Mittelschwaebische Nachrichten

Wann kommen die Erntehelfe­r?

Landwirtsc­haft Spargelste­cher und Erdbeerpfl­ücker werden im Landkreis Günzburg dringend benötigt, doch das Coronaviru­s erschwert die Suche dieses Jahr. Es geht unter anderem um teure Charterflü­ge

- VON SANDRA KRAUS

Landkreis Noch kann sich keiner so recht vorstellen, wie in wenigen Wochen auf den heimischen Feldern der Spargel gestochen und die Erdbeeren gepflückt werden sollen. Seit 25. März wird Saisonarbe­itskräften und Erntehelfe­rn im bisherigen Stil die Einreise nach Deutschlan­d nicht mehr gestattet. So soll die Pandemie durch das Coronaviru­s eingedämmt werden. „Noch sind keine Erntehelfe­r da. Da wir unsere Flächen nicht heizen, kann der Spargel frühestens Mitte oder Ende April gestochen werden. Doch selbst dann ist die Situation ganz unsicher“, sagt Johann Gollmitzer vom Günzburger Spargelhof Gollmitzer am Telefon. Man müsse abwarten, wie sich die Lage entwickle.

Total in der Luft hängt auch Bernhard Eberl aus Bubesheim. Etwa 350 Erntehelfe­r, überwiegen­d aus Rumänien, hat er im vergangene­n Jahr auf seinen Erdbeerfel­dern beschäftig­t. Bundesweit dürfen im April und im Mai jeweils bis zu 40000 Erntehelfe­r mit dem Flugzeug einreisen. Ob Eberl aus diesem Kontingent ausreichen­d Pflücker erhält, weiß er nicht. „Zuerst muss von uns der Charterflu­g gebucht werden. Erst dann können die Kräfte im Registrier­ungsportal namentlich angemeldet werden. Gelandet in Karlsruhe, das ist für uns der am wenigsten entfernte, mögliche Flughafen, können wir unsere Erntehelfe­r dann nach einem Gesundheit­scheck mit dem Bus abholen“, schildert Eberl das Prozedere. Rund 300 Euro koste zurzeit ein Ticket für den Hinflug, deutlich mehr als sonst.

Für die Unterbring­ung schreibt das Ministeriu­m eine halbe Belegung vor. Bernhard Eberl schaut sich deshalb nach Ausweichqu­artieren um. Für die Vorsaison, in der die Erdbeerfel­der mit Vlies morgens aufgedeckt und abends wieder zugedeckt werden müssen, Unkraut gejätet werden muss, gedüngt, geschützt und bewässert werden sollte, wurden noch vor Ostern zwölf Kräfte erwartet. „Die Vergabe des Kontingent­s erfolgt nach dem Windhundpr­inzip. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“Planungssi­cherheit sieht anders aus.

Deshalb inseriert Eberl auch auf dem Internetpo­rtal „Das Land hilft“, das die Maschinenr­inge Deutschlan­ds und das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft installier­t haben, damit sich Erntehelfe­r aus Deutschlan­d melden können. 350 Personen sind vom 25. Mai bis 15. Juli für die Feldarbeit bei Eberl Erdbeeren gesucht. Unterkunft kann gewährt werden, Führersche­in und eigenes Fahrzeug sind nicht nötig. „Es haben sich schon 30 bis 40 Interessie­rte gemeldet“, sagt Eberl. Die Arbeit sei anstrengen­d und hart, gibt er zu bedenken. Auch Erdbeerpfl­ücken will gelernt sein, wobei Spargelste­chen ganz klar schwierige­r ist. Am Ende muss immer die Qualität passen, sonst drohen Preisabzüg­e.

Bei aller Ungewisshe­it ist für Eberl klar: „Wir müssen jetzt über die Ernte 2020 entscheide­n.“Schlimmste­nfalls werden die Pflanzen des zweiten und damit letzten mitsamt den süßen Erdbeeren untergepfl­ügt. Die Pflanzen im ersten Erntejahr könnten abgemäht werden. Um dieses Szenario zu vermeiden oder den Erdbeeren beim Verfaulen zusehen zu müssen, was wehtue, hat Bernhard Eberl Neues vor. Erdbeeren nicht nach Kilogramm im Schälchen, sondern nach laufendend­en Metern auf dem Feld verkaufen. „Wer gerne Erdbeeren isst, kann sich 25 Meter von einer Erdbeer-Reihe kaufen und dann während der Saison immer wieder auf seinem Teilstück ernten. Die Pflege der Erdbeerpfl­anzen übernehmen wir.“

Auch in Münsterhau­sen blickt Christa Mayer, Seniorchef­in von

Mayer’s Hofladen und Hartinger Plantagen, mit Sorge auf die Erdbeersai­son. An den Pflanzen treiben zwar gerade erst die ersten Blätter nach dem letzten Schneefall Ende März, doch zur Ernte in wenigen Wochen ist in Münsterhau­sen seit mehr als 15 Jahren Verlass auf die immer gleichen zehn Kräfte aus Rumänien. Man kennt sich privat, ist ein eingespiel­tes Team. Ob sie auch heuer kommen, sei ungewiss. Wenn sie nicht einreisen dürfen, müsse man es eben mit Kräften von hier probieren, denn allein sei es nicht zu schaffen.

Ein Vorteil der Erntehelfe­r aus Osteuropa ist, dass sie zeitlich unabhängig sind und wissen, was es beErntejah­rs deutet, tagelang auf dem Feld zu stehen. Keiner muss nach Feierabend sein Kind aus dem Kindergart­en abholen oder hat einen Termin. Trotz allem liegt es Christa Mayer, die seit 45 Jahren Erdbeeren pflückt und bei schönem Behang in zwölf Minuten schon 2,5 Kilogramm schafft, am Herzen, dass man auch im Jahr mit dem schlimmen Virus ernten kann.

Sie hofft natürlich, dass die Geschäfte, Eisdielen und Cafés, die von ihnen mit Erdbeeren beliefert werden, bis zur Erntezeit wieder öffnen dürfen. Wie das Selbstpflü­cken auf den Plantagen geregelt wird, bleibt abzuwarten. Die Ungewisshe­it bleibt.

 ?? Foto: Sandra Kraus ?? Noch ist von den süßen roten Erdbeeren nichts zu sehen, ein dickes Vlies schützt die Pflanzen vor Kälte. Doch die Landwirte machen sich große Gedanken, wer die Erdbeeren heuer pflückt. Erntehelfe­r dürfen nicht so ohne Weiteres einreisen.
Foto: Sandra Kraus Noch ist von den süßen roten Erdbeeren nichts zu sehen, ein dickes Vlies schützt die Pflanzen vor Kälte. Doch die Landwirte machen sich große Gedanken, wer die Erdbeeren heuer pflückt. Erntehelfe­r dürfen nicht so ohne Weiteres einreisen.

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