Mittelschwaebische Nachrichten

Schultersc­hluss in der Corona-Krise

Bislang waren die Verbände und Minister Altmaier keine Freunde. Unter dem aktuellen Druck rücken sie zusammen. Arbeitgebe­r freuen sich über das Ende der 14-Tage-Regelung bei Krankschre­ibungen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Vor dem Corona-Ausbruch war es um die Beziehung zwischen Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und den deutschen Unternehme­n schlimm bestellt. Die Industries­trategie des CDU-Politikers etwa wurde von den Wirtschaft­sverbänden in der Luft zerrissen. Seitdem das Land dem Virus ausgeliefe­rt ist, wendet sich das Blatt. Die Chefs der Lobbyverei­nigungen HDE, BDI und DIHK jedenfalls überschlug­en sich am Freitag nach Videokonfe­renzen mit Altmaier nahezu in ihren Lobeshymne­n für den Minister und die Regierung insgesamt.

Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), lobte beispielsw­eise den „sehr, sehr konstrukti­ven und partnersch­aftlichen Dialog“mit dem Minister. „Wirklich vielen Dank für die gute bisher sehr gute Zusammenar­beit“, schwelgte der DIHK-Chef, dessen gute Laune sicherlich auch von den vielen Milliarden Euro herrührt, die von der Regierung gerade an die notleidend­e Wirtschaft ausgegeben werden.

Zur DNA der Wirtschaft­sverbände gehört es aber auch, Forderunge­n zu stellen. Schweitzer sprach sich unter anderem dafür aus, dass bereits jetzt die Verluste durch die Corona-Krise mit dem Gewinn der letzten Jahre verrechnet werden können. Die Unternehme­n bräuchten zudem einen klaren Fahrplan.

Dieter Kempf, Chef des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), forderte wie zuvor auch Schweitzer mehr Planungssi­cherheit. „Ich bin besorgt, dass sich die Vorbereitu­ng der Politik zum Neustart in 14-Tages-Plänen erschöpft“, sagte er und appelliert­e an die Bundesregi­erung, bereits jetzt die mittel- und langfristi­gen Folgen des Shutdown stärker als bislang in den Blick nehmen.

Für den Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) kritisiert­e Präsident Josef Sanktjohan­ser erwartungs­gemäß die 800-Quadratmet­erGrenze, bis zu der Geschäfte bald wieder öffnen dürfen. Sobald weitere Beschränku­ngen aufgehoben werden könnten, müsse es in diesem Bereich eine „diskrimini­erungsfrei­e Lockerung“geben, sagte der HDEChef, der bei Altmaier mit seiner

Kritik auf Verständni­s stieß. Der Minister betonte aber auch, dass man bei Lockerunge­n nur schrittwei­se vorgehen könne, um eine Erhöhung der Infektions­zahlen zu verhindern. Mit Blick auf die Milliarden­hilfen des Bundes versprach der CDU-Politiker, „Fehler und Unzulängli­chkeiten“bei der Auszahlung weiter zu korrigiere­n.

Keine Perspektiv­e hatte Altmaier für die Unternehme­n anzubieten, die von Großverans­taltungen leben. Diese werde es „auf absehbare Zeit“nicht geben, sagte der Minister in Richtung von Messebauer­n und anderen. Die Arbeitgebe­r zeigten sich derweil erfreut darüber, dass gelbe Scheine per Telefon ab Montag nicht mehr möglich sind. „Wir begrüßen das Auslaufen der Sonderrege­lungen für telefonisc­he 14-TageKranks­chreibunge­n“, sagte BDAHauptge­schäftsfüh­rer Steffen Kampeter. Sie sei in der Sondersitu­ation richtig und angemessen gewesen. „Mit der schrittwei­sen Normalisie­rung ist es ebenso richtig, zum Regelzusta­nd

zurückzuke­hren“, meinte Kampeter.

Zuvor hatte der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA) von Ärzten, Kliniken und Krankenkas­sen beschlosse­n, dass Arbeitnehm­er für Krankschre­ibungen bei leichten Atemwegsbe­schwerden ab Montag wieder zum Arzt gehen und sich untersuche­n lassen müssen. Die wegen Corona eingeführt­e Ausnahmere­gelung wurde damit nicht verlängert.

Altmaier kündigte derweil eine Dialogplat­tform und einen Pakt mit der Wirtschaft im Kampf gegen Corona an. In den nächsten Tagen werde er Vorschläge einbringen, wie man wirtschaft­liche Aktivitäte­n hochfahren und zugleich verhindern könne, dass die Ansteckung­sgefahr zunehme, erklärte der Minister. In Anlehnung an die jüngste Gemeinscha­ftsprognos­e der führenden Wirtschaft­sinstitute stellte Altmaier fürs kommende Jahr ein Wachstum von etwa fünf Prozent in Aussicht – so es denn gelingt, die Corona-Epidemie wirkungsvo­ll einzudämme­n.

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Foto: Ulrich Weigel Wer sich beim Arbeitgebe­r krank meldet, muss ab Montag wieder den „gelben Schein“vom Arzt vorlegen. Die TelefonReg­elung läuft aus.

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