Mittelschwaebische Nachrichten
Zur Regierungspartei ist es für die Grünen noch ein weiter Weg
Bei den Stichwahlen in Städten, Kreisen und Gemeinden dominieren CSU und SPD. Die Wähler setzen auf Kontinuität. Mit Corona hat das wenig zu tun
Die Wähler in Bayerns Kommunen wissen, was sie wollen. Sie wollen mehr Grüne in ihren Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten, aber sie wollen keine grünen Oberbürgermeister und Landräte. Sie haben der CSU wie der SPD viel an Vertrauen entzogen, aber sie vertrauen quer durch den Freistaat den Spitzenkandidaten, die diese Parteien ihnen angeboten haben. Ein Widerspruch ist das nur auf den ersten Blick.
Wer sich das Gesamtergebnis dieser Kommunalwahlen etwas genauer ansieht, wird schnell feststellen, dass es sich einer einfachen parteipolitischen Deutung entzieht. Dass es einem CSU-Kandidaten gelungen ist, die rote Hochburg Nürnberg zu erobern, ist nur für den überraschend, der aus der Ferne nach Nürnberg schaut und weder die Kandidaten noch die Verhältnisse
vor Ort kennt. Ähnlich ist es – nur eben genau andersherum – in Ingolstadt, wo der siegesgewohnten, aber skandalbelasteten CSU der OB-Sessel von einem rührigen SPD-Kandidaten entrissen wurde. Hier wie dort ging es nicht um CSU oder SPD. Es ging erstens um Kontinuität, zweitens um die Personen, die zur Wahl standen, und drittens um die konkrete Vorgeschichte vor Ort.
So sehr sie sich über die Verbreiterung ihrer Basis und über den Aufstieg zur zweitstärksten kommunalpolitischen Kraft auch freuen dürfen – im Rennen um die Chefsessel sind die Grünen die eindeutigen Verlierer dieser Wahl. Statt die Zahl ihrer Landräte von zwei auf vier zu erhöhen, haben sie einen Amtsinhaber verloren. Und bei der Wahl der Oberbürgermeister sind sie komplett leer ausgegangen. Die Grünen sind einst als Protestpartei gestartet. Sie haben sich zu einer respektablen Programmpartei weiter entwickelt. Aber sie sind in Bayern noch weit davon entfernt, als mögliche Regierungspartei anerkannt zu werden.
Für die CSU ist es im Endspurt dieser Wahlen noch einmal gut gegangen. Sie kann sich trotz Verlusten in den Gremien als stärkste Kraft behaupten. Sie hat Augsburg gehalten, Nürnberg gewonnen und ihre Vorherrschaft in der Fläche verteidigt. Auch die SPD darf aufatmen. Sie hat zwar viele Mandate verloren, stellt aber weiterhin den Münchner Oberbürgermeister und hat nicht nur in Ingolstadt, sondern auch in Coburg, Hof, Bamberg und weiteren Städten reüssiert.
Trotzdem ist unübersehbar, dass das Fundament, auf dem die beiden Traditionsparteien stehen, an Festigkeit verliert. Die Basis der SPD zerbröselt. Die Basis der CSU bekommt erste Risse. Das ist ein langfristiger Prozess, der sich eindrucksvoll zeigt, wenn man sich ansieht, wie viele kleine und kleinste Parteien und Gruppierungen sich in den Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten festsetzen. Die meisten Oberbürgermeister, Landräte und Bürgermeister werden zwei, drei oder mehr Partner brauchen, um in ihren Gremien Mehrheiten organisieren zu können.
Einige Kommentatoren vertreten die Ansicht, dass die Corona-Krise die bewährten Kräfte gestützt hat. Dafür gibt es eine Reihe von Indizien. Plausible Argumente für die Annahme, dass die Stichwahlen ohne Corona grundsätzlich andere Ergebnisse gebracht hätten, gibt es nicht. Es dürfte sich maximal um ein paar Prozentpunkte hin oder her handeln. Wahrscheinlich ist, dass es auch ohne Corona keinen zusätzlichen grünen Landrat und keinen grünen OB gegeben hätte. Nicht einmal die frühere Landesvorsitzende der Grünen hat es in Landshut geschafft, einen FDP-Oberbürgermeister, der zuvor als Wackelkandidat galt, ernsthaft zu gefährden.
Dass mit Corona sich vieles verändern wird, mag sein. Bei der Analyse dieser Wahlen aber ist die Epidemie bestenfalls ein Nebenaspekt.
Kleine Parteien und Gruppen sind auf dem Vormarsch