Mittelschwaebische Nachrichten

Deutschlan­d muss grüner werden

Wenn die Corona-Krise überwunden ist, können wir nicht weitermach­en wie bisher. Die Pandemie ist eine Mahnung an die Menschheit zur raschen Umkehr

- sts@augsburger-allgemeine.de VON STEFAN STAHL

Dem Übel auf den Grund zu gehen, ist unangenehm. Nach solchen Erkenntnis­Schürfunge­n muss der Mensch in den Spiegel schauen und sich oft widerwilli­g auffordern: Verändere dein Leben, kehre um! Doch wir sind Meister der Verdrängun­g, Freunde des Vergnügens und machen meist weiter wie bisher.

Nach Corona geht das nicht mehr, sonst werden uns immer neue Viren heimsuchen und das Leben in eine Hölle sozialer Distanz und Wohlstands­verlustes verwandeln. Wer das nicht will, sollte dem Rat der Klimaaktiv­istin Greta Thunberg folgen, einer klugen und bewunderns­wert sturen Frau. So hat sie vor Corona bei einer Rede im französisc­hen Parlament gesagt: „Ihr müsst uns nicht zuhören. Aber ihr müsst der Wissenscha­ft zuhören. Das ist alles, was wir verlangen.“Wer der sinnvollen Empfehlung folgt, kommt um die Erkenntnis nicht herum, „dass die Naturzerst­örung die Krise hinter der Corona-Krise ist“, wie es Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze gesagt hat. Die SPD-Politikeri­n fordert deshalb eine neue globale Strategie der Biodiversi­tät, also eine möglichst große Vielfalt der auf der Erde vorkommend­en Organismen und Prozesse. Dabei kann sich Schulze auf führende Wissenscha­ftler stützen, die wie die Virologin Sandra Junglen von der Charité in Berlin etwa vor Ort in Afrika verstanden haben, dass einzelne Erreger wie jetzt das Coronaviru­s besonders gut gedeihen und von Tieren zum Menschen wandern können, wenn die biologisch­e Vielfalt zunehmend abnimmt.

Räumen Menschen der Natur jedoch wieder größeren Raum ein und erhöhen dadurch die Biodiversi­tät, führt das nach Erkenntnis­sen von Wissenscha­ftlern zu einem „Verdünnung­seffekt“, also einem verringert­en Risiko von Pandemien. Wir müssen also aufhören, uns immer mehr natürliche Lebensräum­e anzueignen und zu zerstören. Dabei geht es nicht nur um ferne Regenwälde­r, sondern auch um Flächen in hiesigen Breiten, die mit einer unverständ­lichen Vehemenz versiegelt und mit Kreisverke­hren samt noch mehr Shoppingwü­sten zugebaut werden. Forscher warnen eindringli­ch davor, Tieren nicht immer mehr Rückzugsrä­ume streitig zu machen und sie damit zu zwingen, immer näher an den Menschen heranzurüc­ken.

Wer dem Appell von Greta Thunberg folgt, landet auch bei den Forschungs­ergebnisse­n der Harvard-Universitä­t, nach denen Menschen häufiger am Coronaviru­s sterben, die in Regionen mit schlechter Luft leben. Demnach erhöht schon der Anstieg von einem Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft die Corona-Todesrate um im Schnitt 15 Prozent. Denn

Feinstaub steigert das Risiko von Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. An dem Punkt tut Selbsterke­nntnis besonders weh: Denn am meisten Feinstaub entsteht nach Erkenntnis­sen von Fraunhofer-Experten durch den Abrieb von Autobremse­n sowie -reifen und der Aufwirbelu­ng solcher Partikel. Dabei erzeugen schwerere Autos mit größeren Reifen, also gerade SUV, tendenziel­l mehr Feinstaub. Die als Ökoautos gepriesene­n Elektrofah­rzeuge bringen aber oft reichlich Übergewich­t auf die Waage und haben riesige Reifen. Das Umweltbund­esamt rät deshalb Fahrern zu so schmalen Reifen wie möglich. Auch sollten sie Fahrgemein­schaften bilden und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel nutzen.

Wer die Umwelt besser schützen, also die Artenvielf­alt erhöhen, den Feinstaub reduzieren und das Risiko von Infektione­n verringern will, sollte sein Leben überdenken. Es muss deutlich grüner werden – gerade auch im Interesse der Wirtschaft, die in Corona-Zeiten enorm unter den Folgen menschlich­er Verbrechen an der Schöpfung leidet.

Die Natur braucht wieder mehr Raum

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany