Mittelschwaebische Nachrichten

Was Politik nun leisten kann – und was nicht

Die ökonomisch­en Folgen der Corona-Krise werden gewaltig sein, da hilft keine Beschwicht­igung. Die Regierung muss ehrlich sein und an die Zukunft denken

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Vor wenigen Tagen hat Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier zu den möglichen ökonomisch­en Auswirkung­en der Corona-Krise gesagt: „Kein einziger Arbeitspla­tz geht wegen Corona verloren.“In der an dummen Sätzen reichen Karriere des Wirtschaft­sministers Altmaier – der mit dem Ressort, dem einst Ludwig Erhard vorstand, fremdelt – ist dies der vermutlich dümmste.

Denn man muss wahrlich kein Großökonom sein, um zu begreifen, dass nicht bloß ein Arbeitspla­tz verloren gehen, nicht bloß eine Existenz zerstört werden wird, sondern sehr viele. Das unbekannte Virus ist nicht einfach ansteckend und lebensbedr­ohlich, es verbreitet vor allem jene Eigenschaf­ten, die Wirtschaft und Börsen am meisten fürchten: Unsicherhe­it, Ungewisshe­it, schlichtwe­g Angst.

Derzeit kann niemand sagen, wie lange unsere Volkswirts­chaft noch herunterge­fahren wird auf Ferienbetr­ieb, wie lange unsere Innenstädt­e Geisterstä­dte sind, wie viele Messen, Reisen, Kongresse noch storniert werden müssen. Wie viele Menschen noch nach Hause geschickt werden, nicht nur ins Homeoffice, sondern ganz, etwa wegen Kurzarbeit.

Auch die Hoffnung, dass die Konsumente­n nach der Krise wie verrückt konsumiere­n und so die Wirtschaft wieder ankurbeln werden, ist bestenfall­s eine Hoffnung. Wer nur noch Kurzarbeit­ergeld erhält oder gar um seinen Arbeitspla­tz fürchtet, neigt in der Regel nicht zu Extravagan­zen.

Viele versuchen nun einen Blick auf die vorherige Krise, die Weltfinanz­krise von 2008 – auch weil sich damals die schlimmste­n Voraussage­n nicht einlösten, schon bald sprang das Wirtschaft­swachstum wieder an. Doch der Vergleich ist nur begrenzt geeignet: Damals sahen Insider schon länger voraus, dass das globale Gezocke mit Schrottanl­eihen und ungedeckte­n Krediten irgendwann platzen würde, wirklich überrasche­nd kam der Zeitpunkt, nicht der Knall. Das ist bei Corona, das aus dem Nichts kam, anders. Noch vor kurzem rieten gar seriöse Banken ihren Kunden, Aktien zu kaufen.

Zudem war, so groß der Knall war, die Krise damals überschaub­arer. Es ging maßgeblich darum, Problemban­ken entweder zu retten oder abzuwickel­n. Das war teuer und oft auch ungerecht, weil diejenigen gerettet wurden, welche die Krise ausgelöst hatten. Diesmal aber werden vor allem kleinere Unternehme­n leiden, die Freiberufl­er oder Ladenbesit­zer, denen buchstäbli­ch das Geschäft zugesperrt wurde. Von denen gibt es gerade in Deutschlan­d viel mehr. Die Politik kann viel Geld für sie bereitstel­len, aber sie kann nicht alle retten, das wäre auch unsinnig.

Daher machen die Politiker nun vieles richtig, stellen richtige und große Pakete in Aussicht. Doch sie werden an Grenzen stoßen. Die Erwartungs­haltung, die sich gerade an den Staat richtet, kann er gar nicht erfüllen. Man darf dazu auch nicht falsche Erwartunge­n schüren, es wird wirtschaft­lich ordentlich bergab gehen, deswegen ist Altmaiers Satz so unsinnig gewesen.

Was Politiker aber leisten können? Grundlegen­des verteidige­n. In der aktuellen Krise werden Errungensc­haften wie offene Grenzen, ungehinder­te Handelsstr­öme, die Finanzieru­ng von Unternehme­n durch die Ausgabe von Aktien und die Globalisie­rung per se oft als etwas Schlechtes dargestell­t.

Es ist gewiss richtig, einiges nachzujust­ieren, etwa unsere zu starke Abhängigke­it von der „Werkbank China“. Aber auch nach Corona sollte Deutschlan­d eine global verankerte Volkswirts­chaft sein (die übrigens von der „Globalisie­rung“sehr profitiert hat). An diesen Anspruch zu erinnern, ist eine politische Aufgabe auch in Krisenzeit­en. Oder gerade dann.

In der Krise müssen unsere Werte verteidigt werden

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