Mittelschwaebische Nachrichten

Allein mit Sorgen und Ängsten

Medizin Schwangere Frau bangt um ihre ungeborene­n Kinder, doch wegen der Corona-Pandemie darf ihr Mann sie nicht im Klinikum Memmingen besuchen. Sie leidet unter der Isolation, hat aber auch Verständni­s für die Maßnahme

- VON SYBILLE GLATZ

Memmingen Eine zärtliche Berührung, ein liebevolle­s Lächeln, eine innige Umarmung – das alles spendet Trost, lindert Sorgen und vertreibt Ängste. Doch genau darauf muss eine schwangere Frau aus dem Ochsenhaus­ener Ortsteil Reinstette­n seit geraumer Zeit verzichten. Weil ihre beiden ungeborene­n Kinder in Gefahr sind, ist sie seit Anfang März im Memminger Klinikum. Vor etwa zwei Wochen erließ die Klinik wegen der Coronaviru­s-Pandemie ein striktes Besuchsver­bot. Seither darf ihr Mann sie nicht mehr besuchen. Nun hofft sie aufgrund ihrer Situation auf eine Ausnahmege­nehmigung für ihren Mann. Doch die Chancen dafür stehen schlecht.

„Am 5. März war ich zu einer Routineunt­ersuchung bei meiner Frauenärzt­in“, sagt die Schwangere, die Ende 30 ist und nicht namentlich genannt werden möchte. „Bislang verlief die Zwillingss­chwangersc­haft ohne Komplikati­onen. Doch bei diesem Termin stellte meine Frauenärzt­in eine Muttermund­schwäche fest. Ich musste umgehend in die Klinik.“Seither liege sie im Memminger Klinikum, „begleitet von der ständigen Sorge um die Kleinen“, sagt sie. In der ersten Woche durfte sie noch Besuch empfangen. Am 12. März änderte sich das. Aufgrund der Corona-Krise verhängte das Krankenhau­s ein Besuchsver­bot. Dennoch durfte ihr Mann am 13. März noch einmal seine Frau besuchen, eine Ausnahmege­nehmigung machte es möglich.

Jedoch sollte das für längere Zeit das letzte Mal sein, dass sich das Paar sieht. „Seither ist jeglicher Besuch untersagt“, sagt die Schwangere.

Zum Besuchsver­bot kommen noch Sorgen um die ungeborene­n Kinder dazu. „Wir hatten sehr darauf gehofft, dass sich mein Zustand stabilisie­rt und mir ermöglicht, nach Hause zu gehen. Leider hat sich inzwischen herausgest­ellt, dass sich meine Lage verschlech­tert hat und wir auf jeden Tag hoffen müssen,

Symbolfoto: Ralf Lienert

den unsere Babys noch bei mir im Bauch bleiben können“, berichtet die Reinstette­rin. Sie schildert die Auswirkung­en des Besuchsver­bots: „Für mich ist das inzwischen wie Folter, noch nicht einmal von meinem Mann in den Arm genommen werden zu können. Ich muss all die Gefühle, all die Ängste und Sorgen alleine aushalten. Meine Psyche leidet. Extrem. Und ich weiß nicht, wie lange ich diese komplette Isolation noch aushalten kann.“Nicht nur ihren Mann vermisse sie sehr, sondern auch ihren 14 Monate alten Sohn.

Weil ein Besuch nicht möglich ist, weicht das Paar auf andere Möglichkei­ten der Kommunikat­ion aus. „Wir telefonier­en, mit und ohne Bild. Aber das ist bei Weitem nicht das Gleiche“, sagt die Reinstette­rin. Sie betont: „Ich habe sehr viel Verständni­s für die Maßnahmen, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n.“Sie sehe, dass die Helfer und die Schwachen so gut wie möglich geschützt werden müssten. „Und wo befinden sich besonders gefährdete Menschen? Natürlich im Krankenhau­s“, sagt die Patientin.

Auf genau diesen Grund für das Besuchsver­bot, nämlich den Schutz von Patienten und Personal, weist das Klinikum in einer Stellungna­hme hin: „Das derzeitige Besuchsver­bot ist eine Allgemeinv­erfügung, die dem Schutz aller dient – also sowohl der werdenden Mutter und ihrer ungeborene­n Kinder, wie auch der anderen Patienten im Klinikum und des Personals, das derzeit eine unermessli­che Arbeit für uns alle leistet und bei einer möglichen Verschärfu­ng der Situation an vorderster Front steht.“Das Krankenhau­s hat dennoch Verständni­s „für die schwierige Lage, in der sich die werdende Mutter von Zwillingen momentan durch das Besuchsver­bot befindet. Genauso haben wir Mitgefühl für alle anderen Patienten, die derzeit aufgrund der Corona-Krise keinen Besuch empfangen dürfen. Das tut uns sehr leid.“

Die Reinstette­rin möchte ihre

Schilderun­g nicht als Angriff auf die Klinik verstanden wissen. „Die Ärzte und Pfleger machen hier einen wirklich guten Job und ich fühle mich gut aufgehoben“, betont sie und sagt: „Ich möchte auch nicht gerne in der Haut des Personals stecken, das sich täglich um die Kranken kümmert und dabei selbst Sorge haben muss bezüglich Ansteckung­sgefahr und was wohl die nächsten Wochen für sie noch bringen werden.“

Doch bei allem Verständni­s fragt sie, ob angesichts ihrer Situation nicht eine Ausnahme möglich wäre. Sie habe von anderen Krankenhäu­sern gehört, bei denen Ärzte für einzelne Patienten Besuche „verschreib­en“könnten. „Ob mein Fall schwerwieg­end genug für eine Ausnahme wäre?“, fragt sich die Patientin.

Ausnahmen vom Besuchsver­bot gibt es in Memmingen schon, allerdings nur für bestimmte Fälle.

Wie die Klinik schreibt, dürfen Angehörige Patienten besuchen, wenn deren Zustand kritisch ist. Das schließt die Palliativs­tation ein. Auch Eltern werden zu ihren Kindern gelassen, wenn diese in stationäre­r Behandlung sind, allerdings ist nur ein Elternteil erlaubt. Eine weitere Ausnahme gilt für Väter bei der Geburt. Bislang trifft auf die Reinstette­rin keine dieser Möglichkei­ten zu. „Ich wünsche mir so sehr, mein Mann könnte wenigstens ein- oder zweimal die Woche zu mir kommen“, sagt die Mutter. „Aber wahrschein­lich muss hier die Vernunft siegen und nicht mein Bedürfnis nach Nähe.“

 ??  ?? Eine schwangere Frau aus Reinstette­n darf wegen der Corona-Krise keinen Besuch im Memminger Klinikum empfangen. Hier schildert sie, wie es ihr im Krankenhau­s geht. Das Symbolfoto entstand nicht im Memminger Krankenhau­s.
Eine schwangere Frau aus Reinstette­n darf wegen der Corona-Krise keinen Besuch im Memminger Klinikum empfangen. Hier schildert sie, wie es ihr im Krankenhau­s geht. Das Symbolfoto entstand nicht im Memminger Krankenhau­s.

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