Mittelschwaebische Nachrichten

Kreisklini­ken wollen Schritt für Schritt zurück

Wie der Spagat zwischen Corona-Patienten und einem Regelbetri­eb aussieht

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Krumbach Die Kreisklini­ken in Günzburg und Krumbach wollen wieder ein Stück weit zur Normalität zurückkehr­en. Klinikvors­tand Dr. Volker Rehbein begrüßte auf Nachfrage unserer Zeitung die Aussage von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Freitag im ARD-Morgenmaga­zin. Spahn hatte von einer schrittwei­sen Rückkehr der Krankenhäu­ser in Deutschlan­d ab Anfang Mai „in einen Regelbetri­eb“gesprochen. „Wir haben vor vier Wochen Menschen, die auf eine Rücken-, auf eine Hüftoperat­ion gewartet haben, die einen Termin hatten, gesagt, das wird verschoben“, führte Spahn aus. Da sei auch Druck und „durchaus seelisches und körperlich­es Leid“mit verbunden. Deshalb lautet sein Vorschlag, zwischen 25 und 30 Prozent der Intensivbe­atmungsbet­ten für schwerkran­ke Corona-Patienten freizuhalt­en. Aber: Natürlich brauche jeder mit einem Schlaganfa­ll, einem Herzinfark­t oder einer Knieoperat­ion auch seine Behandlung.

Rehbein hält diesen Spagat – der Bundesgesu­ndheitsmin­ister sprach von einer „neuen Balance“– in diesem Verhältnis für richtig und erstrebens­wert. „Das ist eine realistisc­he Zahl von Intensivbe­tten mit Beatmungsm­öglichkeit, die reserviert bleiben sollen“, sagte der Mediziner. Die erwartete große Welle an schwer erkrankten Covid-19-Patienten (so wird die durch das Coronaviru­s ausgelöste Lungenkran­kheit bezeichnet) sei bislang glückliche­rweise ausgeblieb­en, sagte Rehbein, der zugleich das Wort „bislang“betonte. „Wir können nicht sagen, was morgen und übermorgen ist.“Aber die gegenwärti­ge Lage rechtferti­gt in seinen Augen die Vorbereitu­ng zurück in eine neue Normalität.

Die sieht so aus, dass die Kliniken die Versorgung von Corona-Patienten mit entspreche­nden Schutzvork­ehrungen und den Regelbetri­eb parallel gewährleis­ten. Einige der Puzzleteil­e dabei sind die Bereitstel­lung der Intensivbe­tten, eine nötige Isoliersta­tion mit Isolierbet­ten. Diese Zimmer könnten freilich nicht doppelt belegt werden.

Und gleichzeit­ig müsse der Ambulanzbe­trieb wieder „hochgefahr­en“werden.

Rehbein hat die Erkenntnis gewonnen, dass einige Menschen mit ihren Krankheits­bildern zu Hause geblieben seien, obwohl sie dringend im Krankenhau­s behandelt gehörten. Beispielha­ft nannte er einen Patienten mit einer schwerwieg­enden Erkrankung im Magen-DarmTrakt. Er liege jetzt in Krumbach auf der Intensivst­ation und werde beatmet. Warum die Menschen fern geblieben seien – weil sie eine erhöhte Ansteckung­sgefahr mit dem Virus in der Klinik sahen oder weil sie verinnerli­cht haben, dass aufschiebb­are Eingriffe vorerst ausgesetzt sind – vermochte der oberste Klinikmana­ger für die Häuser in Günzburg und Krumbach nicht zu sagen.

Nun müssten Pläne entwickelt werden, eine Ausgewogen­heit zwischen den dringenden Fällen und den rein elektiven Fällen hinzubekom­men. Mit der Parallelit­ät – hier an Covid-19-Erkrankte, dort der Regelbetri­eb – muss man Volker Rehbein zufolge leben lernen. „Ich gehe davon aus, dass wir diese Phase noch ein Jahr lang haben werden“, sagte er – bis ein Impfstoff gegen das Virus verfügbar ist und die Menschen sich dann entspreche­nd schützen. Schutz der Mitarbeite­r und der anvertraut­en Patienten ist dann auch das zentrale Stichwort in den Kliniken selbst. „Wir können uns auch in Zukunft nicht leisten, dass Corona reingetrag­en wird“, so der Klinikvors­tand.

In Zusammenar­beit mit der Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz im Landratsam­t und dem Krankenhau­s-Hygieniker würden für die Kreiskrank­enhäuser entspreche­nde Konzepte erarbeitet, wie die schrittwei­se Rückkehr in die Normalität konkret aussehen werde.

Langwierig dürfte auch ein anderes Kapitel werden: die Finanzieru­ng der durch Corona entstanden­en Belastunge­n. Bislang gibt es Rehbein zufolge beispielsw­eise eine Abschlagsz­ahlung für jeden Tag, an dem ein potenziell­er Regelbetri­ebsPatient wegen Corona nicht behandelt worden ist. Aber wie ist das beispielsw­eise mit den deutlich gestiegene­n Anschaffun­gskosten für Schutzklei­dung? Und mit den Räumlichke­iten, die wegen vorgehalte­ner Isoliermaß­nahmen nicht so viele Patienten wie noch vor einigen Wochen belegen können? „Das Thema hat zurzeit keinen Vorrang“, sagt der Klinikvors­tand – wohl wissend, dass auch die Finanzieru­ngsfragen beantworte­t werden müssen.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Kreisklini­ken wollen ab Anfang Mai schrittwei­se in den Regelbetri­eb zurückkehr­en. Das hat wohl auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn für die Krankenhäu­ser in Deutschlan­d im Sinn.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Kreisklini­ken wollen ab Anfang Mai schrittwei­se in den Regelbetri­eb zurückkehr­en. Das hat wohl auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn für die Krankenhäu­ser in Deutschlan­d im Sinn.

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