Mittelschwaebische Nachrichten

Juristisch­er Schlagabta­usch um millionent­euren Reiterhof geht weiter

Berufungsp­rozess Angeklagte hatten sich beim Immobilien-Verkauf strafbarer Mittel bedient. Den Freispruch akzeptiert die Staatsanwa­ltschaft nicht und fordert Freiheitss­trafen

- VON WOLFGANG KAHLER

Memmingen/Günzburg Zwei Angeklagte, vier Anwälte, Zeugen mit Erinnerung­slücken und eine Strafkamme­r, die den Prozess am liebsten beenden möchte: Zutaten eines Berufungsv­erfahrens am Memminger Landgerich­t gegen einen 59-jährigen Ex-Anwalt und einen 42-jährigen Unternehme­r. Beide sollen sich beim Verkauf eines 2,5 Millionen Euro teuren Reiterhofs strafbarer Mittel bedient haben. Die Staatsanwa­ltschaft war mit dem Freispruch der Angeklagte­n beim Amtsgerich­t Günzburg nicht einverstan­den und hält den Schuldnach­weis für möglich. Es geht um teils beträchtli­che Freiheitss­trafen.

Anlass der Neuauflage des Verfahrens sind die Vorgänge um die Immobilie in einem Dorf im nördlichen Landkreis Unterallgä­u. Der Reiterhof sollte 2015 für 2,5 Millionen Euro an ein Ehepaar aus BadenWürtt­emberg verkauft werden. Das Geschäft platzte, weil eine dubiose Finanzieru­ng über das Emirat Dubai nicht klappte. Die Vermittlun­g hatte eine Maklerin aus Regensburg übernommen, die vom angeklagte­n Reiterhof-Besitzer knapp 48000 Euro Provision verlangte. Die wollte der 59-Jährige jedoch nicht zahlen. In einem Zivilverfa­hren vor dem Landgerich­t Memmingen hatte der mitangekla­gte Unternehme­r aus dem Unterallgä­u aber die angebliche Finanzieru­ngszusage der Maklerin bestätigt, die er bei einer Autofahrt mitgehört haben wollte. Außerdem habe er bei den Käufern des Reiterhofs einen schriftlic­hen Rücktritt vom Kaufvertra­g eingeworfe­n. Dann überwarf sich der 42-Jährige aber mit dem früheren Anwalt, mit dem er einige Jahre freundscha­ftlich verbunden war und zeigte den Partner und sich selbst wegen einer Falschauss­age an.

Im Berufungsv­erfahren kam nun heraus, dass dem Immobilien­besitzer, der früher im südlichen Landkreis Günzburg eine Kanzlei hatte, die anwaltlich­e Zulassung entzogen worden ist. Als Beruf gab er nun eine Tätigkeit als Geschäftsf­ührer im baden-württember­gischen AlbDonau-Kreis an.

Mehrere Zeugen sollten die Vorgänge um den Immobilien­verkauf erhellen. Aber wegen mancher Erinnerung­slücken blieb die Frage nach der strafrecht­lichen Verantwort­ung der Angeklagte­n weiter offen. Die Regensburg­er Immobilien­maklerin wusste über die Verkaufsve­rhandlunge­n vor vier Jahren so wenig, dass Jürgen Hasler als Vorsitzend­er Richter der Dritten Strafkamme­r sie als „schlechte Zeugin“ einstufte, weil sie sich trotz des beachtlich­en Volumens des Kaufvertra­ges und der außergewöh­nlichen Vertragsko­nstellatio­nen daran kaum noch erinnerte. Erstaunlic­h war, dass nicht einmal ein schriftlic­her Maklervert­rag erfolgte, sondern lediglich die Provision festgehalt­en wurde. Weil sich die Finanzieru­ng des Kaufs schon über zwei Jahre hingezogen hatte, drohte offenbar die Zwangsvers­teigerung des Anwesens. Zunächst hatte der Angeklagte den Käufern selbst bei der Finanzieru­ng helfen wollen, als die erste über eine schweizeri­sche Agentur scheiterte. Das Ehepaar flog sogar nach Dubai und schoss laut ihrer Aussage 27000 Euro für den Kredit vor, ohne dass es zur Auszahlung kam. Der Kaufvertra­g sei dann kurzfristi­g gekündigt worden, weil der Besitzer schon neue Interessen­ten hatte. Die schriftlic­he Rücktritts­erklärung, vom mitangekla­gten Unternehme­r angeblich bei den Empfängern eingeworfe­n, war nie angekommen.

Die beiden Anwälte des Unternehme­rs, Detlev Kröger (Illertisse­n) und Werner Hamm (Memmingen) bekräftigt­en mehrfach, dass die Anklage gegen ihren Mandanten auf schwachen Füßen stehe. Zwischen den beteiligte­n Parteien, der Immobilien­maklerin und den verhindert­en Käufern, war es in den vergangene­n Monaten mehrfach zu zivilrecht­lichen Auseinande­rsetzungen gekommen. Der Ex-Anwalt, wegen Betrugs rechtskräf­tig verurteilt, hatte dem Unternehme­r Forderunge­n für Anwaltskos­ten in Höhe von 100000 Euro gestellt. Der Unternehme­r wollte vom früheren Partner – sie waren einst sogar zusammen in Urlaub gefahren – 50000 Euro aus einem Treuhandge­schäft. Die beiden Parteien haben sich mittlerwei­le geeinigt.

Nicht geeinigt haben sich im Berufungsp­rozess Strafkamme­r und Oberstaats­anwalt Karl-Heinz Schroth. Richter Hasler hatte nach einer Beratungsp­ause angedeutet, dass „wohl keine Verurteilu­ng“nach dem bisherigen Verhandlun­gsverlauf zu erwarten sei. Er empfahl dem Anklagever­treter die Berufung zurückzune­hmen. Da wollte der Oberstaats­anwalt aber nicht mitziehen, weil er wohl nach wie vor von der Schuld der Angeklagte­n überzeugt ist. Im ersten Prozess hatte die Staatsanwa­ltschaft für den Unternehme­r ein Jahr Freiheitss­trafe auf Bewährung gefordert, für den ExAnwalt sogar drei Jahre und vier Monate mit vierjährig­em Berufsverb­ot. Mit der Aussage weiterer Zeugen wird der Prozess am Donnerstag, 28. November fortgesetz­t.

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Symbolfoto: Hauke-Christian Dittrich/dpa Zwei Angeklagte sollen sich beim Verkauf eines 2,5 Millionen Euro teuren Reiterhofs strafbarer Mittel bedient haben.

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