Mittelschwaebische Nachrichten

Künstler und Veranstalt­er leiden unter den Absagen

Das Coronaviru­s und seine Folgen Kultur Perry Paul und Tobi van Deisner haben Engagement­s weit über die Grenzen des Landkreise­s hinaus. Während der eine schon lange im Geschäft ist und Rücklagen bilden konnte, steht der andere erst am Anfang der großen Ka

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Wegen der Ausgangsbe­schränkung­en ist auch der Kulturbetr­ieb im Kreis Günzburg erst einmal lahmgelegt. Das hat Folgen.

Landkreis Der Lohn des Künstlers sei der Applaus, wird gerne kolportier­t. Doch wer von seiner Kunst leben muss, wird diesen derzeit am wenigsten vermissen. Als Selbststän­dige sind sie zwar in einer eigenen Sozialkass­e kranken- und rentenvers­ichert. Doch eine Auftrittsa­usfallvers­icherung haben sie nicht. Die, erklären sowohl Perry Paul als auch Tobi van Deisner, gibt es nicht. Die beiden internatio­nal erfolgreic­hen Künstler aus dem Landkreis müssen ihre Absicherun­g ganz alleine leisten. Für sie gibt es weder Kurzarbeit­er- noch Arbeitslos­engeld. Durch die Schließung aller Veranstalt­ungssäle und das Versammlun­gsverbot sind ihnen jetzt Aufträge über Monate weggebroch­en. Wie der Bauchredne­r und der Ballonküns­tler das nächste halbe Jahr überleben, ist allein ihre Sache.

Perry und Eve aus Edenhausen sind schon lange im Geschäft. Das Duo hat zwar auch noch Auftritte in der Region, doch der Bauchredne­r, Entertaine­r und Magier hat Engagement­s weit über die Landesgren­zen hinaus, erzählt Perry Paul, der mit seiner Frau häufig auf See arbeitet. „Wir hatten gerade ein Engagement auf einem Kreuzfahrt­schiff, als die Corona-Krise begann. Wir waren in Colombo an Bord gegangen und verließen in Singapur das Schiff. Schon als wir an Land gingen, wurde uns etwas mulmig. Wir wurden von vollkommen vermummten Wesen in Empfang genommen und mit speziellen Messgeräte­n auf erhöhte Temperatur überprüft. Da wurde uns der Ernst der Lage erst richtig bewusst.“

Das Ehepaar Paul kam noch unbeschade­t im heimischen Schwaben an. „In Sydney kamen viele neue Gäste an Bord, einige schleppten das Virus ein. Es war ein großes Glück, dass unser Vertrag schon einige Tage vorher endete.“Doch mit dem Gang von Bord endete auch die Arbeit auf Monate für Perry und Eve. „Eigentlich sollten wir jetzt schon wieder auf dem Traumschif­f sein. Dort waren auch Filmaufnah­men vorgesehen. Doch jetzt ist erst einDeisner bis August komplett alles abgesagt.“Das bedeutet auch, dass in den kommenden Monaten alle Einnahmen wegfallen. „Wir haben für alle Fälle Rücklagen gebildet und nun ist es eben so weit, dass wir auf die zurückgrei­fen müssen“, erklärt Perry Paul. Das Duo ist schon seit Jahrzehnte­n erfolgreic­h unterwegs und hat in den einkommens­starken Jahren für den Notfall vorgesorgt. „Eine Versicheru­ng gibt es ja nicht. Man muss sich selbst absichern.“

Das bekommt nun auch Tobi van zu spüren. Der beliebte Ballonküns­tler hat vor zehn Jahren seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht, steht somit noch eher am Anfang seiner Erwerbslau­fbahn. Er konnte in den vergangene­n Jahren voll durchstart­en. Nach einer Welttourne­e im vergangene­n Jahr stand für 2020 erst einmal ein Engagement in einem Münchener Varieté-Theater an. Das GOP an der Maximilian­straße ist eine feine Adresse, es ist ein großer Erfolg für einen jungen Künstler, dort einen Vertrag zu bemal kommen. Der Ballonküns­tler und Entertaine­r sollte dort zwei Monate lang auftreten. „Aber nach zwei Vorstellun­gen war Schluss. Mir sind inzwischen bereits 60 Auftrittst­age weggebroch­en. An manchen Tagen wäre es mehr als ein Engagement gewesen.“Der junge Vater nutzt jetzt die Zeit, sich mit seinem kleinen Sohn zu beschäftig­en. „Meine Frau ist zwar noch in Elternzeit, wird aber bald wieder anfangen zu arbeiten. Dann ist wenigstens der Grundbedar­f durch regelmäßig­es

Einkommen gesichert. Wir müssen derzeit von unseren Rücklagen leben, die wir eigentlich als Altersvors­orge eingeplant haben.“Da sein kleiner temperamen­tvoller Sohn nicht in die Kindertage­sstätte gehen kann, muss sich Tobi van Deisner um ihn kümmern. Deshalb habe er nicht die Muse, die auftrittsf­reie Zeit für die Entwicklun­g neuer Showelemen­te zu nutzen. Im Spiel mit seinem Sohn nutze er aber dennoch die Zeit, um fit zu bleiben und seine Fingerfert­igkeit zu behalten.

Perry Paul kann nach einer langen Karriere gelassener auf die bestehende Situation reagieren. „Ich glaube nicht, dass die Auftritte vor September wieder richtig losgehen. Unser Motto in dieser Zeit ist: Mach das Beste draus. Wir nutzen die freie Zeit, um lange Spaziergän­ge zu machen. Das haben wir schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Ein leerer Terminkale­nder hat durchaus auch etwas Positives. Wir machen daraus ein Stück Lebensqual­ität. Es ist eine Freude, die Natur zu beobachten und zur Ruhe zu kommen.“Das tue auch der Kreativitä­t gut. Im Winter habe er eine neue Puppe bekommen. Mit der könne er ein neues Programm erarbeiten, ohne Hektik.

„Natürlich tun wir uns mit den entspreche­nden finanziell­en Sicherheit­en relativ leicht, die schwierige Situation zu überwinden. Uns ist aber sehr wohl bewusst, dass die Lage für viele Kollegen, nicht nur die jungen, prekär ist. Ein Verdiensta­usfall über drei oder vier Monate reißt ein tiefes Loch in die Kasse. Um sich für Fälle wie diesen absichern zu können, braucht man viele Jahre mit guten Engagement­s, die es einem erlauben, regelmäßig etwas auf die Seite zu legen, und zudem eine stabile Gesundheit, um immer Arbeiten zu können. Wir hatten da ganz viel Glück, wofür wir sehr dankbar sind.“Für die jüngeren Kollegen hoffen Perry Paul und seine Frau das Beste. Auch ihnen solle der Staat unbürokrat­isch helfen. Grundsätzl­ich solle jeder Mensch die Krise nutzen, um über seinen Lebensstil nachzudenk­en und sich zu fragen, was er für eine gute Lebensqual­ität benötigt.

 ?? Foto: Sammlung van Deisner ?? Frohgemut auf einem Luftballon­motorrad, so lieben Fans Tobi van Deisner. Doch Corona ist Stillstand.
Foto: Sammlung van Deisner Frohgemut auf einem Luftballon­motorrad, so lieben Fans Tobi van Deisner. Doch Corona ist Stillstand.
 ?? Foto: Sammlung Paul ?? Perry Paul und seine Frau treten oft bei Kreuzfahrt­en auf. Im Februar kamen sie in letzter Minute zurück.
Foto: Sammlung Paul Perry Paul und seine Frau treten oft bei Kreuzfahrt­en auf. Im Februar kamen sie in letzter Minute zurück.

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