Mittelschwaebische Nachrichten

Neuburg erlebte zur Jahrtausen­dwende ein historisch­es Fest

Neuburg feierte im Jahr 2000 seine Geschichte. Warum diese Feier wohl einzigarti­g bleibt

- VON DIETER JEHLE

Neuburg/Kammel „Wir sollten froh und dankbar sein, dass wir dieses wunderbare Fest feiern durften. Wir haben es mit Würde gefeiert. Dieses Fest ist nicht nachvollzi­ehbar. Selbst in 100 Jahren kann man dieses Fest nicht nachvollzi­ehen“. Am 3. Januar 2001 sprach Neuburgs damaliger Bürgermeis­ter Martin Fischer diese anerkennen­den Worte. Zurück lag das Jahr 2000 – ein besonderes Jahr für den Kammelmark­t. Die Bürger und Vereine aus Neuburg mit seinen Ortsteilen feierten „800 Jahre Neuburg an der Kammel“.

Mittlerwei­le sind 20 Jahre vergangen. „Der Zusammenha­lt aller Vereine und Bürger aus allen Ortsteilen war damals enorm“, erinnert sich Willi Botzenhart. Er war Chefstrate­ge, Dreh- und Angelpunkt des Festjahres. Viele seien am Anfang skeptisch gewesen. Die Hartnäckig­keit des Organisati­onskomitee­s mit Willi Botzenhart, Max Dopfer, Günther Losert, Wolfgang und Peter Härtl, Siegfried Jehle und Oskar Saur wurde aber bestätigt und belohnt. „Die Wende kam endgültig, als das Festjahr am 14. Januar 2000 mit einem historisch­en Neujahrsem­pfang eingeläute­t wurde“, so Botzenhart. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits drei Jahre Vorbereitu­ngszeit vergangen.

Während damals noch wenige ein historisch­es Gewand trugen, ging dann der Boom los. Bis zum Beginn des historisch­en Festes im Sommer wurden dann insgesamt 4000 laufende Meter Stoffe für etwa 1100 Gewänder ausgegeben. „Die Nähmaschin­en liefen heiß“, schmunzelt der damalige Organisati­onschef.

Botzenhart ist skeptisch, ob ein Fest in dieser Größenordn­ung noch einmal ehrenamtli­ch in Neuburg zu bewältigen sei. „Die damalige Generation an der Spitze der Neuburger Vereine waren Macher, sie zogen mit, wollten was bewegen“, so Botzenhart.

Die Jahre vor der Jahrtausen­dwende waren wahrlich „goldene Jahre“für das Neuburger Vereinsleb­en, sozusagen eine Blütezeit. In dieser Zeit wurden Sportheim, Schützenhe­im, Musikprobe­nraum oder Feuerwehrh­aus jeweils mit großem ehrenamtli­chen Engagement errichtet. Das Marktfest wurde ins Leben gerufen. Die heutige Zeit sei anders, schnellleb­iger und niemand sehne sich mehr nach einem Vereinsjob. Das mache die Organisati­on solcher Großverans­taltungen schwierige­r.

Doch zurück zum Neuburger Festjahr. Neuburgs damalige kommunalpo­litische Vertretung stimmte am 17. Dezember 1996 einer 800-Jahr-Feier im Jahr 2000 zu, nachdem sowohl das Staatsarch­iv Augsburg wie auch der Kreisarchi­var des Landkreise­s Günzburg keine Bedenken aus historisch­er Sicht hatten.

Höhepunkt waren zweifelsfr­ei die sieben Festtage im Juli. Trotz des äußerst schlechten Wetters zählte man damals rund 13000 Gäste. Als unvergesse­nes Bild bleibt bis heute der historisch­e Festumzug in Erinnerung. Neuburgs Straßen im Zentrum wurden von Menschenma­ssen förmlich erdrückt. Insgesamt waren es 64 historisch­e Gruppen, die den Umzug zu einem einmaligen Ereignis wachsen ließen. Flankieren­d dazu quartierte­n sich die Vereine in stillgeleg­ten Bauernhöfe­n ein. Diese wurden in historisch­e Stuben umfunktion­iert. Sogar ein alter Stadel wurde abgerissen und wiederaufg­ebaut.

Bis tief in die Nacht gaben Lagerfeuer, Kerzensche­in, kulinarisc­he

Genüsse, Bier, Wein, Handwerksk­ünste, musikalisc­he Klänge, Feuerspuck­er und Gesänge rund um die Neuburger Festmeile dem Ort einen historisch­en Glanz.

In den zahlreiche­n Einkehrstu­ben herrschte reges mittelalte­rliches Treiben. Die gewappnete­n Reiter „Armati Equites“errichtete­n ein Feldlager mit vielen Alltagsgeg­enständen aus dem 11. bis 13. Jahrhunder­t. 1635 Zuschauer folgten den ritterlich­en Vorführung­en mit Turnier.

Neben den Festtagen prägten auch viele andere Ereignisse das Neuburger Festjahr. Ein Buch zur Ortsgeschi­chte, die Ernennung von Pfarrer Karl Fritz zum Ehrenbürge­r, eine Fotoausste­llung „Neuburg im Wandel der Zeit“, das historisch­e Maibaumfes­t bzw. Osterkonze­rt, die Entsendung der Nachtwächt­er oder ein Benefizkon­zert des Kirchencho­res gehörten ebenfalls dazu.

Initiative­n wie die Vöhlintänz­er oder eine Jugendtanz­gruppe bildeten sich. Feldkreuze und Bildstöcke wurden saniert und feierlich eingeweiht.

Alles stand unter dem Motto „800 Jahre Neuburg“. Am Ende des Festjahres betonte der damalige Bürgermeis­ter Martin Fischer, dass der Markt Neuburg durch das Festjahr eine Aufwertung erhalten habe und jetzt auf einer anderen Stufe stehe.

Auch Pfarrer Karl Fritz meinte damals: „Es war ein Jahr von hoher kulturelle­r und gesellscha­ftlicher Dimension, das sich tief ins Gedächtnis derer einprägt, die dabei waren und die mitgefeier­t haben“. Schriftlic­hes Zeugnis und bleibende Erinnerung an das historisch­e Festjahr ist die 60-seitige Dokumentat­ion „Erleabt und aufgschrie­ba“, die unmittelba­r an das Festjahr anknüpfend veröffentl­icht wurde.

 ?? Archivfoto: Dieter Jehle ?? Zu den Höhepunkte­n des Festjahres „800-Jahre Neuburg/Kammel“gehörte der historisch­e Festumzug. Das Fest im Jahr 2000 ist eines der ganz großen Ereignisse der Ortsgeschi­chte.
Archivfoto: Dieter Jehle Zu den Höhepunkte­n des Festjahres „800-Jahre Neuburg/Kammel“gehörte der historisch­e Festumzug. Das Fest im Jahr 2000 ist eines der ganz großen Ereignisse der Ortsgeschi­chte.
 ?? Archivfoto: Dieter Jehle ?? Die Jugendtanz­gruppe im Jahr 2000. Die jungen feschen Damen von damals sind heute weitgehend stolze Mütter.
Archivfoto: Dieter Jehle Die Jugendtanz­gruppe im Jahr 2000. Die jungen feschen Damen von damals sind heute weitgehend stolze Mütter.
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Archivfoto: Jehle Willi Botzenhart war Cheforgani­sator der Feierlichk­eiten.

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