Mittelschwaebische Nachrichten
Die Mund-Nasenabdeckung einfach selber machen
Aktion Einfache selbst genähte Mund-Nasenmasken helfen, infektiöse Tröpfchen aufzufangen. Das schützt das Gegenüber. In Ursberg ist darum eine große Aktion mit vielen Freiwilligen angelaufen, die die Teile massenhaft nähen.
Landkreis Spätestens seit Österreich das Tragen von Mundschutz verordnet hat, ist das kleine Stoffteil zwar noch nicht vor aller Munde, die Diskussion darüber aber bereits in aller Munde. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen medizinisch korrektem Material, das beide Kontaktpersonen schützt, und dem einfacheren, das nur das Gegenüber des Trägers schützt. Doch auch zu dessen Benutzung raten inzwischen viele Virologen und Epidemiologen.
Diese Mund- und Nasenmaske lässt sich vergleichsweise einfach herstellen, doch weil sie in Deutschland noch nie verbreitet war, besitzt sie kaum jemand. Ja, die Bilder, die jeden Winter aus China und anderen Teilen Asiens zu uns kamen, mit ihren vermummten Menschen waren eher Anlass zu verstohlener Heiterkeit. Doch nun ist auch hier die Lage ernst geworden und die Menschen reagieren. In nie da gewesenen Solidaritätsaktionen werden Wohnzimmer in Nähstuben umfunktioniert, um möglichst viele Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Nachbarn mit dem empfohlenen Schutzteil auszurüsten, ohne in Konkurrenz zu treten mit dem Maskenbedarf des medizinischen Personals, das jetzt schon mit viel zu knapper Schutzausstattung haushalten muss.
Im Internet kursieren verschiedene Schnittmuster, mit denen taugliche Nasen- und Mundmasken gefertigt werden können. Katharina Müller aus Hagenried hat schon drei verschiedene ausprobiert. Nun nutzt sie die vom Dominikus-Ringeisenwerk unter dem Stichwort „#nähenfürsdrw“auf die Homepage gestellte Nähanleitung samt Youtube-Anleitung. Dort werden Freiwillige gesucht, die beim Maskennähen helfen können.
„Eine solche virtuelle Handarbeitslehrerin ist wirklich hilfreich. Zuzuschauen ist gerade für mich als relativ ungeübte Näherin sehr viel einfacher als komplizierte Nähanweisungen zu studieren. Das Gute daran: Die Youtube-Lehrerin ist geduldig. Ich kann mir den Film so oft anschauen, bis ich alle Schritte verstanden habe.“Katharina Müller gehört zu einem Kreis von rund 15 Näherinnen, die derzeit für die Einrichtungen in Ursberg Masken nähen. Dort war man auf einen derart hohen Bedarf an schützender Ausstattung nicht eingerichtet. Jetzt drängt die Zeit und alle möglichen Register werden gezogen.
Generaloberin Katharina Wildenauer hat ihre privaten Kontakte in der Region angezapft und konnte über Christine Michel-Konrad eine Truppe freiwilliger Helferinnen rekrutieren, die jetzt, mit Material und Schnittmuster aus Ursberg ausgestattet, Masken nähen. Es war nur eine kurze Anlaufphase nötig, um die Hilfsaktion perfekt durchzuorganisieren und dabei alle direkten
zu vermeiden, erklärt Christine Michel-Konrad. „Eine große Erleichterung ist, dass wir die Gummizüge nicht einziehen müssen, das spart uns sehr viel Zeit“, erklärt die Organisatorin der Nähtruppe.
Das übernimmt jetzt die Wäscherei des DRW, denn dort werden die genähten Masken zunächst noch gewaschen, dann professionell imprägniert und schließlich mit einem Gummiband versehen. Schon in der ersten Runde wurden innerhalb weniger Tage 500 solcher Masken genäht. Ursberg liefert den Stoff und die Schnittmuster, Christine Michel-Konrad verteilt das Material auf die Näherinnen, im Schnitt für jeweils 30 Stück. Doch für manche Heldin der Nähmaschine ist das ein Klacks.
Gertrud Seibold, gelernte Näherin und halbtags in der Günzburger Klinik beschäftigt, habe schon nach wenigen Stunden angerufen und Nachschub gefordert, erklärt Christine Michel-Konrad. „Ich habe die 90 Masken am Samstag genäht. Und selbstverständlich bleibe ich weiter bei der Hilfsaktion. Mein Urlaub nächste Woche fällt ja sowieso ins Wasser. Ich werde zwar, weil ich gebraucht werde, in die Klinik nach Günzburg gehen, aber für den Nähkreis bleibt immer noch genügend Zeit“, versichert Gertrud Seibold. „Ich freue mich, jetzt, nach rund 30 Jahren, der Einrichtung etwas zurückgeben zu können für die unschätzbare Hilfe, die ich von dort erfahren habe. Als meine kleine Tochter Christiane dringend eine physiotherapeutische Spezialbehandlung benötigte, hat sie die ohne lange Anmeldungen von Schwester Lydia bekommen.“Auch die längst gesundete Christiane, als Erzieherin derzeit daheim, ist im Nähteam und hilft mit, möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit mit Masken zu versorgen. Die Seibolds belassen es nicht bei der Hilfe für Ursberg. Sie nähen auch für den Privatbedarf. „Diese Masken sind einfache, rechteckige Stoffstücke mit eingenähten Falten und Gummizug, um die Maske an den Ohren zu befestigen. Der Ursberger Schnitt hat eine ovale Form.“Während die Stofflieferungen aus Ursberg keine Lieferengpässe zeigen, gibt es für die PrivatKontakte masken wohl schon bald Nähpause. „Der Stoff geht mir aus und bei der Onlinebestellung wird auf mehrere Wochen Wartezeit hingewiesen.“Aber immerhin, schon mehr als 100 Masken sind fertig. Die geben die Seibolds auch außerhalb des Freundeskreises ab, natürlich kostenlos. „Aber Christiane würde sich über eine Spende für den Kindergarten Ursberg freuen.
Immer mehr Personen setzen sich an die Nähmaschine, auch Kristina Wörle näht für sich und die Familie. „Es wäre gut, wenn alle eine Maske tragen und so andere vor ihren Tröpfchen schützen würden. Gerade das Personal im Verkauf ist doch hoch gefährdet, wenn es in engen Regalen Waren einräumen muss. Dort gibt es keine Plexiglasabschirmungen wie an den Kassen. Mit einer Gesichtsmaske kann jeder einen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten. Und mit zwei bis drei Masken pro Person, die nach Gebrauch bei 60 Grad gewaschen oder, wie ich gehört habe, auch eine halbe Stunde bei 80 Grad im Backofen desinfiziert werden können, hätten wir einen guten Schutz.“Zu dem will auch
Lena Hämmerle aus Röfingen beitragen. Die Elfjährige hat die großen Stoffvorräte ihrer Mutter entdeckt und sich an die Nähmaschine gesetzt. Sie ist, verrät Oma Franziska Imminger, schon von klein auf eine leidenschaftliche Näherin, hat schon mehrere Kurse besucht. Bereits 30 Masken sind fertig und an Verwandte, Freunde und Bekannte verteilt. Jetzt, wenn die Ferien anfangen, und die virtuelle Schule ihr mehr Freizeit lässt, will sie verstärkt weiternähen. „Ich will für alle nähen, die eine Maske brauchen“, sagt die umsichtige Schülerin.
Das sind nicht zuletzt alle Menschen, die viel in Kontakt mit anderen stehen. Ganz besonders Menschen im Pflegebereich. Und so bleibt der Fokus auf das Dominikus Ringeisenwerk gerichtet. Dort haben sich auch die Werkstätten neu sortiert. Ralf Egner von der Werkstättenleitung listet auf, was sich dort getan hat. Da die Menschen mit Behinderungen nicht mehr in die Werkstätten kommen, konzentrieren sich die Mitarbeiter jetzt darauf, genügend Schutzausstattung zu produzieren. „Das ist kein einfacher Prozess. Inzwischen haben wir eine Möglichkeit geschaffen, die Schnitte für Mund- und Nasenmasken auszustanzen. Dadurch erhört sich die Produktionszahl enorm. Wir können 3000 Maskenschnitte am Tag stanzen. Neben den Mitarbeitern aus den Werkstätten, es sind im Schnitt 15, haben sich viele Freiwillige gemeldet.
Der Nähkreis von Schwester Katharina und Christine Michel-Konrad, aber auch die Berufsfachschule und andere Freiwillige helfen mit, den Bedarf zu decken. Wir haben inzwischen 30 Anlaufstellen, an die wir Material liefern können, dahinter stehen Gruppen, aber auch Einzelpersonen. Wir können noch immer jede helfende Hand brauchen und freuen uns über jeden, der sich bei uns meldet.“
Immerhin betreut das DRW Ursberg rund 5000 Menschen und beschäftigt 4500 Mitarbeiter an 30 Standorten. Selbst wenn durch Mehrfachverwendung, die durch Waschen und Desinfizieren der Masken möglich wird, errechnen die Verantwortlichen einen Bedarf an rund 25000 dieser waschbaren Masken.
Die in den Werkstätten und von den Freiwilligen zu Hause produzierten Masken müssen zunächst in die Wäscherei, wo sie ihr Finish erhalten. „Aber die Masken sind nur ein Teil der Ausstattung. Denn wir werden wohl auch Schutzkittel benötigen, und die sind nicht so einfach herzustellen wie die Mund-Nasen-Abdeckung, wie wir die Masken jetzt nennen.“
Dieser unförmige Name resultiert aus einer ärgerlichen juristischen Geschichte. So muss der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im DRW, Manuel Liesenfeld, Zeit und Energie einsetzen, um von Helfern Schaden abzuwenden. „Es ist wirklich ärgerlich. Aber es gibt bereits Abmahnungen, weil die von den Freiwilligen genähten Masken als „Mundschutz“bezeichnet wurden. Das ist offenbar nicht zulässig“, sagt er.
„Die virtuelle Handarbeitslehrerin ist geduldig.“
Näherin Katharina Müller, Hagenried