Mittelschwaebische Nachrichten
Immun gegen Corona? Geht nach Hause, ihr Revoluzzer!
Die Welt kämpft gegen das Virus, doch immer noch gibt es zu viele Menschen, die sich nichts vorschreiben lassen wollen. Sie fühlen sich stark – und riskieren damit das Leben der anderen
Der Frühling kommt, die Natur erwacht, die Biergärten füllen sich, Schüler feiern im Park, Gedränge auf dem Münchner Viktualienmarkt, Schlangen an Eisdielen. Es wäre so großartig, wenn es nicht so dumm wäre. Zu viele Menschen ignorieren die Appelle von Wissenschaftlern, die Vorgaben der Regierung und die Sonderseiten mit Todesanzeigen in italienischen Zeitungen. Manche wollen sich partout nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben. Manche sind naiv. Manche gefallen sich darin, der vermeintlichen Hysterie zu widerstehen. Alle gefährden damit Menschenleben.
Neben der großen Solidarität mit denen, für die Corona tödlich sein kann, erleben wir in diesen Tagen leider auch ein Phänomen, das ein Kollege ziemlich treffend als Wohlstandstrotz bezeichnet hat. In dem Gefühl, dass ihnen selbst das Virus nichts anhaben kann, zelebrieren vor allem jüngere Menschen die „Corona-Ferien“, stürzen sich ins Leben – und andere in Lebensgefahr. Es ist ja richtig, dass der Alltag weitergehen muss. Und natürlich wäre es Quatsch, sich bei diesem Wetter zu Hause zu verbarrikadieren. Frische Luft tut nicht nur der Seele gut, sondern stärkt auch die Abwehrkräfte. Aber da draußen ist genug Platz für alle.
Ist es denn wirklich zu viel verlangt, größeren Menschenmengen aus dem Weg zu gehen? Ist es denn ernsthaft so schwer zu verstehen, dass gerade die Starken und Gesunden den Schwachen und Kranken schon damit helfen können, dass sie das Virus nicht weiterverbreiten?
es um Klimawandel oder Staatsverschuldung geht, werfen die Jungen den Alten oft Ignoranz vor. Sie fragen zu Recht: Wer denkt dabei eigentlich an uns, an die künftigen Generationen? In der Corona-Krise sind es nun die Alten, die auf Solidarität angewiesen sind. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn die Mehrheit der Versuchung widersteht, „Nach mir die Sintflut“zum persönlichen Lebensmotto zu machen.
Eine gewisse Skepsis gegenüber einem Staat, der besser zu wissen glaubt, was für seine Bürger gut ist als sie selbst, ist vollkommen in Ordnung. Die Corona-Krise ist eine nie dagewesene Herausforderung für unsere freie Gesellschaft. Jede neue Einschränkung fühlt sich wie eine kleine Entrechtung an. Wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt, dass unserem freien Willen, unserer Selbstentfaltung irgendwelche Grenzen gesetzt werden. Und es ist ja auch gar nicht so einfach, Gewohnheiten aufzugeben. Aber meinen die selbst ernannten Revoluzzer, die sich darin gefallen, gegen den angeblichen MainWenn stream anzuschwimmen, ernsthaft, dass sie die Lage besser einschätzen können als Ärzte und Virologen? Lassen sie sich nur durch eine Ausgangssperre zur Vernunft zwingen? Glauben sie wirklich, dass Deutschland immun ist, wenn in Italien gleichzeitig tausende Menschen an diesem Virus sterben? Erwachsene in der Trotzphase – welch dreiste Anmaßung!
Die Regierungen versuchen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Was richtig war und was falsch, was zu zaghaft war und was übertrieben, das werden wir erst sehr viel später wissen. Klar ist aber schon jetzt: Um diese Probe gemeinsam zu bestehen, muss auch jeder Einzelne Verantwortung übernehmen. Jede nicht geschüttelte Hand kann helfen, andere zu schützen – am Ende auch die eigenen Eltern oder Großeltern.