Mittelschwaebische Nachrichten
Tankstellen-Räuber gehen ins Gefängnis
Justiz An dem Überfall in Rain vor einem Jahr waren drei junge Leute aus dem Landkreis Günzburg direkt oder indirekt beteiligt. Nun fand der Prozess am Landgericht Augsburg statt
Rain/Augsburg Mietschulden, allgemeine Geldnot, Freundschaftsdienst – das waren die Gründe, warum im März 2019 drei junge Leute aus den Landkreisen Günzburg und DonauRies die Shell-Tankstelle an der B 16 bei Rain überfielen. Jetzt wurden sie wegen besonders schweren Raubs vom Augsburger Landgericht zu Strafen zwischen 32 und 40 Monaten Haft verurteilt. Vor dem Gericht stand zudem die 17-jährige Schwester des 15-jährigen Angeklagten, die bei der Tatvorbereitung geholfen hatte und Hilfsdienste leisten musste (Hinweis: Alle Altersangaben beziehen sich auf den Tatzeitpunkt).
Gerade eine Minute dauerte der Überfall in der Nacht des 23. März 2019 gegen 3.25 Uhr, wie der Film der Überwachungskamera dokumentiert. Dunkel angezogen, mit Batman-Maske und Kopftuch maskiert, stürmen ein zur Tatzeit 18-Jähriger und sein 15-jähriger Kumpel in den Shop der Tankstelle.
Ihre Bewaffnung: ein Hammer und ein Brecheisen („Kuhfuß“). Sie bedrohen die 33-jährige Kassiererin, die gerade den Boden putzt, und beordern sie an die beiden Kassen. Hastig greift der 18-Jährige nach dem Geld in den beiden Kassetten, wirft es in einen Beutel, den sein Komplize ihm entgegenhält. Dann packen beide insgesamt 24 Schachteln Zigaretten ein und rennen aus dem Laden. Zwei Kunden, die an der Seite stehen und etwas trinken, nehmen die Räuber offensichtlich nicht zur Kenntnis.
Mit deren Hilfe gelingt es der Frau umgehend, den Notruf zu betätigen. Dann bricht sie unter der Überwachungskamera weinend zusammen. Als nur wenige Minuten später der erste Streifenwagen der Polizei eintrifft, sind die Räuber längst verschwunden. Wie sich zeigt, waren sie draußen in das Auto einer 27-jährigen Helferin gesprungen. Diese ist am Vorabend mit dem 15-Jährigen aus dem Kreis Günzburg gekommen und hat auch den Mittäter aus dem Donau-Ries-Kreis an den Tatort geholt. Nach dem
Raub in Richtung Augsburg und Burgau flüchtend, teilen die drei im Auto die Beute untereinander auf.
Die Beute: Von der hatten sich die drei ganz offensichtlich mehr versprochen. Mehrere Tausend Euro, so hatte es einer der Angeklagten vor der Tat optimistisch verlauten lassen, seien an der Tankstelle zu holen. Am Ende hatte man 560 Euro Bargeld und Zigaretten im Wert von 190 Euro mitgenommen.
Dabei passierte den dreien ein entscheidendes Missgeschick. Weil richtige Schutzhandschuhe vergessen worden waren, hatten die beiden Räuber ihre Hände mit dünnen Einmal-Plastiktüten überzogen. Auf der Flucht verlor der 18-Jährige eine Zigarettenschachtel, an der die Polizei später seine Fingerabdrücke fand.
Und weil der junge Mann bereits aktenkundig war, fügte sich ein Stück zum anderen. Nacheinander kamen die Ermittler nach entsprechenden Aussagen einem Täter nach dem anderen auf die Spur. Und Ende April 2019 saßen dann alle drei Hauptverantwortlichen in Untersuchungshaft – fast ein Jahr lang bis jetzt zum Prozessbeginn.
Nicht direkt an dem Raub beteiligt war die ältere Schwester des 15-jährigen Schülers. Die 17-jährige Auszubildende hatte aber dafür gesorgt, dass ihr Bruder überhaupt unerkannt von den Eltern von zu Hause verschwinden konnte und sie hatte einen Teil der Koordination übernommen.
Die Angeklagten gaben sich vor Gericht geständig. Sie hatten schon im Vorfeld des Prozesses einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt, verpflichteten sich, der Kassiererin 5000 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen, was zum Teil bereits erfolgt ist. In ihrem Urteil lag die Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Lenart Hoesch insgesamt näher an den Forderungen von Staatsanwältin Hannah Witzigmann als bei den Plädoyers der insgesamt fünf Verteidiger. Die höchste Strafe kassierte mit drei Jahren und vier Monaten Haft die 27-jährige Fahrerin des Raub-Fahrzeugs (Verteidigerin Cornelia McCready), die wie der 15-Jährige und dessen Schwester aus einer Gemeinde im östlichen Landkreis Günzburg stammt. Allein schon deswegen, weil für sie als Erwachsene ein höherer Strafrahmen gilt als für Jugendliche. Die alleinerziehende Mutter einer sechsjährigen
Tochter ist zudem einschlägig wegen Eigentumsdelikten vorbestraft und stand zur Tatzeit unter offener Bewährung.
Die beiden 18- und 15-jährigen Angeklagten erhielten Strafen nach Jugendrecht und müssen beide für je zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Deren Rechtsanwälte Helmut Linck, Moritz Bode und Werner Ruisinger hatten jeweils auf maximal zwei Jahre Haft plädiert, die sie noch zur Bewährung ausgesetzt wissen wollten. Dem 15-jährigen Schüler steht demnächst vor dem Amtsgericht in Memmingen ein weiteres Verfahren wegen Einbruch-Diebstählen ins Haus, die er bereits 2018 mit anderen begangen hatte. Die beiden jungen Räuber müssen zudem gemeinschaftlich Wertersatz in gleicher Höhe wie die Beute, also von 750 Euro, leisten.
Die von Verteidiger Jörg Seubert geforderten Hilfsdienste, insgesamt 80 Stunden, aber ohne Haftstrafe, erhielt schließlich seine Mandantin, die 17-jährige Schwester des 15-jährigen Angeklagten, vom Gericht. Drei der vier Angeklagten nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an, in ihren Fällen kann es also umgehend rechtskräftig werden.