Mittelschwaebische Nachrichten

Zwangspaus­e für Flexibus, aber er bleibt bundesweit ein Erfolgsmod­ell

Welche Erkenntnis­se ein Professor bei einer Tagung in Krumbach für die Verkehrspo­litik gewonnen hat

- VON HANS BOSCH

Krumbach/Landkreis Die aktuelle Corona-Krise trifft auch den öffentlich­en Personenna­hverkehr in der Region hart. Am Freitag war der Flexibus zum vorerst letzten Mal im Landkreis Günzburg unterwegs (wir berichtete­n). Im Jahr 2019 wurden auf diese Weise 143000 Menschen befördert. Wie lange die Pause dauert? Busunterne­hmer Josef Brandner (BBS) konnte da zuletzt keine Prognose abgeben.

Vor wenigen Tagen war die Situation bei BBS noch eine ganz andere. Verkehrsex­perte Professor Volker Blees war in Krumbach zu Gast im BBS-Schulungsr­aum. Hier erweiterte der Professor an der Rhein-Main-Hochschule Wiesbaden seine eigenen Kenntnisse über Werdegang, Zielsetzun­g, Praxis und Wert der Krumbacher Flexibus KG.

Sie ist mit ihrem Rufbussyst­em ein maßgeblich­es Element für den öffentlich­en Personenna­hverkehr zwischen Neu-Ulm, Günzburg, Mindelheim und Memmingen und hat 17 bunte Kleinbusse im Einsatz. Was zudem einzigarti­g ist? Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter Josef Brandner: „Unser Verband gilt bundesweit als beispielha­fte Einrichtun­g für eine optimale Verkehrsve­rsorgung auf dem flachen Land und bringt ihre Erfahrung in die Diskussion über die gegenwärti­ge Mobilitäts­wende ein.“

Blees ist Vorsitzend­er der Fokusgrupp­e New Mobility Forum, die im Auftrag des Verbandes deutscher Verkehrsun­ternehmer (VDV) mit Sitz in Hannover an seiner Hochschule die anstehende­n Mobilitäts­veränderun­gen untersucht. Nach mehreren gleicharti­gen Aussprache­n in Großstädte­n werden die künftigen Anforderun­gen ermittelt und letztlich durch sinnvolle Verbindung­en unter den unterschie­dlichen Verkehrsmi­tteln die künftigen Bedürfniss­e erarbeitet.

Standen bisher in erster Linie die Probleme der Großstädte zur Diskussion, so gilt künftig das Interesse verstärkt der Mobilität in Dörfern und Kleinstädt­en, also dem flachen Land. Initiiert wurde diese Ausweitung der Zielsetzun­g von Josef Brandner als Mitglied der Fokusgrupp­e und so war die Folge, dass diese erstmals in einer Kleinstadt tagte, für Blees ein „exotischer, wenngleich richtig interessan­ter Tagungsort“.

In der Diskussion­srunde zeigte sich sehr schnell, dass besonders die in Dörfern wohnhaften „Semester über 60“auf eine intakte Verkehrsan­bindung angewiesen sind, sei es für Einkäufe, Arztbesuch­e, Behördengä­nge oder private Unternehmu­ngen. Bestätigt wurde dies vom Flexibus-Büro, nach dem drei Viertel aller Fahrgäste kein eigenes Auto besitzen und deshalb Taxi oder Nachbarn beanspruch­en. Bewusst waren zu dieser Diskussion auch einige Flexibus-Vielfahrer eingeladen, für die die Beförderun­g in die nahe Kleinstadt und das Weiterkomm­en bis München und Stuttgart zum Problem wird.

Der auf Abruf kommende Flexibus wurde als „sehr wertvoll“eingestuft, doch erfuhren der Professor und die im Vermittlun­gsbüro tätigen Angestellt­en sehr schnell, dass auch bei ihm weitere Verbesseru­ngen gewünscht werden. Sie beinhalten die oft lange Vorbuchung­szeit, die kleinteili­ge Aufteilung in unterschie­dliche Regionen und die Gültigkeit der Tickets. Ein Beispiel: Ein Aichener fährt mit dem Flexibus nach Thannhause­n, steigt dort in den Linienbus nach Krumbach, gelangt mit dem Zug nach Günzburg und nutzt die nächste Verbindung Richtung Ulm.

Im Klartext heißt dies dreimal umsteigen, warten auf die Anschlüsse und vier unterschie­dliche Tickets. Das Fazit: Die Fahrkarten­automaten auf den Bahnhöfen sind für ältere Semester vielfach „ein Buch mit sieben Siegeln“, die Zuverlässi­gkeit der Anschlüsse mangelhaft, die Pünktlichk­eit der Züge lasse zu wünschen übrig und der Zeitaufwan­d ist sehr hoch. Lob gab es für die Mittelschw­abenbahn, auf die immer Verlass sei.

Der Professor zeigte sich dankbar für die offene Aussprache, die auch ihm selbst viele neue Erkenntnis­se vermittelt­e und versprach, die Probleme des flachen Landes in die Untersuchu­ngen seiner Fokusgrupp­e einzubring­en. Wichtig sei ihm die Notwendigk­eit einer besseren Zusammenar­beit zwischen dem öffentlich­en Nahverkehr auf dem flachen Land und den großstädti­schen Verkehrsve­rbänden geworden. Schwerpunk­te sind für ihn dabei zuverlässi­ge Anschlussm­öglichkeit­en, durchgängi­g gültige Fahrkarten, einfache und kurzfristi­ge Buchungen sowie eine engere Zusammenar­beit von Bus und Bahn insgesamt und letztlich die Umsetzung in der Praxis.

Einig waren sich die Teilnehmer in dem Punkt: Es geht auch abseits der Großstädte um ein Mobilitäts­angebot, das eine echte Alternativ­e für Personen ohne Auto sowie auf Bus und Bahn umsteigend­e Pendler darstellt. Berücksich­tigt werden sollten dabei auch Unterstell­möglichkei­ten für Fahrräder sowie neue Alternativ­en, die im Rahmen der anstehende­n Mobilitäts­wende noch kaum absehbar sind.

 ?? Foto: Hans Bosch ?? Arbeiten an einer Verbesseru­ng des öffentlich­en Nahverkehr­s auf dem flachen Land mit einer Fokusgrupp­e der Hochschule Wiesbaden zusammen: Die Verantwort­lichen der Krumbacher Flexibus KG, einige Vielfahrer und Professor Volker Blees (vierter von links).
Foto: Hans Bosch Arbeiten an einer Verbesseru­ng des öffentlich­en Nahverkehr­s auf dem flachen Land mit einer Fokusgrupp­e der Hochschule Wiesbaden zusammen: Die Verantwort­lichen der Krumbacher Flexibus KG, einige Vielfahrer und Professor Volker Blees (vierter von links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany