Mittelschwaebische Nachrichten

Europa setzt auf eine App

Smartphone­s sollen zur Waffe gegen Virus und Lockdown werden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Kampf gegen das Coronaviru­s bleibt mühsam: Im Schnitt brauchen Mitarbeite­r der deutschen Gesundheit­sämter bis zu zwei Tage, um alle Kontakte eines neuinfizie­rten Patienten zu informiere­n. Und selbst das bleibt lückenhaft. „Wer weiß schon, wen er im Bus oder während einer Fahrt mit der Bahn infiziert hat“, sagt Peter Liese, Arzt und Europaabge­ordneter für die CDU. Schlimmer noch: „Da auch Menschen ohne Symptome als Träger des Virus andere anstecken können“, sei es nur mit großem Aufwand möglich, die Infektions­kette zu durchbrech­en. „Wenn wir die Kontaktspe­rre beenden wollen, brauchen wir die digitale Lösung.“

Der Plan: Sollte ein Infizierte­r positiv getestet werden, verschickt eine neue App auf dem Mobiltelef­on sehr schnell automatisc­h eine Informatio­n an alle Personen, die innerhalb der letzten Tage mindestens 15 Minuten lang in weniger als zwei Metern Entfernung des Patienten registrier­t wurden. „Je früher wir eine infizierte Person kennen, desto früher können wir andere warnen“, sagt Chris Boos, Chef des auf Künstliche Intelligen­z spezialisi­erten Unternehme­ns Arago, Berater der Bundesregi­erung und einer von drei Entwickler­n jener App, auf die die Regierunge­n warten.

Die sogenannte Tracing-App („Rückverfol­gungs-Anwendung“) nutzt die Bluetooth-Technologi­e: „Diese Plattform bietet alle Möglichkei­ten, die Technologi­e auf europäisch­e Art und Weise unter Wahrung der Grundrecht­e zu nutzen“, sagt Alexandra Geese, Datenschut­z-Expertin der Grünen-Europafrak­tion. „Komplett anonym und vollständi­g privat“würden die Daten auf dem eigenen Mobiltelef­on aufgezeich­net, lobt sie.

Die App soll grenzübers­chreitend funktionie­ren, damit die Menschen sich damit frei bewegen können. Dazu sollen Gesundheit­ssysteme und Kapazitäte­n der Länder hinterlegt werden. „Denn wer eine Warnung erhält, muss auch schnell getestet werden“, erklärt Boos. Das ist bisher nicht in allen EU-Mitgliedst­aaten garantiert. Erste Tests laufen gerade in Italien. Doch es dauert noch Wochen, bis sie breit einsatzfäh­ig ist. „Das ist enttäusche­nd“, sagt der EU-Abgeordnet­e Liese. „Denn das Ende des Lockdown ist ohne die App nicht möglich.“

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