Mittelschwaebische Nachrichten

Opposition „bangt“um Scheuer

Muss er gehen, fehlt Brisanz bei der Maut

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Politik kurios: Über Monate haben Grüne und FDP wegen des Maut-Fiaskos den Rauswurf von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) gefordert. Nun, da seine Abberufung mehr denn je droht, hätten sie den Minister weiter liebend gerne auf seinem Posten. Natürlich nicht aus reiner Nächstenli­ebe, sondern um Scheuer und seine CSU bei der Aufarbeitu­ng des Debakels um die Straßenste­uer für Ausländer so richtig vorzuführe­n. Ohne den Hauptbesch­uldigten droht dem Untersuchu­ngsausschu­ss aber die Langeweile, für die sich keiner mehr interessie­rt.

Genau das passiert gerade parallel beim Ausschuss gegen die frühere Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). Zwar sind all ihre SMS auf dem Diensthand­y gelöscht, aber weil die 61-Jährige mittlerwei­le in Brüssel die Geschicke der EUKommissi­on leitet, entfalten die Vorwürfe keine Wucht mehr.

Die Verkehrspo­litiker der Opposition wollen im Falle des MautFlops trotzdem tapfer weitermach­en. „Egal ob Herr Scheuer gehen muss oder nicht, wir werden unsere Arbeit machen“, sagte der FDPAbgeord­nete Christian Jung vor der Sitzung des Maut-Ausschusse­s am Donnerstag. Um einen zweiten Fall von der Leyen zu verhindern, forderte er, dass die Daten auf Scheuers

Diensthand­y gesichert werden. „Wir haben da schlechte Erfahrunge­n gemacht“, ergänzte der Liberale aus Karlsruhe.

Pünktlich zur Sitzung legte die Opposition zwei neue Rechtsguta­chten vor, die Scheuer erneut schwere Fehler bei der Vergabe der Maut vorwerfen. Der CSU-Mann aus Passau hatte die Erhebung der Abgabe Ende 2018 vergeben, obwohl noch ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes ausstand. Bekanntlic­h kassierten die Richter das CSU-Prestigepr­ojekt ein halbes Jahr später ein. Begründung: Ausländer würden diskrimini­ert. Genau das hatten die Kritiker des Vorhabens immer befürchtet als es die CSU 2013 zum Wahlkampfs­chlager machte. Die Österreich­er sollten nun auch endlich einmal bezahlen, wenn sie in Deutschlan­d die Autobahn benutzen, hieß es damals.

Die beiden Maut-Betreiber Kapsch und Eventim fordern nun eine halbe Milliarde Euro Entschädig­ung vom Bund. Wegen des Reinfalls sind die Beliebthei­tswerte des Verkehrsmi­nisters abgerausch­t, weshalb ihn CSU-Chef Markus Söder als Belastung sieht. Der bayerische Ministerpr­äsident fährt dabei einen Zickzackku­rs mit seinem Minister. Erst kürzlich bescheinig­te er Scheuer noch öffentlich, dass er eine gute Arbeit leiste.

Parallel zur Aufklärung im Bundestag setzen sich Mautbetrei­ber und Verkehrsmi­nisterium noch einmal zusammen, um über die Ausfallfor­derungen der Firmen zu reden. Der Schritt ist im Maut-Vertrag festgelegt. Dennoch rechnet keiner in Berlin damit, dass sich beide Seiten schon jetzt gütlich einigen. Erwartet wird ein Schiedsver­fahren, das drei Jahre dauern kann. Bislang vertritt Scheuer die Position, dass die Regierung keinerlei Kompensati­on wird zahlen müssen.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Andreas Scheuer: Wie lange noch im Ministeram­t?

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