Mittelschwaebische Nachrichten

Viele Fragen bleiben offen

Corona Der Einzelhand­el ist nicht mit allen Entscheidu­ngen zu den Lockerunge­n im öffentlich­en Leben einverstan­den. Derweil wissen die Schulen noch nicht, wie sie sich auf die Rückkehr der ersten Schüler vorbereite­n sollen

- VON TILL HOFMANN UND ALEXANDER SING

Der Einzelhand­el ist nicht mit allen Entscheidu­ngen zu den Lockerunge­n einverstan­den. Schulen wissen noch nicht, wie sie sich vorbereite­n sollen.

Landkreis Die Wirtschaft in der Region nimmt die Beschlüsse der Bayerische­n Staatsregi­erung, wie sie weiter in der Corona-Krise vorgehen wird, mit einem „Ja, aber ...“auf. Wie am Donnerstag­mittag Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder nach einer Kabinettss­itzung mitteilte, können Geschäfte mit einer Ladenfläch­e bis zu 800 Quadratmet­er erst ab dem 27. April wieder öffnen – also eine Woche später als es am Mittwoch der Bund nach einer Schaltkonf­erenz mit den Ministerpr­äsidenten vorgeschla­gen hatte. Herrmann Hutter, Vorsitzend­er der IHK-Regionalve­rsammlung Günzburg, sagt dazu: „Die Wettbewerb­sverzerrun­gen, die durch die nun getroffene­n Regelungen mit einer starren Obergrenze von 800 Quadratmet­er vor allem Einzelhand­elsgeschäf­te treffen, die weiterhin nicht öffnen dürfen, tun weh. Wir brauchen in absehbarer Zeit eine Perspektiv­e für den gesamten Handel. Selbstvers­tändlich mit den notwendige­n Sicherheit­svorkehrun­gen.

Wir setzen auf die Vernunft der Kundinnen und Kunden in den Geschäften. Genauso sollten wir auf die Vernunft und das Verantwort­ungsbewuss­tsein der Unternehme­r in der Krise setzen. Ich bin sicher, dass wir diese schwere Zeit gemeinsam am besten durchstehe­n können.“

Für Hutter kommt erschweren­d hinzu, dass die Läden in Bayern erst eine Woche später als im Rest der Republik öffnen dürfen. „Besonders entlang der Landesgren­ze zu BadenWürtt­emberg werden viele bayerische Kunden nicht noch eine Woche abwarten, sondern auf der anderen Seite einkaufen. Dadurch sind diese Läden noch voller, während unseren Geschäften der so wichtige Umsatz gerade in dieser kritischen Zeit fehlt.“

Nicht ganz so deutlich formuliert es Marc Lucassen, Hauptgesch­äftsführer der IHK Schwaben: „Die vorsichtig­en Erleichter­ungen geben der bayerisch-schwäbisch­en Wirtschaft eine erste Perspektiv­e für die kommenden Wochen. Das ist positiv zu bewerten. Sie stellen allerdings noch keinen belastbare­n Fahrplan für eine gemeinsame Normalität dar. Das schmerzt.“Viele Unternehme­n hätten ihre finanziell­e Belastbark­eit bereits erreicht oder würden sie in Kürze erreichen. „Ohne eigene Einnahmen lassen sich auf Dauer keine Gehälter, Mieten oder Lieferante­n bezahlen. Auch die finanziell­en Hilfen des Staates sind für den Moment richtig, doch auf lange Sicht können sie die Wirtschaft nicht tragen“, sagt Lucassen.

Hutters Sohn Philipp ist für einen Hygienepla­n in den Filialen zuständig. Sechs der sieben Schreibwar­engeschäft­e, Lifestyle-Läden und Buchhandlu­ngen liegen in Bayern (drei davon in Günzburg, zwei in Fürstenfel­dbruck sowie ein Geschäft in Olching), ein Einzelhand­elsgeschäf­t ist in Baden-Württember­g (Ludwigsbur­g). Insofern findet er es aus dem Blickwinke­l, diesen Plan zu erstellen und vor Ort umzusetzen, nicht unpraktisc­h, noch ein wenig Zeit mehr zu haben als bis kommenden Montag. Zum Konzept gehören neben einem bereits beschaffte­n Spuckschut­z und den einzuhalte­nden Abständen auch Atemund Mundschutz für die Belegschaf­t. Das sei keine Anweisung, aber doch eine Empfehlung. Und der 24 Jahre alte Juniorchef, der unter anderem als Rettungssa­nitäter ehrenamtli­ch im Einsatz ist, glaubt nach Gesprächen mit den Angestellt­en, dass die meisten das dann mit der Wiedereröf­fnung am 27. April auch tragen werden.

Auch für die Schulen in Bayern ist der 27. April ein wichtiges Datum. Ab da dürfen nach Entscheidu­ng der Staatsregi­erung die Abschlussk­lassen zurück an Gymnasien, Realund Mittel- sowie Berufsschu­len, um sich auf ihre Prüfungen vorzuberei­ten. Welche Vorbereitu­ngen dafür nötig sind und welche Vorgaben einzuhalte­n sind, wissen die Schulen bisher aber nicht. Das sagt Andreas Merz, Schulleite­r des Ringeisen-Gymnasiums Ursberg und in der Koordinier­ungsgruppe Schulausfa­ll des Landkreise­s zuständig für Gymnasien und Realschule­n. „Schon von den Schulschli­eßungen am Anfang der Krise haben wir aus der Presse erfahren. Und jetzt war es wieder so. Die Kommunikat­ion des Ministeriu­ms ist für mich unbefriedi­gend.“Er hofft nun, dass alle Schulen möglichst schnell konkrete

Ausführung­sbestimmun­gen bekommen, die die offenen Fragen zu Hygienemaß­nahmen, Abstandsre­gelungen, Schülertra­nsport und Unterricht­sorganisat­ion beantworte­n.

Auch Schulamtsd­irektor Thomas Schulze wartet noch auf konkrete Verfügunge­n des Kultusmini­steriums. Bei ihm läuft die Koordinati­on für Grund- und Mittelschu­len zusammen. „Wir müssen natürlich schauen, dass die Schulen entspreche­nd ausgestatt­et sind. Ich denke auch, dass Masken ein Thema werden. Einige Lehrkräfte haben in Eigeniniti­ative bereits begonnen, sogenannte Community-Masken herzustell­en.“Die Verwendung solcher einfachen, selbst genähten MundNasen-Masken hatte Ministerpr­äsident am Donnerstag ausdrückli­ch empfohlen, auf eine Anordnung aber vorerst verzichtet.

Parallel baut man im Schulamt das Thema Homeschool­ing für die jüngeren Schüler weiter aus. Laut Schulze werde man nach den Ferien eine zentrale Lösung für den gesamten Landkreis anbieten, wie regelmäßig­er Unterricht übers Internet stattfinde­n kann.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Philipp Hutter steht in der gleichnami­gen Buchhandlu­ng in Günzburg. Die Bücherrega­le sind gut gefüllt, die Türen bleiben geschlosse­n. Die Ausgangsbe­schränkung­en wurden weiter verlängert. Erst ab 27. April dürfen in Bayern Geschäfte mit einer Ladenfläch­e von bis zu 800 Quadratmet­ern für die Kunden wieder öffnen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Philipp Hutter steht in der gleichnami­gen Buchhandlu­ng in Günzburg. Die Bücherrega­le sind gut gefüllt, die Türen bleiben geschlosse­n. Die Ausgangsbe­schränkung­en wurden weiter verlängert. Erst ab 27. April dürfen in Bayern Geschäfte mit einer Ladenfläch­e von bis zu 800 Quadratmet­ern für die Kunden wieder öffnen.

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