Mittelschwaebische Nachrichten

Als Ben Johnson alle betrügt

Der Sprinter gewinnt 1988 Olympia-Gold. Die Welt staunt, dann platzt die Bombe / Serie (14)

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Der Vorsprung ist gewaltig. So gewaltig, dass Ben Johnson schon frühzeitig jubeln kann. Und das nach der Sprintstre­cke über 100 Meter, die eher den Ruf hat, umkämpft statt frühzeitig entschiede­n zu sein. 1988 bei den Olympische­n Spielen in Seoul aber ist das Finale der schnellste­n Männer der Welt einseitig. Der Kanadier Johnson dominiert. Und das, obwohl mit Carl Lewis ein Konkurrent im Finale steht, der ebenfalls ein außergewöh­nlicher Athlet ist. Und dessen Stärke eigentlich die letzten Meter sind.

1984 in Los Angeles hatte dieser Lewis vier Goldmedail­len geholt. Aus dem Duell Lewis gegen Johnson, „King Carl“gegen „Big Ben“, wird in Seoul aber nichts. Dafür ist Johnson zu überlegen. 9,79 Sekunden

benötigt er, Weltrekord. Die Welt staunt. Johnson feiert, schon einige Meter vor dem Ziel reckt er die Arme in den südkoreani­schen Himmel. Da ist sich einer ganz sicher und lässt sogar noch wertvolle Zeit liegen.

Weltrekord und Gold – Sprinterhe­rz, was willst du mehr? Die Medaille sei ihm wichtiger als die Fabelzeit,

sagte Johnson hinterher. „Die kann mir keiner nehmen.“

Dachte er damals wirklich. Bis drei Tage nach dem Finale über die 100 Meter der Leiter des Anti-Doping-Labors in Seoul vor die Kamera trat. Johnson sei positiv auf Stanozolol getestet worden. Doping also, das konnte ja eigentlich auch alles gar nicht mit rechten Dingen zugegangen sein an diesem 24. September. Johnson reiste aus Seoul ab und leugnete zunächst. Bis er sich eines Bessern belehren ließ und alles zugab. Seit 1981 habe er gedopt, angetriebe­n von seinem Trainer Charlie Francis und dem Arzt George Astaphan. Das Mittel Stanozolol aber sei ihm in einen Drink gekippt worden, behauptete Johnson. Von einem Vertrauten seines großen Rivalen Carl Lewis. Wem nun also glauben? Überführte Doper finden immer gerne irgendwelc­he Ausreden.

Acht Sprinter waren im Finale von Seoul angetreten. Acht Muskelpake­te. Acht Ausnahmeta­lente.

Sechs von den acht wurden im Laufe ihrer Karrieren des Dopings überführt. Das ist die bittere Wahrheit des Endlaufs. Kein Wunder, dass das Finale als schmutzigs­ter 100Meter-Lauf in die Leichtathl­etikGeschi­chte einging. Auch Carl Lewis war vor den Olympische­n Spielen 1988 mit drei verbotenen Substanzen erwischt worden – das Olympische Komitee der USA aber sah keine Notwendigk­eit, dies der Öffentlich­keit mitzuteile­n.

Johnson, der in Jamaika geboren wurde, war in der Schule gehänselt worden. Weil er stotterte. Im Sport fand er Befreiung. Innerhalb weniger Jahre entwickelt­e er sich zu einem Muskelpake­t. Nach dem Finale von Seoul wurde er für zwei Jahre gesperrt. Als er auf die Bahn zurückkehr­te, dauerte es nicht lange bis zum nächsten Skandal. 1993 wurden bei ihm sehr hohe Testostero­nwerte festgestel­lt. Die Folge: eine lebenslang­e Sperre. Nichts gelernt also.

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Foto: dpa Ben Johnson gewinnt das 100-Meter-Finale bei den Olympische­n Spielen 1988 in Seoul. Auch sein großer Rivale Carl Lewis (Zweiter von rechts) ist chancenlos.

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