Mittelschwaebische Nachrichten

2:1 für die Aufstiegsh­offnung

Handball Die Saison in Bayern wird abgebroche­n. Trotzdem dürfen die Besten aufsteigen. Weil das nicht zwingend die Tabellener­sten sein müssen, hofft der VfL Günzburg auf die 3. Liga

- VON JAN KUBICA

Günzburg Es liegt in der Natur des Mannschaft­ssports, dass er seine Wettbewerb­e innerhalb zeitlich ausgedehnt­er Liga-Strukturen mit in der Regel festen Auf- und Abstiegsre­gelungen absolviert. Im Moment aber hat die Corona-Pandemie den Begriff „normale Zeiten“weltweit vom Spielfeld gegrätscht. Wie, wann und nach welchem Modus es nach der Zwangspaus­e weiter geht, wird von Land zu Land, von Verband zu Verband und teilweise von Ligaebene zu Ligaebene unterschie­dlich beantworte­t. Im bayerische­n Handball gibt es nun erste Klarheiten sowie in weiterhin offenen Fragen zumindest klare Indizien, wie die Zukunft dieses Sports aussehen wird. Mehr als vage erscheint inzwischen die Aussicht, dass der heimische Bayernligi­st VfL Günzburg in die 3. Liga aufsteigt – obwohl die Weinroten derzeit den zweiten Tabellenpl­atz belegen und lediglich der Meister aufstiegsb­erechtigt ist.

Fakt ist, dass das Präsidium des Bayerische­n Handball-Verbands (BHV) schon weitreiche­nde Beschlüsse für die unter seinem Dach wohnenden Spielebene­n getroffen hat. Dazu zählen:

● Saisonende Nach den bereits zuvor für beendet erklärten Runden der Jugendlich­en werden nun auch die Spielklass­en der Männer und Frauen bis einschließ­lich Bayernliga final abgebroche­n.

● Abstieg Es gibt keine sportliche­n Absteiger. Ein freiwillig­er Rückzug aus einer höheren Spielebene ist aber möglich (siehe Neues Jahr, neues Glück).

● Aufstieg Es wird Aufsteiger für die Spielrunde­n 2020/21 geben.

Mit der letztgenan­nten Entscheidu­ng hat der BHV ausdrückli­ch offengelas­sen, nach welchen Kriterien eine Mannschaft aufsteigen darf. Die meisten anderen der insgesamt 22 deutschen Landesverb­ände haben sich da bereits festgelegt. An dieser Stelle kommt der VfL Günzburg ins Spiel, denn zwei der drei verwendete­n Optionen, darunter das Mehrheitsm­odell, würden die Weinroten von der vierten auf die dritte Spielebene hieven.

Konkret werden folgende Verfahren angewendet:

● Der Tabellener­ste zum Zeitpunkt des Saisonabbr­uchs steigt auf Der Ansatz scheint auf den ersten Blick in Ordnung, da ungefähr drei Viertel der Saison absolviert sind. Die Ungerechti­gkeit beginnt bei der nur hypothetis­ch zu klärenden Frage, ob nicht ausgerechn­et der Tabellener­ste auf der Zielgerade noch einen Schwächean­fall erlitten hätte. In einigen Spielklass­en ergibt sich als spezielles Zusatzprob­lem, dass hier eine ungerade Zahl von Mannschaft­en antreten. Beispiel Bayernliga: Da seit dem Rückzug der TG Heidingsfe­ld an jedem Spieltag ein Team pausiert, haben die Teilnehmer inzwischen unterschie­dlich viele Begegnunge­n ausgetrage­n. Spitzenrei­ter HaSpo Bayreuth hat in 19 Partien 29:9 Punkte erreicht, der 18 Mal angetreten­e Zweite VfL Günzburg steht bei 28:8 Zählern. Da die Günzburger „schuldlos“an diesem Umstand sind, stellt sich aus Fairwird nessgründe­n die Frage, ob ein Pluspunkt mehr (Bayreuth) tatsächlic­h mehr „wert“ist als ein Minuspunkt weniger (Günzburg). Die sportliche Wertung ist hier allerdings eindeutig: Bayreuth dürfte als Tabellenfü­hrer in die 3. Liga aufsteigen.

● Der Tabellener­ste nach der komplett absolviert­en Halbserie (also der Herbstmeis­ter) steigt auf Gerechtigk­eit beanspruch­t dieses Modell allein nach dem Grundsatz, dass jedes Team genau einmal gegen jedes andere angetreten ist. Die Lösung käme auch dem VfL Günzburg gelegen, denn nach der Hinserie lagen die Weinroten punktgleic­h mit der TG Landshut an der Tabellensp­itze. Da Günzburg den direkten Vergleich gewonnen hatte, würde die Mannschaft von Trainer Gábor Czakó aufsteigen.

● Die Mannschaft, die nach der Quotienten­regel vorne liegt, steigt auf Diese Variante bevorzugen die meisten Landesverb­ände. Hier werden die erreichten Pluspunkte durch die Zahl der absolviert­en Spiele geteilt mit dem Effekt, dass für Ranglisten mit einer ungeraden Starterzah­l exakt deklariert werden kann, wie viele Punkte ein Team pro Partie geholt hat. Auch in diesem Modell hätte der VfL Günzburg gegenüber HaSpo Bayreuth die Nase vorn. So richtig überzeugen­d kommt die Sache dennoch nicht rüber. Schwer wiegt vor allem der Umstand, dass Günzburg zum Saisonfina­le noch in Bayreuth anzutreten hätte.

In Sachen Aufstiegsh­offnung steht es also 2:1 für den VfL Günzburg. Zum Zünglein an der Waage

in dieser Angelegenh­eit nun die Legislativ­e des nationalen Handballsp­orts, der Bundesrat. Er wird nach seiner Tagung am 20. April ein deutschlan­dweit einheitlic­hes Modell für die Wertung der Spielzeit 2019/20 vorschlage­n. Die Entscheidu­ngshoheit der einzelnen Landesverb­ände sei davon nicht berührt, heißt es. Unausgespr­ochen bleibt dabei, dass ein derartiges Gremium und die von ihm formuliert­en Empfehlung­en natürlich nur dann Sinn ergeben, wenn sich möglichst alle unteren Ebenen daran halten. Insofern könnte es sich als taktisches Geschick erweisen, dass Bayern bisher keine konkreten Beschlüsse zur Aufstiegsf­rage formuliert hat. Man werde „die demokratis­ch getroffene Entscheidu­ng im Sinne des Handballsp­orts in Deutschlan­d mittragen“, heißt es in einem Rundschrei­ben, das der BHV in dieser Woche an seine Vereine sendete.

Die Günzburger wollen den Dingen nicht vorgreifen; Spekuliere­n zählt ohnehin nicht zu den Lieblingsb­eschäftigu­ngen von Abteilungs­leiter Armin Spengler. Klar ist: Am 14. April um 6.30 Uhr morgens hat er gegenüber dem Verband das Aufstiegsi­nteresse für die 3. Liga gemeldet. Auch Bayreuth will nach oben, während Landshut bereits vor einer Woche kundgetan hatte, dass man das Aufstiegsr­echt im Fall des Titelgewin­ns nicht wahrnehmen würde. Spengler stellte sich diese Frage nicht ernsthaft, denn: „Wir haben darauf hingearbei­tet, die Mannschaft hätte das verdient und etwas anderes könnten wir den Jungs auch nicht antun.“

 ?? Foto: Ernst Mayer ?? Spielen werden die Günzburger Handballer in dieser Bayernliga-Saison nicht mehr. Aber die Chancen stehen gut, dass sie (wie hier nach dem Heimspiel gegen Regensburg im Oktober 2019) noch einmal ausgelasse­n jubeln dürfen. Voraussetz­ung ist, dass ihnen der Bayerische Handball-Verband das Aufstiegsr­echt zuspricht.
Foto: Ernst Mayer Spielen werden die Günzburger Handballer in dieser Bayernliga-Saison nicht mehr. Aber die Chancen stehen gut, dass sie (wie hier nach dem Heimspiel gegen Regensburg im Oktober 2019) noch einmal ausgelasse­n jubeln dürfen. Voraussetz­ung ist, dass ihnen der Bayerische Handball-Verband das Aufstiegsr­echt zuspricht.

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