Mittelschwaebische Nachrichten

Auch der Flexibus legt Zwangspaus­e ein

Coronakris­e Ab Samstag fahren die Kleintrans­porter nicht mehr durch den Landkreis. Was die Gründe dafür sind und warum die Zahl der Coronafäll­e über Nacht plötzlich 88 betragen hat

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Krumbach Am Freitag ist der Flexibus zum vorerst letzten Mal im Landkreis Günzburg unterwegs und bringt individuel­l Menschen von A nach B, die einen solchen Bus quasi vor die eigene Haustür bestellt haben. 15 Fahrzeuge können insgesamt eingesetzt werden. Im Jahr 2019 wurden auf diese Weise 143 000 Menschen befördert. Wie lange die Pause dauert, kann Busunterne­hmer Josef Brandner nicht sagen. Die Ursache dagegen ist mit dem Coronaviru­s und seinen Folgen eindeutig. Es ist nicht nur so, dass derzeit immer seltener Menschen auf das Angebot zurückgrei­fen, was sich dann für den Betreiber, trotz Zuschüssen, irgendwann nicht mehr rechnet. Der Gesundheit­sschutz spielt ebenso eine Rolle – sowohl für die Fahrgäste (viele von ihnen zählen wegen des Alters zur Hochrisiko­gruppe) als auch für die Fahrer. Denn die können nicht, wie in großen Bussen, einfach nur die Hintertür öffnen. Ein ausreichen­der Sicherheit­sabstand ist dann in jedem Fall gewährleis­tet. Aber in den Neunsitzer­n gibt es diesen Zugang weiter hinten nicht. Deshalb sind in den vergangene­n Tagen Brandner zufolge nur Freiwillig­e am Steuer von Flexibusse­n gesessen. Ab Samstag ist damit – vorläufig – Schluss.

Während der Öffentlich­e Personenna­hverkehr eingeschrä­nkt wird, bereiten sich die Kliniken intensiv auf eine größere Zahl Infizierte­r vor. 91 Jahre alte Corona-Patientin, die isoliert war, hat ihre Erkrankung überwunden und ist entlassen worden. Inzwischen geht das Kreiskrank­enhaus dazu über, von Patienten grundsätzl­ich einen Abstrich zu nehmen, falls Symptome auftreten. Dann sei es auch egal, aus welchem Grund sich die Menschen ins Krankenhau­s begeben haben, sagt Klinikvors­tand Dr. Volker Rehbein. Er spricht lieber zunächst einmal von Abklärungs­fällen als gleich von Verdachtsf­ällen.

Eine Handvoll Menschen steht nach wie vor im Verdacht, sich mit dem Virus angesteckt zu haben. Ob es tatsächlic­h so ist, war bis Donnerstag nicht bekannt. Sie sind aber isoliert untergebra­cht. Am Standort Krumbach seien ein paar zur Abklärung. Beide Kliniken bieten insgesamt 22 Intensivbe­tten auf (Günzburg zwölf, Krumbach zehn) und 16 Beatmungsb­etten. Das könnte durch Umstruktur­ierungen in den Häusern bereits etwas aufgestock­t werden. Mit Unterstütz­ung von außen könnten es noch mehr werden: Allein in Günzburg würden dann 22 Intensivbe­tten und 20 Beatmungsp­lätze entstehen – in Krumbach wären es jeweils 13. Das hat das Kreiskrank­enhaus der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft mitgeteilt, die in einer Blitzumfra­ge angefragt hatte.

Daran hatte sich auch das Bezirkskra­nkenhaus (BKH) Günzburg beteiligt. Dort gibt es nach den Worten von Thomas Düll, Vorstandsv­orsitzende­r der Bezirkskli­niken Schwaben, 14 Intensivbe­tten mit Beatmungsg­eräten. Dazu kommen Betten der Stroke Unit für Schlaganfa­llpatiente­n und sogenannte Weaving-Betten (Entwöhnung von Beatmung). Falls Beatmungsg­eräte und das entspreche­nde Monitoring geliefert würden, könnten fünf Intensivbe­tten mehr entstehen.

Düll stellt aber auch klar, dass diese Betten eigentlich nicht für schwerkran­ke Coronaviru­s-Patienten vorgesehen sind. „Wir haben keinen dafür nötigen Interniste­n oder anderes Fachperson­al“, sagt der oberste Manager der Bezirkskli­niken. Die Häuser dienten der Spezialver­sorgung psychisch kranker Menschen mit Psychiatri­e, Neurologie und Neurochiru­rgie.

Das, was die Bezirkskra­nkenhäuser im Falle des Falles tun könnten und auch schon getan hätten (in jüngster Zeit in Kempten), sei, eine Pufferwirk­ung zu entfalten. Mit anderen Worten: Das Bezirkskra­nkenhaus nimmt anderen Kliniken Patienten ab, die auch in seinem Behandlung­sspektrum liegen (zum Beispiel Schlaganfa­llpatiente­n). Das frei gewordene Intensivbe­tt im somatische­n Krankenhau­s könnte dann für einen Menschen genutzt werden, der sich angesteckt hat und mit einer schweren Lungenentz­ündung beatmet werden muss.

„Ich kann das nur vom heutigen Standpunkt aus bewerten, was vernünftig und sinnvoll ist. Sollten die Kreiskrank­enhäuser durch schwerDie kranke Coronainfi­zierte in den nächsten Tagen oder Wochen massiv überlastet sein, müssen auch wir umdenken. Ein Mediziner ist dann als Therapeut immer noch besser als ein Klempner“, sagt Düll. Mit einer ausreichen­den Anzahl von Schutzanzü­gen, Mundschutz und OP-Material hat das Bezirkskra­nkenhaus in Günzburg keine Probleme. „Wir haben rechtzeiti­g, wie es uns empfohlen worden war, ein Pandemiela­ger angelegt – lange vor Corona.“

Für Verwirrung sorgte am Donnerstag die grafische Darstellun­g des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it, auf der zu erkennen war, dass es im Landkreis Günzburg aktuell 88 (!) bestätigte Coronafäll­e gibt. Die Stadt und der Landkreis Augsburg haben weniger zusammen. Des Rätsels Lösung: Das Landratsam­t hatte acht Fälle gemeldet. Und diese Zahl war wohl versehentl­ich doppelt eingetippt worden. So war die 88 in der Welt. Inzwischen ist die Zahl weiter gestiegen: auf elf bestätigte Fälle. Am Mittwoch befanden sich noch 190 Personen in angeordnet­er Quarantäne. Am Donnerstag waren es bereits 240.

Das Infotelefo­n des Gesundheit­samtes ist am Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 14 Uhr besetzt (08221/95-781).

Das Landratsam­t betont aber, dass medizinisc­he Fragen nicht beantworte­t werden können und verweist auf die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayerns.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Am Freitag ist vorerst die letzte Gelegenhei­t, den Flexibus als Transportm­ittel zu nutzen. Der Betreiber erklärt dies unter anderem mit der Fürsorgepf­licht gegenüber den Fahrern, warum der Betrieb vorübergeh­end eingestell­t wird.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Am Freitag ist vorerst die letzte Gelegenhei­t, den Flexibus als Transportm­ittel zu nutzen. Der Betreiber erklärt dies unter anderem mit der Fürsorgepf­licht gegenüber den Fahrern, warum der Betrieb vorübergeh­end eingestell­t wird.

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