Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn der Kontrolleur nicht mehr klingelt
Doping Weil die Fahnder in Corona-Zeiten nicht mehr durchs Land reisen können, setzen sie auf ein neues Verfahren: Überwachung per Videoübertragung
Augsburg Dopingkontrolleure, die quer durchs Land von Tür zu Tür fahren und Sportler kontrollieren, gibt es seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr. Die Aussetzung betrifft alle Sportarten. Das in den Augen vieler Kritiker ohnehin lückenhafte Kontrollsystem ist derzeit also lahmgelegt. Die Nationale AntidopingAgentur (Nada) versucht sich nun an einem Pilotprojekt, das auf eine Überwachung per Live-Videoübertragung via Handy setzt. Der Dopingkontrolleur klingelt also nicht mehr an der Haustüre, er ruft an.
Unter den Augen des Kontrolleurs, der in seinem Büro vor dem Bildschirm sitzt, muss sich der Sportler identifizieren und dann den Teststreifen auf dem Oberarm platzieren. Der Rest passiert automatisch. Eine Nadel pikst in die Haut und eine geringe Menge Kapillarblut fließt auf den Streifen.
Danach versiegelt der Sportler – unter steter Beobachtung, die Nada nennt es Begleitung – die Probe, ein Lieferdienst kommt und bringt sie nach Köln ins dortige Labor an der Deutschen Sporthochschule. Dieses verfüge laut Nada „über die notwendige technische Ausstattung, um die in einem Blutstropfen enthaltenen Substanzen mit hochempfindlichen chromatografisch-massenspektrometrischen Verfahren zu detektieren“.
Dies sei eine wegweisende Entwicklung. Die sogenannte Dried Blood Spot (DBS)-Methode wird auch beim Neugeborenen-Screening zur Erkennung von Stoffwechselstörungen
eingesetzt. Weil es sich um ein Pilotprojekt handelt und der Test ausschließlich freiwillig erfolgt, habe er laut Nada keine sportrechtlichen Konsequenzen nach den anwendbaren Anti-Doping-Regeln. Es gehe vielmehr darum, Erkenntnisse zu sammeln, da es sich um „ein Anti-Doping-spezifisches, sportwissenschaftlich-analytisches Projekt“handele.
In den USA läuft ebenfalls ein Projekt mit kontaktlosen Dopingtests. Die Teilnehmer dort bekommen mit der Post ein Set, das sie stets bereithalten müssen. Wenn der Dopingkontrolleur der Usada anruft, müssen die Sportler auf die Toilette gehen und dort mit dem Handy durch den Raum schwenken. Der Kontrolleur soll so sehen, dass der Sportler allein ist. Dann ist die
Urinprobe fällig. Während der Sportler uriniert, darf er die Handykamera vom Geschehen abwenden. Ist der Becher gefüllt, muss allerdings sofort ein Teststreifen zum Messen der Temperatur in die Probe getaucht werden. So soll sichergestellt werden, dass der Urin tatsächlich aktuell von dem getesteten Athleten stammt. Danach wird auch diese Probe versiegelt und ins Labor geschickt.
Die deutsche Nada hält von der Abgabe einer Urinprobe ohne persönliche Anwesenheit eines Kontrolleurs nichts. Dabei könnten Manipulationen nicht ausgeschlossen werden. Eine Sprecherin sagt, dass man sich deshalb gegen eine Durchführung von klassischen Dopingkontrollen per Live-Videoübertragung entschieden habe.