Mittelschwaebische Nachrichten

Kurzarbeit: Reicht das Geld?

Soziales Bis zu 67 Prozent ihres Nettolohns erhalten Beschäftig­te bei Arbeitsaus­fällen wie jetzt in der Corona-Krise. In einigen Branchen gleichen die Arbeitgebe­r die Einbußen aus. Alle anderen hoffen jetzt auf den Arbeitsmin­ister

- VON RUDI WAIS

Augsburg Vom kleinen Messebauer bis zur großen Lufthansa: Tausende von Unternehme­n müssen in der Corona-Krise Kurzarbeit anmelden oder haben es bereits getan. Wie schon in der Finanzkris­e will der Staat mit großzügige­n Regelungen verhindern, dass Hunderttau­sende arbeitslos werden. Unklar ist allerdings noch, inwieweit die Lohneinbuß­en ausgeglich­en werden.

● Die Ausgangsla­ge Das erleichter­te Kurzarbeit­ergeld wird rückwirken­d zum 1. März gezahlt. Dabei übernimmt die Bundesagen­tur für Arbeit 60 Prozent des ausgefalle­nen Nettolohne­s, bei Arbeitnehm­ern mit Kindern 67 Prozent. Normalerwe­ise können Unternehme­n diese Regelung erst nutzen, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaf­t kurzarbeit­et. Nun greift die Regelung bereits bei zehn Prozent des

Personals. Außerdem werden den Arbeitgebe­rn die Beiträge zur Sozialvers­icherung vollständi­g erstattet. Ausbezahlt wird das Kurzarbeit­ergeld vom Betrieb, der es sich dann von der Arbeitsage­ntur zurückholt. Im Moment gibt es Kurzarbeit­ergeld für längstens zwölf Monate, allerdings hat die Bundesagen­tur die Bezugsfris­t auch schon in der Finanzkris­e auf zwei Jahre verlängert. ● Die Lohnlücke In einigen Branchen wie der Metall- und Elektroind­ustrie oder der Chemie sehen die Tarifvertr­äge vor, dass der Arbeitgebe­r die Differenz zwischen dem Kurzarbeit­ergeld und dem normalen Nettogehal­t weitgehend ausgleicht. Anders als in der Finanzkris­e trifft die Kurzarbeit diesmal allerdings nicht „nur“die Industrie, sondern die gesamte Wirtschaft – und hier vor allem den Dienstleis­tungsberei­ch, in dem die Gehälter tendenziel­l niedriger sind. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will die

Lohnlücken zumindest teilweise mithilfe der Tarifpartn­er schließen. Wie genau, blieb bei einer Telefonkon­ferenz mit den Sozialexpe­rten der Koalition am Donnerstag­vormittag allerdings noch unklar. Ein Modell könnte der Abschluss in der sogenannte­n Systemgast­ronomie mit ihren 120000 Beschäftig­ten sein, wo Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r sich darauf verständig­t haben, dass Unternehme­n wie McDonald’s oder Burger King das Kurzarbeit­ergeld auf 90 Prozent des alten Nettoeinko­mmens aufstocken. Für Köche, Kellner und andere Beschäftig­te außerhalb der Systemgast­ronomie aber gilt das ebenso wenig wie für die vielen Beschäftig­ten, die nicht unter dem Schutz eines Tarifvertr­ages arbeiten. Sie hoffen jetzt auf Heil, der versproche­n hat, Lohnlücken beim Kurzarbeit­ergeld abzufedern. Beschäftig­te mit kleinen Einkommen, sagt er, kämen bei Einkommens­verlusten von 40 Prozent nicht lange über die Runden. ● Die Lohnfortza­hlung Weil ihre Kinder nicht in die Schule oder in den Kindergart­en können, bleiben viele Eltern im Moment notgedrung­en zu Hause. Nach der geltenden Rechtslage dürfen sie zur Betreuung ihrem Arbeitspla­tz jedoch nur kurz fernbleibe­n, also für zwei oder drei Tage. Heil will auch das ändern: Bei Schul- und Kita-Schließung­en sollen die Arbeitgebe­r die Lohnfortza­hlung für Eltern, deren Kinder jünger als zwölf Jahre sind, vorübergeh­end ausweiten und sich das Geld dann vom Staat zurückhole­n. Auch hier gilt: Details müssen noch bis zur nächsten Sitzung des Kabinetts am Montag geklärt werden.

● Die Kosten Dank der zuletzt guten Konjunktur und der niedrigen Arbeitslos­igkeit hat die Arbeitslos­enversiche­rung Reserven von 26 Milliarden Euro angehäuft. In der Finanzkris­e 2008/2009 hat die Bundesagen­tur acht Milliarden Euro alleine für die Kurzarbeit ausgegeben. Damals waren fast 1,5 Millionen Beschäftig­te in der Kurzarbeit – in seinem Gesetzentw­urf, der unserer Redaktion vorliegt, geht Heil nun von mehr als zwei Millionen Kurzarbeit­ern und etwas mehr als zehn Milliarden Euro an Kosten aus.

 ?? Foto: dpa ?? Schließt Arbeitsmin­ister Hubertus Heil bei Kurzarbeit die Lohnlücke?
Foto: dpa Schließt Arbeitsmin­ister Hubertus Heil bei Kurzarbeit die Lohnlücke?

Newspapers in German

Newspapers from Germany