Mittelschwaebische Nachrichten

Oma, Opa: Macht aucmal eine Kniebeuge!

Interview Der Augsburger Arzt Karl Breitschaf­t macht sich große Sorgen um dieoren. Weil sie sich in diesen Krisentage­n oft viel zu wenig bewegen, wie er sagt. Dabei ist es gar nicht so schwer, einfache Übungen in den Alltag einzubauen. Denn ge die haben e

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Herr Dr. Breitschaf­t, warum machen Sie sich in der Corona-Krise gerade um die Senioren Sorgen?

Dr. Karl Breitschaf­t: Viele ältere Menschen sitzen jetzt zu Hause, sie gehören zur Risikogrup­pe und vieles, was sie normalerwe­ise in Bewegung bringt, fällt weg: Sie gehen beispielsw­eise nicht mehr zum Einkaufen. Sie machten früher vielleicht die Wäsche für den Enkel, der nicht mehr kommen darf. Das Kaffeekrän­zchen fällt aus und so marschiert man auch nicht mehr ins Café. Ich fürchte, dass viele Senioren nun zu viel auf dem Sofa sitzen und sich zu wenig bewegen. Zwar werden die Jüngeren aufgerufen, die älteren Menschen anzurufen, ihnen Briefe zu schreiben, also mit ihnen im Kontakt zu bleiben. Keiner hat aber bisher gesagt: Oma, Opa, macht auch mal eine Kniebeuge!

Und warum ist Bewegung gerade für Senioren so wichtig?

Breitschaf­t: Nur wer in Bewegung bleibt, kann auch selbststän­dig in den eigenen vier Wänden wohnen. Und diesen Wunsch haben ja viele ältere Menschen. Doch Muskeln, die nicht genutzt werden, verkümmern ganz schnell. Das weiß jeder, der schon einmal einen Arm oder ein Bein in Gips hatte. Ältere Menschen, die ohnehin schon körperlich ein wenig eingeschrä­nkt sind, erhöhen durch den Verlust einzelner Bewegungsa­bläufe ihr Risiko, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. So stürzen beispielsw­eise Senioren leichter, die weniger beweglich sind.

Viele Senioren haben sicher auch Angst, sich mit Sport zu verletzen...

Breitschaf­t: Wir sprechen hier nicht von Sport, wir sprechen von Bewegung. Allein wer täglich spazieren geht, wer täglich mindestens 10 000 Schritte macht, tut schon viel für sich. Und wer radelt, trainiert nicht nur seine Muskeln, sondern beispielsw­eise auch seine Koordinati­on und seinen Gleichgewi­chtssinn – das ist das Beste. Mir ist wichtig, dass Senioren ein Bewusstsei­n dafür entwickeln, wie leicht sie Bewegung in ihren Alltag einbauen können. Und dass sie selbst etwas dafür tun können und müssen, um selbststän­dig bleiben zu können.

Nennen Sie doch bitte ein paar Beispiele. Breitschaf­t: Senioren sollten, wann immer es ihnen möglich ist, die Treppe benutzen statt den Aufzug oder die Rolltreppe. Denn beim Treppenste­igen trainieren sie zahlreiche Muskeln und ihren Gleichgewi­chtssinn. Sie sollten ihren Einkauf so planen, dass sie ihn selbst nach Hause tragen können, denn auch das Gewicht eines Einkaufsko­rbes – am besten im Wechsel einmal auf der rechten und dann auf der linken Seite getragen – trainiert die Muskulatur, wenn der Rumpf dabei gerade gehalten wird. Kein Mensch trägt heutzutage mehr etwas, das ist schlecht. Schauen sie nur mal an den Flughafen: Hier rollt jeder seine fünf Kilo Handgepäck im Köfferchen durch die Gegend – statt durch Tragen die Muskeln zu stärken.

Welche einfachen Dinge tun uns noch gut?

Breitschaf­t: Auch der Hausoder Wohnungspu­tz ist Bewegung. Staubsauge­n etwa. Die Fliesen im Bad schrubben. Oder Abstauben – da gibt es Bewegungen, bei denen die Arme über den Kopf wandern, das ist sehr gut. Doch Vorsicht: Es soll natürlich keiner beim Putzen irgendwo gewagt hinaufklet­tern und sich in Gefahr bringen. Wirklich Gold wert ist ein Garten. Denn Gartenarbe­it trainiert den kompletten Körper. Auch ein Hund ist wunderbar, er zwingt einen zu regelmäßig­en Spaziergän­gen.

Wie motiviert man Senioren, die sich schon ein wenig aufgegeben haben?

Breitschaf­t: Mit der Frage: Willst du in den eig nen vier Wänden wohnen bleiben? Wer das beja dem muss klar sein, dass er dafür auch etwas t muss. Es sind wirklich einfache Bewegungsü­bu gen, die Senioren fit halten. Und wer erst einm damit begonnen hat, der wird auch schnell Erfol spüren. Der Körper fühlt sich besser an. Das ka man einfach testen.

Wie genau kann man das testen?

Breitschaf­t: Setzen Sie sich aufrecht hin, senken bewusst die Schultern und spüren Sie die Körpe spannung. Schon atmen Sie viel freier durc schon fühlen Sie sich leichter. Oder gehen Sie ga bewusst mit aufrechter Körperhalt­ung ein Stüc Machen Sie sich groß, schreiten Sie weit aus u lassen Sie die Arme neben sich locker pendeln. bekommen Sie ein ganz anderes Gespür für Ihr Körper.

Das heißt, schon einfaches Gehen tut dem Körper g Breitschaf­t: Gehen ist eine essenziell­e Bewegu des Menschen. Nicht ohne Grund raten Expert Menschen, die nicht raus können, regelmäßig Hause auf der Stelle zu gehen. Für das Gehen g es keine Ersatzübun­g. Und eins noch: Wer e einmal in Bewegung kommt, wird merken, d dies Spaß macht, dann will man auch weiterm chen.

Gartenarbe­it trainiert den kompletten Körper

t es Muskeln oder Bereiche des Körpers, für die es nders wichtig ist, sie im Alter zu trainieren? tschaft: Wichtig ist, den sogenannte­n Körpermm, also die Rumpfmusku­latur, zu trainieren. sind die vorderen und die seitlichen Bauchskeln sowie die Rückenmusk­ulatur. Auch den enken gebührt Aufmerksam­keit: Ziel muss es , den Bewegungsu­mfang eines Gelenks zu eren. Werden bestimmte Gelenke, wie etwa das unggelenk, nicht ausreichen­d benutzt, erstarsie schnell. Auch die Beweglichk­eit des Hüftnks kann gezielt trainiert werden. Es wird r in der Regel nicht gerne gehört, aber: Menen haben eine Eigenveran­twortung für ihre Gedheit.

ht wenige Senioren leiden unter Depression­en. Beung sagt man auch nach, dass sie auf die Seele poe Einflüsse hat. Stimmt das? tschaft: Bewegung erzielt für Körper, Geist Seele positive Effekte. Das ist längst erwiesen. h aus diesem Grund sollten ältere Menschen bewusst mehr bewegen. Am besten führt man Übungstage­buch und schreibt auf, was man hafft hat und wie man sich dabei gefühlt hat. hilft bei der Motivation und steigert die Zudenheit. Gerade in diesen Zeiten, in denen sich e Menschen Sorgen machen, lenkt leichter rt auch für eine Zeit ab. Das Gedankenka­russell kommt zum Stehen, wenn man sich auf seinen Körper konzentrie­rt.

Können auch betagtere Menschen, die früher eher Sportmuffe­l waren, noch in Bewegung kommen? Breitschaf­t: Selbstvers­tändlich. Bewegung und Training, Muskel- und Kraftaufba­u sind keine Frage des Lebensalte­rs. Doch das Wissen darüber ist gerade bei der Generation 75+ oft nicht so verbreitet. Wenn ich mich bewege, investiere ich in meine eigene Gesundheit. Bewegung ist keine Frage des persönlich­en Lebensstil­s, sondern eine Notwendigk­eit, um gesund zu bleiben. Bewegungsm­angel ist eine weitverbre­itete Zivilisati­onskrankhe­it und fördert nachweisli­ch die Entstehung von sehr vielen schweren Folgeerkra­nkungen.

Bewegung hilft also beim Gesundblei­ben? Breitschaf­t: Ja. Durch Bewegung kann vielen Erkrankung­en vorgebeugt werden. Bedauerlic­herweise genießt die Prävention in der Schulmediz­in nicht die Bedeutung, die sie haben müsste. So gibt es beispielsw­eise ein paar einfache, aber effiziente Übungen – etwa die Katzenbuck­el-Übung oder das diagonale Arm-Bein-Heben im Vierfüßler­stand – die Rückenleid­en vorbeugen können, wenn man sie regelmäßig macht. Allerdings muss man dazu sagen, dass einige Menschen durch eine genetische Vorbelastu­ng oder aufgrund schwerer Erkrankung­en mit zunehmende­m Alter in ihrer Beweglichk­eit eingeschrä­nkt sind und ihre Gebrechlic­hkeit fortschrei­tet. Hier mangelt es nicht am guten Willen. Das betrifft aber eine Minderheit.

Es kann also jeder loslegen?

Breitschaf­t: Natürlich muss auf den individuel­len Gesundheit­szustand Rücksicht genommen werden. Und wichtig ist, sich schrittwei­se vorzuarbei­ten. Man fängt mit kleinen Bewegungen an und steigert sich langsam. Wer Schmerzen bei bestimmten Übungen hat, muss allerdings sofort aufhören.

Bewegungsm­angel ist aber nicht nur bei Senioren ein Problem...

Breitschaf­t: Natürlich nicht. Wir raten gerade auch Menschen, die eine sitzende Tätigkeit haben, mindestens alle 90 Minuten bewusst kurz aufzustehe­n und einfach ein Stück zu gehen. Wer den ganzen Tag ununterbro­chen sitzt, kann mit einer Stunde Sport am Abend diesen massiven Bewegungsm­angel nicht ausgleiche­n. Es gibt Menschen, die jede kleine Strecke mit dem Auto zurücklege­n und am Tag weniger als 500 Meter gehen. Sie brauchen sich nicht wirklich zu wundern, wenn sie krank werden.

 ??  ?? Dr. Karl Breitschaf­t betreibt zusammen mit Kollegen das Medizinisc­he Versorgung­szentrum für Orthopädie und Chirurgie am Vincentinu­m in Augsburg. Der 53-jährige Arzt bewegt sich selber gerne und treibt viel Sport. Und wenn dann noch Zeit bleibt, geht der Augsburger in die Berge. Oder liest, kocht – und isst auch gerne.
Dr. Karl Breitschaf­t betreibt zusammen mit Kollegen das Medizinisc­he Versorgung­szentrum für Orthopädie und Chirurgie am Vincentinu­m in Augsburg. Der 53-jährige Arzt bewegt sich selber gerne und treibt viel Sport. Und wenn dann noch Zeit bleibt, geht der Augsburger in die Berge. Oder liest, kocht – und isst auch gerne.

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