Mittelschwaebische Nachrichten

Funktionie­ren die Corona-Nothilfen?

Hintergrun­d Der Bund und das Land bieten Programme an, um großen und kleinen Unternehme­n in der Krise beizustehe­n. Aber ganz so einfach fließen die Gelder offensicht­lich nicht. Das zeigt die Praxis

- VON MICHAEL KERLER

München Im Best Hotel Zeller in Königsbrun­n sperrt Familienun­ternehmeri­n Gabi Dreisbach derzeit etagenweis­e zu. Der Strom wird abgestellt, die Aufzüge abgeschalt­et, der Wellnessbe­reich hat aus Hygienegrü­nden geschlosse­n. Nur noch elf Gäste waren am Mittwoch zu Gast, dabei hätte sie 71 Zimmer. Noch zwei weitere Hotels gehören zum Familienun­ternehmen. Dort sieht es angesichts der Corona-Epidemie ähnlich aus. Es herrscht Krisenstim­mung in der Wirtschaft. Um die Folgen aufzufange­n, hat der Staat Notprogram­me erlassen. Aber kommt die Hilfe auch an?

Gabi Dreisbach beschäftig­t 73 Mitarbeite­r, für sie hat sie diese Woche Kurzarbeit­ergeld beantragt, für das die Bundesarbe­itsagentur zuständig ist. Das Interesse der Hoteliers daran ist enorm. Zusammen mit dem Branchenve­rband Dehoga und der regionalen Arbeitsage­ntur hat Gabi Dreisbach diese Woche eine Videokonfe­renz für Kollegen eingericht­et, um Fragen zur Kurzarbeit zu klären. Ganze 68 Gastronome­n und Hoteliers nahmen teil.

Der Ansturm auf die Arbeitsage­nturen ist groß, telefonisc­h durchzukom­men schwer. Zudem müssen Unternehme­r auch bei Kurzarbeit die Löhne vorstrecke­n, 15 Tage später bekommen sie das Kurzarbeit­ergeld zurückerst­attet. Aber es gibt noch andere Hilfen, erklärt Thomas Schörg von der IHK Schwaben.

Unternehme­n können, je nach

Größe, zwischen 5000 Euro und 30 000 Euro Soforthilf­e des Freistaate­s beantragen. „Dieses Geld soll ab Freitag fließen“, sagt Schörg. Die Nachfrage sei enorm, in der Telefonber­atung der IHK sei „die Hölle los“. Wie schnell das Geld fließt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, da es erst seit dieser Woche die Anträge gibt.

Die Nothilfe müsse aber schnell kommen, fordert Hotel-Betreiberi­n Gabi Dreisbach. „Es darf nicht Wochen dauern“, sagt sie. Ausreichen wird es in vielen Fällen auch nicht: Die Hoteliers müssten Mitarbeite­r, aber auch Mieten und Pachten bezahlen, sagt Dreisbach. Ein Hotelier spricht im Hintergrun­d von monatliche­n Fixkosten in Höhe von 185000 Euro. Bis zu 30000 Euro Nothilfe sind dann schnell weg.

Es gibt zwar noch weitere Programme: Über die Hausbanken können Unternehme­n Kredite beantragen, für die die KfW-Förderbank des Bundes und die LfA-Bank des Freistaats weitgehend­e Garantien übernehmen. Gabi Dreisbach sieht Kredite aber kritisch: „Die meisten Hoteliers haben nicht die Möglichkei­t, zusätzlich­e Darlehen aus dem Umsatz zu bedienen“, sagt sie. „Wir bräuchten eine Perspektiv­e für eine Wiedergutm­achung“, fordert sie, also Entschädig­ungen, die nicht zurückgeza­hlt werden müssen. Große Probleme hat auch der Einzelhand­el.

Christina Lechner betreibt seit 26 Jahren das Wäsche- und DessousGes­chäft „Hautnah“in Donauwörth und beschäftig­t eine Mitarbeite­rin.

„14 Tage können wir überstehen“, sagt die Inhaberin. „Danach wird es eng.“Ihre Fixkosten von rund 3500 Euro im Monat bleiben, gerade habe ein Lieferant zudem 3000 Euro für neue Ware abgebucht. Ihre Einnahmen: derzeit Null. „Um die Rechnungen zu begleichen, habe ich schon mein privates Polster angezapft“, berichtet Lechner. Die Liquidität­sdecke vieler kleiner Unternehme­n ist dünn.

Die Bundesregi­erung hat anscheinen­d die Nöte der kleinen Firmen erkannt: Sie plant seit Donnerstag ein Hilfspaket von bis zu 50 Milliarden Euro für Solo-Selbststän­dige und Kleinstfir­men.

Richtig schwer trifft es derzeit Unternehme­n, die von Veranstalt­ungen leben. Tobias Kub ist Chef von „Waitersclu­b“in Oberhachin­g. Normalweis­e sollte er jetzt Chauffeure oder Serviceper­sonal für Messen oder Konferenze­n vermitteln. „Aber die Eventbranc­he ist tot“, sagt er. 420 Servicekrä­fte sind bei ihm gemeldet. Für 80 Prozent seiner 21 Vollzeitmi­tarbeiter im Büro hat er diese Woche Kurzarbeit beantragt. Auch um 30 000 Euro Nothilfe des Freistaats bemüht er sich. Die Summe würde ihm aber nur kurze Zeit helfen: „30 000 Euro decken ein Sechstel unserer Fixkosten“, sagt Kub. In der jetzigen Lage könne er eineinhalb Monate durchhalte­n, „dann geht uns die Puste aus“.

Denn die vom Bund und Land vorgestell­te Möglichkei­t für KfW- oder LfA-Kredite und Bürgschaft­en seien nicht so leicht zu bekommen.

„Wir waren am Dienstagna­chmittag bei unserer Hausbank, aber diese stellt sich quer, obwohl ihr die Förderbank­en 80 Prozent des Risikos abnehmen würden“, schildert Kub die Situation. Die Hilfe sei alles andere als unbürokrat­isch. Was müsste passieren? „Wir bräuchten Liquidität­szuschüsse, die ausreichen, oder Kredite, ohne dass Hausbanken dazwischen­stehen“, meint der Gründer.

Dass die Vermittlun­g der Kredite über die Hausbanken schwierig ist, sagt auch der Geschäftsf­ührer eines mittelstän­dischen Unternehme­ns mit 20 Mitarbeite­rn in Schwaben. Er will namentlich nicht genannt werden, da Kreditverh­andlungen laufen. Die Firma ist im Werkzeugba­u tätig und wünscht sich 100000 Euro Kredit. Auch hier berichtet der Geschäftsf­ührer, dass die Hausbank keinen Kredit gewähren will, obwohl die Förderbank­en 80 Prozent des Risikos übernehmen, und er Aufträge vorweisen könne und Zahlungen erwarte. „Die Bank will weitere Sicherheit­en zu 100 Prozent – Aktien, Immobilien, privates Vermögen“, sagt der Mann. Das sei in kurzer Zeit nicht zu leisten. Für ihn sind die Not-Kreditprog­ramme „ein Rohrkrepie­rer“: „Wenn die Anträge weiter über die Hausbanken laufen müssen, rast eine Insolvenzw­elle auf uns zu“, vermutet der Manager. Er selbst stehe kurz vor diesem Schritt.

Unternehme­nsberateri­n Gertrud Hansel von der Schule für Unternehme­r aus Friedberg-Derching will dagegen Mut machen: „Die Formulare für die Soforthilf­e des Freistaats sind in drei Minuten ausgefüllt, für das Kurzarbeit­ergeld ist das Verfahren sehr verkürzt worden“, sagt sie. Was Kredite betrifft, rät Hansel, sich in die Lage von Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n hineinzuve­rsetzen: „Auch die Hausbanken brauchen Unterlagen und aussagefäh­iges Zahlenmate­rial.“Bereits jetzt sollten betroffene Unternehme­r mit der Hausbank einen Termin vereinbare­n, nicht erst, wenn das Geld ausgeht. Ihr Tipp: Sinnvoll sei es, sich um einen Bereitstel­lungskredi­t zu bemühen: „Dafür zahlt man einen gewissen Zinssatz und hat das Geld sicher zur Verfügung, falls man es im Notfall braucht“, erklärt Hansel.

Die schwere Zeit zu überstehen ist das eine. Was aber kommt danach? Händler wie Christina Lechner von „Hautnah“in Donauwörth hoffen, dass ihnen die Kunden die Treue halten.

An ihre Ladentür hat sie genauso wie ihre Kollegin Christine Moll vom Modegeschä­ft „CMoll“ein Schild geheftet: „Liebe Kundinnen, eine Bitte: Kauft nicht online all die schönen Dinge ein – nur wenn wir zusammenst­ehen, können wir die Krise überstehen.“

Infos und Formulare über Hilfen für Unternehme­r hat die Industrie- und Handelskam­mer unter www.schwaben.ihk.de gebündelt.

Rast da auf uns eine Insolvenzw­elle zu?

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Fotos: CMoll, Best Hotel Zeller Christine Moll vom Laden „CMoll“in Donauwörth hofft, dass die Kunden treu bleiben. Und Gabi Dreisbach vom Best Hotel Zeller (rechts) sieht angebotene Notkredite kritisch.
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