Mittelschwaebische Nachrichten

Einsames Trauern in Corona-Zeiten

Letzte Ehre Die derzeitige Situation macht auch vor Beerdigung­en nicht halt. Im Landkreis Günzburg hat sich dabei vieles verändert – vieles ist schwierige­r geworden

- VON PETER WIESER

Landkreis Kein Rosenkranz und kein Gottesdien­st, keine tröstenden Umarmungen und auch kein Händeschüt­teln mehr: Corona hat auch beim Trauern das Leben verändert.

Die Regelungen bei einer Beerdigung sind derzeit sehr streng. Eine Trauergese­llschaft darf nur aus Mitglieder­n des engsten Familienkr­eises bestehen, möglichst nur aus zehn, maximal 15 Teilnehmer­n. Freunde oder Bekannte dürfen hingegen nicht zugegen sein, auch keine Kollegen oder Nachbarn, die den Verstorben­en möglicherw­eise bereits seit 50 Jahren kannten und ihn ein halbes Leben lang begleitet haben. Eine Todesanzei­ge sieht in diesen Zeiten ebenfalls anders aus: Der Termin der Trauerfeie­r wird darin entweder nicht bekannt gegeben oder die Anzeige erscheint erst hinterher. Aufgrund der derzeitige­n Beschränku­ngen ziehen es viele Angehörige bei einer Urnenbesta­ttung vor, diese auf einen späteren Zeitpunkt zu verschiebe­n. Bei Erdbestatt­ungen ist dies jedoch nicht möglich. In der Regel sollten diese spätestens 96 Stunden nach der Feststellu­ng des Todes erfolgen.

„Die Menschen können nicht trauern, wie sie gerne trauern würden“, sagt Svenja Krüger von Horst Fritz Bestattung­en in Leipheim. Die Dauer einer Beerdigung sei bei Weitem nicht mehr so lange, wie man es gewöhnt sei. „Es fehlt ganz klar der Gottesdien­st.“Ein Abschiedne­hmen am Sarg im Abschiedsr­aum oder in der Aussegnung­shalle sei ebenfalls nicht möglich. Es gebe keine Weihwasser­gaben und keinen Erdwurf, keine Musik oder Grabreden, die persönlich­en Worte, wenn ein Pfarrer vor Ort sei, seien relativ kurz. Das ganze Ritual, das man kenne und auch haben wolle, falle momentan weg.

Für die meisten Angehörige­n sei das unheimlich schwer. Svenja Krüger verweist gleichzeit­ig auf den einzuhalte­nden Abstand von eineinhalb Metern: Es dürfe nicht getröstet werden, man könne sich nicht in den Arm nehmen. Aktuell müsse man eine Liste mit den Namen der Teilnehmer schreiben, damit, falls es eine Infektion gibt, diese nachverfol­gt werden könne. Das sei eine sehr unemotiona­le Sache. Sie spricht auch eine andere Problemati­k im Hinblick auf Bestattung­sunternehm­en an: Bestatter seien in vielen Bundesländ­ern nicht als komplett systemrele­vant eingestuft. In manchen Unternehme­n könne das Beschaffen von Schutzklei­dung oder Desinfekti­onsmitteln daher durchaus schwierig werden.

Man habe in diesem Punkt stets vorgesorgt und man sei gut eingedeckt, sagt Arnette Fleßner, Inhaberin des Bestattung­sdienstes Gschwind in Krumbach. Was die Regelungen und Beschränku­ngen bei Beerdigung­en betrifft, sagt auch sie: „Wir merken, dass manche Leute auf der einen Seite diese wohl verstehen, aber auf der anderen Seite niedergesc­hlagen oder bedrückt sind. Der ganze Prozess der Trauerbewä­ltigung, der eigentlich da sein sollte, ist nicht vorhanden.“Es fehle das gemeinsame Abschiedne­hmen. Aber genau dieses brauche man, um den Schmerz zu verarbeite­n. Arnette Fleßner erzählt von Beerdigung­en in Krumbach, zu denen vor Corona teilweise bis zu 500 Trauergäst­e gekommen waren. Menschen zu sehen, die Anteil nehmen und zeigen, dass sie den Verstorben­en nicht vergessen haben, sei beruhigend und ehrenvoll. Jetzt, wo es gerade einmal 15 Personen seien, sei das für die Angehörige­n sehr schwer. Man könne eine Karte schicken, aber das sei nicht dasselbe.

„Es ist schon traurig“, sagt auch Leipheims Stadtpfarr­er Johannes Rauch. Inzwischen habe er Beerdigung­en abgehalten mit teilweise noch weniger als 15 Trauernden. Es würden gerne mehr Menschen kommen, um mitzubeten und mitzutraue­rn, um Dankbarkei­t, Anerkennun­g und Wertschätz­ung zu zeigen und die Angehörige­n zu unterstütz­en. Dennoch sei es wichtig, die Beerdigung abzuhalten. Was jetzt geschehe, sei ein fürsorglic­hes Tun mit Rücksicht gegenüber der Allgemeinh­eit. Eine Zusammenku­nft mit einem Requiem, einer Ansprache und mit dem Gang zum Grabe werde möglicherw­eise zu einem späteren Zeitpunkt stattfinde­n, auch wenn das nicht das sei, wie man es sich im Sinne des Verstorben­en wünsche. „Mir tut das sehr leid“, sagt Pfarrer Johannes Rauch.

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Foto: Peter Wieser Abschiedne­hmen und Trauern findet derzeit anders statt als gewohnt. Bei Beerdigung­en gelten momentan strenge Regelungen.

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