Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frage der Woche Kinder auch mal gewinnen lassen?
Von Oliver Kahn erzählt man sich viele tolle Geschichten, so auch diese. Bei einem Benefiz-Turnier des FC Bayern stand er im Tor und lauter Fußballknirpse durften einen Schuss abgeben. Der Titan konnte nicht über seinen Schatten springen und musste einfach jeden Ball fangen, konnte den Jungs nicht den Triumph gönnen, einmal gegen einen legendären Torwart den Ball ins Netz zu hauen...
Also, wer wird denn seinen Ehrgeiz gegenüber Kindern ausleben? Natürlich darf man Größe zeigen und die Kurzen auch mal gewinnen lassen. Feste Regel dabei: nicht immer und auch nicht allzu offensichtlich. Sonst macht Spielen beiden Seiten keinen Spaß – und verliert letztendlich auch seinen Sinn.
Aber als Erwachsener muss man wirklich nicht jeden ausgefuchsten Kniff anwenden, um sich gegen ein Kind zu profilieren. Es ist schließlich kein ebenbürtiger Gegner. Viel wichtiger ist doch, dass alle ihren Spaß haben und ein Verlierer auch erhobenen Hauptes sozusagen vom Spielfeld gehen kann. Es geht doch vor allem um eine lustig miteinander verbrachte Familienzeit.
Die Erwachsenen geben doch ohnehin schon den ganzen Tag den Ton an. Mach jetzt bitte die Hausaufgaben, trag doch mal den Müll raus, oh, räum jetzt sofort dein Zimmer auf ... Aus Kindersicht sind die Eltern immer die Gewinner und setzen sich im Zweifelsfall durch. Was spricht denn dagegen, beim Spielen milde zu sein und sich an der diebischen Freude des Kindes einfach mit zu freuen? Kinder müssen so viel lernen – auch das Verlieren, klar! Die einen schaffen das früher, die anderen nehmen sich Niederlagen fürchterlich zu Herzen. Aber was gibt es sinnloseres, als wenn nach einem nett gemeinten Spielenachmittag Tränen fließen?
Wie kann man andere gewinnen lassen? Nur, indem man ihnen etwas vormacht. Wenn man also Kindern den Sieg schenkt, um Tränen, Zorn und Frust zu vermeiden, schwindelt man sie im Grunde an. Man stellt sich dümmer als man ist, man tut so, als habe man irgendetwas übersehen, man schummelt vielleicht sogar zugunsten des Kindes. Schwindeln und Tricksen also, man könnte es auch Lügen und Betrügen nennen, ist das aber ein
Spiel wert? Auch wenn es gut gemeint ist? Wird man da als Eltern seiner Vorbildfunktion eigentlich noch gerecht?
Das sind die einen Fragen, die anderen aber: Wird sich mein Kind so als Spieler wirklich ernst genommen fühlen? Nehme ich ihm damit nicht dieses großartige Gefühl, den Erwachsenen als gleichberechtigter Partner zu begegnen? Das nämlich ist ja das Besondere: Dass Mama und Papa zum Beispiel auf dem Mensch-ÄrgereDich-Nicht-Brett auch nur mit diesen kleinen Spielfiguren umherziehen, die gleichen Regeln für alle gelten. Wie großartig kann sich da ein fair erkämpfter Sieg anfühlen! Ein geschenkter Sieg aber macht Kinder klein. Man stelle sich nur einmal vor, der Partner würde einen beispielsweise beim Strategiespiel gewinnen lassen, weil er um die gute Laune fürchtet. Demütigend. Aller Spaß sofort weg!
Klar, Spielen soll vor allem Freude machen, ständiges Verlieren hält keiner aus. Bei Niederlagen in Serie ist das Spiel fürs Kind vielleicht einfach noch eine Nummer zu groß? Dann kann man entweder über einen Startvorteil nachdenken, mit dem Chancengleichheit hergestellt wird, eine klare faire Sache, oder eben doch über ein anderes Spiel. Eines, bei dem die Erwachsenen nicht im Vorteil sind. Noch nie jedenfalls ein Kind getroffen, das bei Memory Siege verschenkt…