätzlich andere Essstörungen
sehr häufig. Darunter ist die Fitnesssucht, bei der vor allem die eiweißreiche Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel zum Muskelaufbau im Vordergrund stehen.
Neu, aber dennoch nicht weniger ernst zu nehmen, ist die Orthorexie. Diese beschreibt das wahnhafte Streben, gesund zu essen, beispielsweise vegan oder biologisch.
Im Zentrum der Essstörungen steht meist das Wort Kontrolle. Auch das geringe Selbstwertgefühl und die Unsicherheit in Bezug auf die eigene Person machen es dem Betroffenen schwer, damit umzugehen.
„Ursachen von Essstörungen sind oft ein stressiges Erlebnis oder eine problematische Familienstruktur“, erklärt Eva Mahkorn. Die Patienten sehen sich meist für das Glück anderer verantwortlich und stellen dieses über ihr eigenes. Sie neigen dazu, die Rolle der Eltern zu übernehmen. Damit sind sie oft überfordert und fühlen den Kontrollverlust über ihren Alltag. Um dies auszugleichen, entwickeln sie ein zwanghaftes Verlangen, wenigstens ihren eigenen
Körper zu kontrollieren. Ein Paradox. Denn Essstörungen führen letztendlich zu einem Kontrollverlust über den eigenen Körper. So beispielsweise im Extremfall, wenn der Körper zu schwach ist, um überhaupt noch laufen zu können.
Deutliche Anzeichen einer Essstörung ist die Angst vor dem Zunehmen, eine extreme Beschäftigung mit dem Thema Essen und die Beeinträchtigung des Alltags. Offensichtlicher wird es bei den äußeren Anzeichen, wie Haarausfall, Hauttrockenheit und bei einer langfristigen Krankheit auch Herzstörungen.
Wenn diese Symptome zutreffen, fühlen sich die Betroffenen nicht selten überfordert. Scham, ein schlechtes Gewissen, der Wille, niemanden damit belasten zu wollen, und eine meist depressive Tendenz sorgen für eine Isolierung.
Zu Beginn mag das Umfeld oft ein positives Feedback zur Gewichtsabnahme gegeben haben, doch sobald es von den krankhaften Folgen erfährt, wird es heikler. Die Familie verfällt oft in Panik und fühlt sich ohnmächtig, dem Jugendlichen zu helfen. „Eine Motivierung zu professioneller Hilfe ist nötig“, erklärt die Psychotherapeutin. Viele Erkrankte zögern jedoch aus Angst, sich die Störung nur einzubilden und dass es nur eine temporäre Entwicklungsphase ist.
Die Betroffenen glauben oft, zu dramatisieren. Doch selbst sollte dies der Fall sein, wäre eine psychologische Hilfe die Chance, eine Strategie zu entwickeln und einen Coach, in der an sich schon schwierigen Phase des Lebens, zu haben.
Oft dauert es jedoch lange, bis sich der Betroffene selbst hilft oder helfen lässt. Jugendliche brauchen deshalb mehr Motivation, in dieser Situation ehrlich mit sich selbst zu sein und zuzugeben, ein Problem zu haben.
„Wichtig wäre eine deutlichere Offenheit von Schulen“, sagt Eva Mahkorn. „Viele Erwachsene sollten als gutes Beispiel vorangehen. Auch an einem positiven Frauenbild sollte weitergearbeitet werden.“
Zwar ist aktuell eine gute Veränderung zu einem normalen und realitätsnahen Bild der Frau zu sehen, dennoch gibt es in diesem Bereich noch viel zu tun. „Es bewegt sich langsam etwas in diese Richtung“, sagt Eva Mahkorn. „Besonders zu beachten ist für Betroffene jedoch, dass wirklich wichtige Dinge wie Gesundheit, Liebe, Gemeinschaft und Dankbarkeit nie aus den Augen geraten.“