Mittelschwaebische Nachrichten
Der lebendige Kreuzweg muss ein Jahr lang warten
Glaube Die Großveranstaltung fällt wegen Corona aus und damit auch das Debüt des neuen Jesusdarstellers
Neu-Ulm/Ulm Jährlich verfolgen Tausende Gläubige und Schaulustige den lebendigen Kreuzweg. Die italienische Gemeinde führt den Leidensweg Christi seit 2004 auf den Straßen von Neu-Ulm und Ulm auf. Doch in diesem Jahr fällt das spektakuläre Karfreitagsschauspiel, wie alle anderen Veranstaltungen, aus. Bereits lange bevor von den Behörden die offiziellen Kontaktverbote, Ausgangsbeschränkungen und Absagen für Veranstaltungen verhängt wurden, beschlossen die Verantwortlichen des Kreuzwegs, die Veranstaltung abzusagen.
Der Gründer, Vorsitzende und Mitorganisator Nicola Albarino, erklärt dazu, dass das Risiko für eine Ansteckung innerhalb des Darstellerkreises zu hoch gewesen sei: „Bei den Proben stehen etwa 100 Schauspieler und Statisten auf engstem Raum zusammen – das wäre unverantwortlich gewesen.“Mit Blick auf die dramatischen Zustände, wie sie sich gerade in Italien entwickelt haben, ist sich Albarino sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „So leid es uns für die Veranstaltung tut, ist uns die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitglieder und der Zuschauer wichtiger.“
Finanziell hält sich der Schaden für die Gemeinde derweil in Grenzen, wie der Vorsitzende sagt: „Durch die frühzeitige Absage sind uns viele Spesen erspart geblieben.“
Regelmäßig stemmen die rund 250 Laiendarsteller, Techniker und Helfer mit der Prozession eine künstlerische und logistische Meisterleistung: Fünf große Bühnen samt Beleuchtung und Beschallung werden für die Großveranstaltung im Herzen der Schwesterstädte aufgebaut. Die Stationen des lebendigen Kreuzwegs zeigen Szenen der Passionsgeschichte vor heimischer Kulisse, etwa die Fußwaschung vor dem Neu-Ulmer Rathaus oder die Gefangennahme Jesu auf dem Petrusplatz
in Neu-Ulm. Danach wechselt der Kreuzweg auf die Ulmer Seite, wo auf dem Marktplatz das Verhör durch Kajaphas stattfindet. Die Prozession bewegt sich danach zum Weinhof. Dort wird Jesus der Prozess vom römischen Statthalter Pontius Pilatus gemacht. Abschließend geht es über die Hirschstraße
zum Münsterplatz, wo die eindrucksvolle und berührende Kreuzigungsszene aufgeführt wird. Gespannt waren die treuen Zuschauer eigentlich auch auf den neuen Jesusdarsteller, Gianni Crusafio, der am Karfreitag Salvatore Tarantello in dessen Rolle ablösen und sein Debüt geben sollte.
„Besonders, weil es in diesem Jahr am Karfreitag sehr sonnig und warm sein soll, hätten wir mit mehreren Tausend Teilnehmern gerechnet“, sagt Albarino und räumt ein, dass die vielen Spenden der Zuschauer fehlen werden. Doch möchte Albarino wiederum für sich etwas Positives aus der Entwicklung ziehen: „Die gute Seite daran ist, dass alle gesund geblieben sind.“Wie das Osterfest zu Hause statt in der Kirche sein wird, will sich Albarino noch nicht vorstellen. Doch habe ihm am vergangenen Palmsonntag der Gottesdienst gefehlt.
Auch wenn am Karfreitag weder Darsteller, Helfer noch Zuschauer zum traditionellen Kreuzweg kommen, ist sich Albarino sicher, dass alle Gläubigen trotzdem im Herzen vereint am Leiden Christi teilnehmen werden, wie er sagt. In den vergangenen Jahren hatten immer wieder zahlreiche hohe katholische Würdenträger aus Rom den lebendigen Kreuzweg verfolgt.