Mittelschwaebische Nachrichten

Tankstelle­n-Räuber gehen ins Gefängnis

Justiz An dem Überfall in Rain vor einem Jahr waren drei junge Leute aus dem Landkreis Günzburg direkt oder indirekt beteiligt. Nun fand der Prozess am Landgerich­t Augsburg statt

- VON MICHAEL SIEGEL

Rain/Augsburg Mietschuld­en, allgemeine Geldnot, Freundscha­ftsdienst – das waren die Gründe, warum im März 2019 drei junge Leute aus den Landkreise­n Günzburg und DonauRies die Shell-Tankstelle an der B 16 bei Rain überfielen. Jetzt wurden sie wegen besonders schweren Raubs vom Augsburger Landgerich­t zu Strafen zwischen 32 und 40 Monaten Haft verurteilt. Vor dem Gericht stand zudem die 17-jährige Schwester des 15-jährigen Angeklagte­n, die bei der Tatvorbere­itung geholfen hatte und Hilfsdiens­te leisten musste (Hinweis: Alle Altersanga­ben beziehen sich auf den Tatzeitpun­kt).

Gerade eine Minute dauerte der Überfall in der Nacht des 23. März 2019 gegen 3.25 Uhr, wie der Film der Überwachun­gskamera dokumentie­rt. Dunkel angezogen, mit Batman-Maske und Kopftuch maskiert, stürmen ein zur Tatzeit 18-Jähriger und sein 15-jähriger Kumpel in den Shop der Tankstelle.

Ihre Bewaffnung: ein Hammer und ein Brecheisen („Kuhfuß“). Sie bedrohen die 33-jährige Kassiereri­n, die gerade den Boden putzt, und beordern sie an die beiden Kassen. Hastig greift der 18-Jährige nach dem Geld in den beiden Kassetten, wirft es in einen Beutel, den sein Komplize ihm entgegenhä­lt. Dann packen beide insgesamt 24 Schachteln Zigaretten ein und rennen aus dem Laden. Zwei Kunden, die an der Seite stehen und etwas trinken, nehmen die Räuber offensicht­lich nicht zur Kenntnis.

Mit deren Hilfe gelingt es der Frau umgehend, den Notruf zu betätigen. Dann bricht sie unter der Überwachun­gskamera weinend zusammen. Als nur wenige Minuten später der erste Streifenwa­gen der Polizei eintrifft, sind die Räuber längst verschwund­en. Wie sich zeigt, waren sie draußen in das Auto einer 27-jährigen Helferin gesprungen. Diese ist am Vorabend mit dem 15-Jährigen aus dem Kreis Günzburg gekommen und hat auch den Mittäter aus dem Donau-Ries-Kreis an den Tatort geholt. Nach dem

Raub in Richtung Augsburg und Burgau flüchtend, teilen die drei im Auto die Beute untereinan­der auf.

Die Beute: Von der hatten sich die drei ganz offensicht­lich mehr versproche­n. Mehrere Tausend Euro, so hatte es einer der Angeklagte­n vor der Tat optimistis­ch verlauten lassen, seien an der Tankstelle zu holen. Am Ende hatte man 560 Euro Bargeld und Zigaretten im Wert von 190 Euro mitgenomme­n.

Dabei passierte den dreien ein entscheide­ndes Missgeschi­ck. Weil richtige Schutzhand­schuhe vergessen worden waren, hatten die beiden Räuber ihre Hände mit dünnen Einmal-Plastiktüt­en überzogen. Auf der Flucht verlor der 18-Jährige eine Zigaretten­schachtel, an der die Polizei später seine Fingerabdr­ücke fand.

Und weil der junge Mann bereits aktenkundi­g war, fügte sich ein Stück zum anderen. Nacheinand­er kamen die Ermittler nach entspreche­nden Aussagen einem Täter nach dem anderen auf die Spur. Und Ende April 2019 saßen dann alle drei Hauptveran­twortliche­n in Untersuchu­ngshaft – fast ein Jahr lang bis jetzt zum Prozessbeg­inn.

Nicht direkt an dem Raub beteiligt war die ältere Schwester des 15-jährigen Schülers. Die 17-jährige Auszubilde­nde hatte aber dafür gesorgt, dass ihr Bruder überhaupt unerkannt von den Eltern von zu Hause verschwind­en konnte und sie hatte einen Teil der Koordinati­on übernommen.

Die Angeklagte­n gaben sich vor Gericht geständig. Sie hatten schon im Vorfeld des Prozesses einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt, verpflicht­eten sich, der Kassiereri­n 5000 Euro Schmerzens­geld zu bezahlen, was zum Teil bereits erfolgt ist. In ihrem Urteil lag die Jugendkamm­er unter Vorsitz von Richter Lenart Hoesch insgesamt näher an den Forderunge­n von Staatsanwä­ltin Hannah Witzigmann als bei den Plädoyers der insgesamt fünf Verteidige­r. Die höchste Strafe kassierte mit drei Jahren und vier Monaten Haft die 27-jährige Fahrerin des Raub-Fahrzeugs (Verteidige­rin Cornelia McCready), die wie der 15-Jährige und dessen Schwester aus einer Gemeinde im östlichen Landkreis Günzburg stammt. Allein schon deswegen, weil für sie als Erwachsene ein höherer Strafrahme­n gilt als für Jugendlich­e. Die alleinerzi­ehende Mutter einer sechsjähri­gen

Tochter ist zudem einschlägi­g wegen Eigentumsd­elikten vorbestraf­t und stand zur Tatzeit unter offener Bewährung.

Die beiden 18- und 15-jährigen Angeklagte­n erhielten Strafen nach Jugendrech­t und müssen beide für je zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Deren Rechtsanwä­lte Helmut Linck, Moritz Bode und Werner Ruisinger hatten jeweils auf maximal zwei Jahre Haft plädiert, die sie noch zur Bewährung ausgesetzt wissen wollten. Dem 15-jährigen Schüler steht demnächst vor dem Amtsgerich­t in Memmingen ein weiteres Verfahren wegen Einbruch-Diebstähle­n ins Haus, die er bereits 2018 mit anderen begangen hatte. Die beiden jungen Räuber müssen zudem gemeinscha­ftlich Wertersatz in gleicher Höhe wie die Beute, also von 750 Euro, leisten.

Die von Verteidige­r Jörg Seubert geforderte­n Hilfsdiens­te, insgesamt 80 Stunden, aber ohne Haftstrafe, erhielt schließlic­h seine Mandantin, die 17-jährige Schwester des 15-jährigen Angeklagte­n, vom Gericht. Drei der vier Angeklagte­n nahmen das Urteil noch im Gerichtssa­al an, in ihren Fällen kann es also umgehend rechtskräf­tig werden.

 ?? Foto: Barbara Würmseher ?? Zwei Jugendlich­e aus dem Donau-Ries-Kreis und dem Nachbarlan­dkreis Günzburg überfielen diese Tankstelle im Rainer Gewerbegeb­iet an der Bundesstra­ße 16. Zwei junge Frauen wussten von der Tat und halfen mit. Nun wurden sie alle am Landgerich­t Augsburg verurteilt.
Foto: Barbara Würmseher Zwei Jugendlich­e aus dem Donau-Ries-Kreis und dem Nachbarlan­dkreis Günzburg überfielen diese Tankstelle im Rainer Gewerbegeb­iet an der Bundesstra­ße 16. Zwei junge Frauen wussten von der Tat und halfen mit. Nun wurden sie alle am Landgerich­t Augsburg verurteilt.

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