Mittelschwaebische Nachrichten

„Ich konnte nicht mehr anders“

Porträt Philipp Hörmann ist gelernter Metzger und war maßgeblich an der Aufdeckung des Tierskanda­ls im Allgäu beteiligt. Was den 36-Jährigen antreibt und was er erreichen will

- VON SIMONE HÄRTLE

Kempten „Da liegt ein Kalb in der Güllegrube“: Dieser Satz einer Spaziergän­gerin war es, der Philipp Hörmann auf den Plan rief – und letztlich die Aufdeckung des Tierskanda­ls im Unterallgä­u ins Rollen brachte. Der mittlerwei­le 36-Jährige begann im Januar vergangene­n Jahres mit seinen Recherchen, hängte unter anderem Kameras in einer Hofstelle des fraglichen Betriebs in Bad Grönenbach auf und holte später den Verein „Soko Tierschutz“ins Boot. Vor der eigenen Haustür wollte sich der Unterallgä­uer so etwas eigentlich „nicht ans Bein binden“. Aber nach allem, was er gesehen und recherchie­rt hatte, „konnte ich nicht mehr anders“.

Dass er heute aktiver Tierschütz­er und Veganer ist, hätte er vor 15 Jahren selbst nicht geglaubt. Denn Hörmann hat nach der Schule eine Metzgerleh­re gemacht, später eine Ausbildung zum Maurer absolviert und Ställe für die Nutztierha­ltung gebaut. Mittlerwei­le ist er bei der Berufsfeue­rwehr. Der Job ist stressig. Deswegen hat Hörmann nach einem Ausgleich gesucht. 2015 versuchte er sich nebenher als Landwirt, hielt in einem großen Freilandge­hege 34 Schweine. Die Tiere konnten schon bald Stöckchen holen und ließen sich am Bauch kraulen. Als es dann ans Schlachten ging, sei das für ihn sehr belastend gewesen: „Früher dachte ich, wenn die Tiere ein schönes Leben haben, ist das Töten schon okay. Heute bin ich anderer Meinung.“

Hörmann ist auf einem Bauernhof groß geworden, sorgte dort unter anderem für die Hasen. Mit 16 hatte er den Jagdschein. „Für mich war dass die Tiere im Kochtopf landen.“Nachdem er seine Schweine zum Schlachten führen musste, hat sich Hörmanns Denkweise verändert. Ab Ende 2015 lebte er vegetarisc­h, dann wurde er vegan. „Früher hätte ich nicht einmal den Unterschie­d gekannt.“

Hörmann beschäftig­te sich eingehend mit der Tierwohl-Thematik, nahm an Demonstrat­ionen teil und knüpfte erste Kontakte zur „Soko Tierschutz“. Im Oktober 2017 arbeitete er inkognito auf einem großen Schlachtho­f in Nordrhein

Westfalen als „Kopfschläc­hter“. Er dokumentie­rte und filmte die Abläufe, um sein Material später zu veröffentl­ichen. Er habe beispielsw­eise gesehen, „wie Tiere bei lebendigem Leib aufgeschni­tten oder ins Brühbad geworfen wurden“. Hörmann betont: „Ich will den Tieren eine Stimme geben. Viele wissen gar nicht, wie es in der Branche aussieht.“

Dabei gehe es ihm nicht darum, dass einzelne Schlachthö­fe geschlosse­n werden oder Unternehme­n einen finanziell­en Schaden davon trasonnenk­lar, gen, sondern darum, den Verbrauche­r auf die Zustände aufmerksam zu machen und das System grundsätzl­ich zu verändern. „Die Nutztierha­ltung und was dazu gehört ist meiner Meinung nach brutal, selbst wenn sich alle an die geltenden Regeln halten.“

Ohne handfeste Hinweise verschaffe er sich keinen unbefugten Zutritt zu den Höfen, über die er recherchie­rt. „Erst wenn ich einen Zustand absolut nicht mehr für tolerierba­r halte, überschrei­te ich Grenzen.“Dann nehme er auch strafrecht­liche Konsequenz­en in Kauf.

Vor Weihnachte­n habe er sich von der „Soko Tierschutz“im Guten abgenabelt, sagt Hörmann. Kürzlich hat er im Oberallgäu recherchie­rt, bis ihm die Behörden mit einer Großkontro­lle auf dem Betrieb in Dietmannsr­ied zuvorgekom­men sind. Er möchte sich auf den von ihm mitinitiie­rten Zusammensc­hluss „Metzger gegen Tiermord“(MgT) fokussiere­n. Die Gruppe, die aus ehemaligen Metzgern und heutigen Veganern besteht, setzt sich ebenfalls für Tierrechte ein und hat vor einem Jahr ein Video veröffentl­icht. Frei nach dem Motto: „Wenn wir uns ändern können, könnt ihr das auch.“

Das Video wurde laut Hörmann in den sozialen Medien etwa 4500 Mal geteilt und 156000 Mal angesehen. Anders als andere Tierschütz­er werde MgT im Netz kaum angegriffe­n oder rüde kritisiert. „Unser Vorteil ist, dass wir die andere Seite sehr gut kennen. Da steigt die Hemmschwel­le der Kritiker.“Ohnehin versuche er nicht, andere zu missionier­en. „Man holt die Leute nicht im Straßenges­präch ab, sondern mit Bildern.“

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Foto: Matthias Becker Philipp Hörmann möchte „den Tieren eine Stimme geben“. Dafür überschrei­tet er mitunter gesetzlich­e Grenzen.

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