Mittelschwaebische Nachrichten
Es geht nur mit Talent, Glück und Persönlichkeit
Interview Die frühere National-Torhüterin Sylvia Harlander coacht die Schlussleute des TSV Niederraunau. Ein Gespräch über Heimatverbundenheit und die Grundlagen des erfolgreichen Handballspiels
Sie kommen ursprünglich aus Niederraunau, haben dort auch mit dem Handballspielen angefangen. Gab es zu jener Zeit eigentlich schon Mädchen-Teams, Frau Harlander? Harlander: Zum Glück wurde damals gerade eine Mädchen-Mannschaft gegründet, ja. Auch wenn es mich fast mehr gereizt hat, bei den Jungs mitzuspielen. Es war ja so, dass meine ganzen Kumpels bei den Jungs gespielt haben.
Und standen Sie von Beginn an im Tor?
Harlander: Anfangs spielte ich auch noch im Feld, aber mein damaliger Trainer Dietrich Schmitt stellte mich ziemlich früh ins Tor und es stellte sich schnell heraus, dass mein Talent dort größer war.
Erzählen Sie doch mal: Haben die Jungs nie gelästert, weil Sie als Mädchen mitgemacht – und ihnen das Torewerfen vermiest haben?
Harlander: Beschwerden habe ich keine im Kopf, aber vielleicht haben sie sich an anderer Stelle beschwert. Ach ja, an eine Episode kann ich mich erinnern: In Krumbach wurde ein D-Jugend-Turnier ausgetragen. Ich stand von Anfang bis Ende im Tor, habe auch ein paar entscheidende Siebenmeter gehalten und wurde sogar als beste Torhüterin ausgezeichnet. Da sagte ein Spieler einer anderen Mannschaft zu mir: „Eigentlich dürfen Mädchen hier gar nicht mitspielen, das ist ein JungsTurnier.“
Wie steinig war der Weg von der Hobbyzur Profi-Handballerin? Harlander: Niederraunau ist meine Heimat und wird es auch immer bleiben. Aber Markus Waldmann, damals Bundesliga-Spieler beim VfL Günzburg, hat mich irgendwann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei einem anderen Verein als dem TSV Niederraunau zu spielen. Er knüpfte den Kontakt zur DJK Augsburg/Hochzoll. Dort landete ich als 17-Jährige, spielte mehrere Jahre und es lief gut. Nach dem Zwangsabstieg in die Regionalliga musste ich allerdings die Entscheidung treffen, ob ich noch einmal richtig angreifen möchte. Mein Förderer war damals Hartmut Mayertisch
heute Bundesliga-Trainer in Göppingen. Mit ein bisschen Glück wurde ich zum Probetraining beim Bundesligisten Bayer Leverkusen eingeladen. Nach anfänglichen Problemen wurde ich immer stärker und Stamm-Torhüterin. Nach erfolgreichen Jahren (Meisterschaft, Pokalsieg, Berufung in die Nationalmannschaft) landete ich über Umwege beim 1.FC Nürnberg, zurück in Bayern also.
Sie haben in diesem Gespräch bereits Talent und Glück erwähnt. Welchen Anteil haben die beiden am Erfolg eines guten Handball-Torhüters? Und wie viel Arbeit kommt dazu?
Harlander: Ob man das prozentual aufgliedern kann? Das ist zumindest schwierig. Talent ist wichtig, und da ist hinzugefügt: Du brauchst eine bestimmte Persönlichkeit, um dich ins Tor zu stellen. Auch, um dem Druck in den höheren Klassen standzuhalten. Glück bedeutet, vielleicht im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, dass dich jemand sieht und du den passenden Trainer findest, der dich entwickelt. Und Arbeit? Hinter Erfolgen steckt fast immer viel harte Arbeit. Automahoffer,
die Bereitschaft zu haben, ins Training zu gehen, weil es dir Spaß macht: Das muss sein; auch, wenn Lauftraining dann tatsächlich doch keinen Spaß macht.
Zum Glück des Sportlers zählt auch das Kapitel Verletzungen. War das in Ihrer aktiven Laufbahn ein großes Thema?
Harlander: Ich hatte sicher das Glück, dass ich keine richtig schweren Verletzungen erlitt. Außer einer Meniskus-Operation nach anhaltenden Problemen blieb ich weitgehend verschont.
Sie arbeiten in Niederraunau jede Woche mit den Torhütern zusammen. Wie können wir uns so eine Trainingseinheit vorstellen?
Harlander: Vieles läuft natürlich in Abstimmung mit dem Trainer. Grundlage ist immer, an den Grundausführungen und Grundbewegungen zu arbeiten. Es wird auch viel Reaktionsschnelligkeit trainiert. Ein paar Sachen haben mit Angstbewältigung zu tun im Sinn von: Traue ich mich jetzt, konsequent rauszugehen? Hinzu kommt das Schulen kognitiver Fähigkeiten durch LifeKinetik-Training und Ähnliches.
Auf Ihrer Homepage heißt es „Ein guter Coach stellt Ihnen Fragen, die sonst keiner stellt.“Welche Fragen stellen Sie den Raunauer Torhütern?
Harlander: Das kann ich jetzt nicht verraten, das ist Betriebsgeheimnis. Aber wenn zum Beispiel jemand blockiert ist, könnte man fragen: Welchen Nutzen hat es für dich, dass du jetzt genau dieses Verhalten an den Tag legst? In welchen Situationen läuft es denn bei dir?
Es heißt, in Nürnberg hätten Sie sich liebevoll um die Pflanzen auf Ihrem Balkon gekümmert. Jetzt besitzen Sie einen Garten. Ist die Arbeit im Grünen Ihr größtes Hobby?
Harlander: Ich bin wirklich sehr gerne draußen in der Natur. Mein Garten leidet gerade etwas, aber ich versuche, den im Frühjahr wieder auf Vordermann zu bringen. Und seit ich wieder in meiner Heimat bin, verbringe ich natürlich viel Zeit mit meiner Familie und Freunden. Mit meinen ehemaligen Handball-Kolleginnen aus Niederraunau spiele ich auch hin und wieder Karten.
Das Gespräch führte Jan Kubica
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Zur Person Sylvia Harlander wurde am 11. Januar 1974 in Krumbach geboren. Vom TSV Niederraunau führte sie der sportliche Weg bis in die Bundesliga. Dort hütete sie 15 Jahre lang das Tor, trug 70-mal das deutsche Nationaltrikot, war bei Welt- und Europameisterschaften dabei. Seit geraumer Zeit verstärkt sie das Trainer-Team des Landesligisten TSV Niederraunau, leitet jede Woche ein individuelles Torwart-Training. Zudem bringt Sie ihre Erfahrung als Konditions- und Mentaltrainerin ein.