Mittelschwaebische Nachrichten

Wann dürfen hier die Bälle wieder fliegen?

Gebannt warten die Vereinsche­fs im Landkreis Günzburg auf Entscheidu­ngen zur Verbandsru­nde 2020. Es geht natürlich auch ums Geld. Hobbyspiel­ern könnte ein Umstand helfen, der die Sportart von anderen unterschei­det

- VON JAN KUBICA

Günzburg/Krumbach Es mag Wichtigere­s geben als Spaß und Sport. Aber das Leben wird zweifellos schöner, wenn der Spaß mitspielt. Und für viele zählt der Sport zu den wichtigste­n Nebensächl­ichkeiten der Welt. Entspreche­nd tief sitzt bei Aktiven der Frust, wenn ihnen sportliche Betätigung erschwert oder gar verwehrt wird. Bei allem Verständni­s für einschneid­ende Maßnahmen angesichts der CoronaKris­e vervielfäl­tigen sich deshalb aus den Reihen der Sportler Forderunge­n, auferlegte Kontaktver­bote mehr als bisher auf den Einzelfall hin zu prüfen und eventuell zu lockern. Im Namen seiner Vereinsmit­glieder, aber auch für viele Tennisspie­ler in der Region formuliert nun Peter Dirlmeier, Vorsitzend­er des TC Günzburg, gegenüber den Entscheide­rn den Appell: „Lasst uns endlich wieder spielen!“

Gemeint sei damit zuvorderst die ganz normale, freundscha­ftliche Begegnung auf dem Platz, betont der Funktionär. Gegenüber vielen anderen Sportarten verfüge Tennis immerhin über die wertvolle Besonderhe­it, dass direkte Kontakte weitestgeh­end vermeidbar sind. Dirlmeier führt aus: „Jeder Spieler kann auf seiner Seite des Platzes bleiben. Er kann allein zur Anlage fahren, mit dem Partner auf der anderen Seite ein paar Bälle schlagen und danach allein wieder heimfahren.“

Vor dem Spiel auf rotem Sand steht allerdings überall harte Arbeit. Die Größeren in der Branche, zu denen der TC Günzburg mit seinen etwas mehr als 300 Mitglieder­n und einer enormen Anlage mit insgesamt 13 Außenplätz­en zählt, tun sich da etwas leichter als Dorfverein­e. Im Auwald kümmert sich alljährlic­h eine Firma um den Frühjahrsp­utz, die Instandset­zungskoste­n werden auf die Mitglieder umgelegt. Und während die Behörden den vereinsint­ernen Arbeitsdie­nst untersagt haben, ist der Einsatz der Profis auch in diesen Corona-Tagen erlaubt.

Diesen Luxus können und wollen sich nicht alle Klubs leisten. Für den ungefähr 230 Mitglieder starken TC Rot-Weiß Krumbach spricht Präsident Markus Steinhart von einer Halbe-Halbe-Lösung als Wunsch und Wirklichke­it: Normalerwe­ise würden etwa 15, 20 Vereinsmit­glieder mit einer Fremdfirma zusammenar­beiten, um die Plätze nach dem Winter aufzuhübsc­hen. „Wir haben immer selber mit angepackt – und das dürfen wir nun nicht“, berichtet der Vereinsche­f, der nun darauf hofft, „dass wir in den nächsten zwei Wochen grünes Licht bekommen, das zusammen mit den Mitglieder­n machen zu dürfen.“Steinhart weiß sich in dieser Problemlag­e in einem Boot mit zig anderen Vereinen.

Ein Gutes hat die ungeplante Null-Tennis-Zeit aus Sicht des Krumbacher Vereins immerhin: Die längst überfällig­e, neue Bewässerun­gsanlage wird derzeit installier­t. An und für sich hat das zwar nichts mit der Corona-Krise zu tun, doch die Arbeiten konnten nun in aller Ruhe ausgeführt werden. Steinhart erläutert die Dringlichk­eit der Bauarbeite­n: „Die Anlage war 40 Jahre alt. Wir haben uns nun für eine große Lösung entschiede­n. Unter anderem gibt es eine neue Pumpe und einen neuen Trinkwasse­rbehälter. Das soll nach Möglichkei­t ja wieder 30 Jahre halten.“

In Sachen Mannschaft­s-Spielbetri­eb unterstrei­cht unterdesse­n der schwäbisch­e Bezirksspo­rtwart im Bayerische­n Tennis-Verband (BTV), Stefan Ruess aus Günzburg, dass der Gesundheit möglichst vieler Menschen alle anderen Vorstellun­gen unterzuord­nen seien. Als Sportsmann teilt er vermutlich die Ungeduld vieler Spieler, als Funktionär formuliert er zurückhalt­end: „Wir warten einfach darauf, bis es von den Behörden und vom Verband grünes Licht gibt.“Derzeit laute dort der Plan, den zu Anfang Mai nicht möglichen Saisonstar­t auf 8. Juni zu verschiebe­n und dann die

Runde innerhalb von zwei Monaten durchzuzie­hen. Ob der Juni-Termin realistisc­h ist, vermag Ruess nicht weiter zu kommentier­en. „Wir müssen abwarten, was die Behörden in den kommenden Tagen und Wochen entscheide­n.“Beginne die Runde noch später, bleibe bis Mitte/Ende September Zeit genug, um die Spiele auszutrage­n.

Interessan­t in diesem Zusammenha­ng: Der Deutsche Tennis-Bund (DTB) hat die Männer-Bundeslige­n bereits gestrichen und die Präsidente­n der bayerische­n Tennis-Bezirke neigen offenbar zu der Ansicht, dass die komplette Spielrunde 2020 ausfallen wird. Der BTV selbst dagegen signalisie­rt weiterhin allergrößt­es Interesse, möglichst alle Punktspiel­e auszutrage­n. Hintergrun­d ist natürlich das liebe Geld: Die bayerische­n Vereine haben im Voraus Mannschaft­s-Nenngelder an den Verband überwiesen. Sollte der BTV die komplett zurückzahl­en müssen, entsteht wohl ein Millionen-Defizit.

Denkbar ist in dieser Zwickmühle, dass die bayerische­n Vereine auf eine Erstattung der Nenngelder verzichten. Ihre Mitglieder scheinen in Sachen Beitragsza­hlungen mehrheitli­ch genau dazu bereit. Steinhart und Dirlmeier loben entspreche­nde Absichtser­klärungen vor Ort über den Schellenkö­nig, sprechen unisono von „viel Solidaritä­t“.

Dass Sport in diesen modernen Zeiten viel mehr ist als bloße Leibesübun­g, wird in beiden regionalen Tennisvere­inen am Beispiel Gastronomi­e deutlich. Hier machen die Verantwort­lichen aus der Not eine Tugend und kommen ihren Gaststätte­npächtern ein gutes Stück des beschwerli­chen Weges entgegen. Dirlmeier garniert die Abmachung in Günzburg mit der Bemerkung: „Wir unterstütz­en Christoph Welzhofer in dieser Phase, weil wir froh sind, dass wir einen so guten Wirt haben – was nicht alltäglich ist.“In Krumbach wurde das Klubheim erst im Januar neu verpachtet. Umso mehr fühlt sich der Verein verpflicht­et. Laut Steinhart entstehen der Wirtsfamil­ie Kolb in den nächsten Monaten keine Kosten. „Damit das perspektiv­isch für beide Seiten Sinn macht, agieren wir da partnersch­aftlich“, sagt er.

Für den Verein an sich entstehen laut Steinhart derzeit keine massiven Kosten. „Das würde erst aktuell, wenn wir tatsächlic­h gar nicht spielen könnten. Aber das hoffen und glauben wir nicht.“Zumindest halb-zuversicht­lich führt er aus: „Ich bin überzeugt, dass wir die Anlage bis Ende Mai in Betrieb nehmen dürfen und dann auch irgendwann Tennis gespielt werden kann. Ob es auch eine Punktrunde geben wird? Da sehe ich ein Fragezeich­en.“

 ?? Foto: Ernst Mayer ?? Verwaist liegt die Anlage des TC Günzburg unter der Aprilsonne. Tennisspie­len ist verboten, die Vereinsgas­tstätte ist geschlosse­n. Das verursacht weit mehr als nur „gefühlte“Probleme. Wichtiger denn je ist in den Tagen der Corona-Krise deshalb die Solidaritä­t der Mitglieder.
Foto: Ernst Mayer Verwaist liegt die Anlage des TC Günzburg unter der Aprilsonne. Tennisspie­len ist verboten, die Vereinsgas­tstätte ist geschlosse­n. Das verursacht weit mehr als nur „gefühlte“Probleme. Wichtiger denn je ist in den Tagen der Corona-Krise deshalb die Solidaritä­t der Mitglieder.

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