Mittelschwaebische Nachrichten

„Der Ausbruch ist beherrschb­ar“

Im Kampf gegen das Coronaviru­s zieht Minister Spahn eine positive Zwischenbi­lanz. Nach dem Rückgang der Ansteckung­srate soll der Klinikbetr­ieb schrittwei­se normalisie­rt werden

- VON STEFAN LANGE

Berlin Seit Wochen ist das Haus der Bundespres­sekonferen­z im Herzen Berlins ein Ort für schlechte Nachrichte­n. Das Coronaviru­s bescherte den Hauptstadt­journalist­en bislang zwar viele Pressekonf­erenzen, von denen es kaum Positives zu berichten gab. Am Freitag war das endlich einmal anders. Gesundheit­sminister Jens Spahn zog vier Wochen nach dem ersten starken Corona-Ausbruch eine Zwischenbi­lanz. Und die hörte sich gut an.

Nachdem sich die Verdoppelu­ngszeit zunächst immer weiter verkürzt und sich die Ausbreitun­g des Virus also beschleuni­gt hatte, hätten sich „Bund und Länder gemeinsam zu einer Vollbremsu­ng entschiede­n“, blickte Spahn zurück, um sich dann dem Istzustand zuzuwenden. „Nun können wir sagen: Das war erfolgreic­h“, bilanziert­e der CDU-Politiker: „Wir haben es geschafft, das dynamische Wachstum zurückzubr­ingen zu einem linearen Wachstum. Die Infektions­zahlen sind deutlich gesunken.“

Spahn legte in seiner positiven Bewertung sogar noch eine Schippe drauf: „Der Ausbruch ist, Stand heute, wieder beherrschb­ar und beherrschb­arer geworden.“Als ermutigend­es Signal bezeichnet­e Spahn,

seit dem 12. April die Zahl der Menschen, die gesund werden, größer sei als die der Neuinfizie­rten.

Von den rund 130000 Infizierte­n insgesamt sind laut Robert-KochInstit­ut demnach etwa 80 000 wieder genesen. Der Minister freute sich zudem darüber, dass das Gesundheit­ssystem bisher „zu keiner Zeit überforder­t“gewesen sei. Das System sei im guten Zustand. Sechs von sieben Patienten könnten ambulant behandelt werden, weil sie eine nur geringe Symptomati­k haben.

Spahn hatte auch eine gute Nachricht für die Menschen, deren Behandlung oder Operation wegen Corona verschoben wurde. Derzeit gibt es dem Minister zufolge rund 10 000 freie Intensivbe­tten, „die wir so auf Dauer nicht vorhalten können und auch nicht vorhalten müssen“. Die OP-Zahlen sollen wieder hochgefahr­en werden, damit die Ungewisshe­it der Betroffene­n, ihre psychische und physische Belastung, möglichst beendet werden könne.

Ab Mai wolle man schrittwei­se „wieder zu einer Normalität im Krankenhau­sbetrieb kommen“, kündigte Spahn an. Gleichzeit­ig sollen zunächst 25 bis 30 Prozent der Betten für Corona-Patienten vorbehalte­n bleiben. Spahn wies auf eine interessan­te Entwicklun­g hin, deren Ursache noch zu klären ist: Die Zahl der ins Krankenhau­s eingeliefe­rten Herzinfark­t-Patienten ist seit dem Ausbruch „deutlich gesunken“. Dies könnte jedoch nach Ansicht von Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt ein negatives Zeichen sein: „Es ist zu befürchten, dass diese Menschen Praxen und Kliniken aus Angst vor einer Corona-Infektion meiden“, sagte er der Rheinische­n Post. Dies wäre jedoch aus Sicht der Patienten ein lebensgefä­hrlicher Irrtum, warnte der Mediziner.

Bei den Infektione­n gab sich der eher zur Vorsicht neigende Chef des Robert-Koch-Instituts optimistis­ch: Die aktuelle Reprodukti­onszahl liegt Lothar Wieler zufolge bei 0,7 – Stand Freitag. Was bedeutet, dass im Moment nicht mehr jede infizierte Person eine andere ansteckt. Es war bislang eines der vorrangigs­ten Ziele der Bundesregi­erung, diese Zahl unter eins zu drücken.

Um das Virus beherrschb­arer zu machen, wird mit Hochdruck an Therapien gearbeitet. So genehmigte das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte beispielsw­eise eine Versuchsre­ihe zum Rekonvales­zentenplas­ma, wie Präsidass dent Karl Broich erklärte. Bei dieser Therapie geht es darum, an Covid-19 Erkrankten das Plasma Genesener und die darin enthaltene­n Antikörper zu verabreich­en.

Der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts, des Bundesinst­ituts für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el, machte zudem Hoffnung auf Fortschrit­te bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Die Entwicklun­g von Impfstoffe­n, von denen es unterschie­dliche Sorten geben müsse, dauere zwar noch Monate, erklärte Präsident Klaus Cichutek. Es gebe aber bei 50 bis 60 Impfstoffp­rojekten weltweit auch in Deutschlan­d bereits gute Forschungs­ergebnisse. Hierzuland­e soll demnach „in Kürze“die klinische Prüfung eines Impfstoffs beginnen.

Grundsätzl­ich gilt, dass im Falle von positiven Ergebnisse­n der ersten klinischen Prüfung weitere Prüfungen folgen müssen. In diese Phase zwei könnten auch bereits bestimmte Risikogrup­pen wie medizinisc­hes Personal sowie vorerkrank­te oder ältere Personen eingeschlo­ssen werden. Unter bestimmten Voraussetz­ungen wäre der Bund im Sinne einer Verfahrens­beschleuni­gung dazu bereit, beim Einsatz eines nicht zugelassen­en Impfstoffs Haftungsri­siken zu übernehmen.

Ärzte warnen vor Meidung der Kliniken aus Angst

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn bei einem Besuch der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Hamburg: „Der Ausbruch ist, Stand heute, wieder beherrschb­ar und beherrschb­arer geworden“, sagt der CDU-Politiker.
Foto: Christian Charisius, dpa Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn bei einem Besuch der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Hamburg: „Der Ausbruch ist, Stand heute, wieder beherrschb­ar und beherrschb­arer geworden“, sagt der CDU-Politiker.

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