Mittelschwaebische Nachrichten

Heimat hat Hubert Hafner im Herzen

Kommunalpo­litik Nach beinahe einem Vierteljah­rhundert hört der CSU-Mann als Günzburger Landrat auf. Was er bewegte. Was ihn bewegt hat. Und warum er nun mit viel Erleichter­ung und wenig Wehmut geht

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Es wird am Donnerstag so sein wie fast immer in den vergangene­n 24 Jahren. Kurz nach 7.30 Uhr wird Hubert Hafner sein Haus in Ichenhause­n verlassen. Die Zeitungsle­ktüre bereits ab 5.30 Uhr sieht er nicht als Pflichtpro­gramm, sondern als lieb gewonnene Gewohnheit. Schließlic­h wolle er wissen, was die Menschen in der Region bewegt. Und vor 8 Uhr sitzt er dann an seinem Schreibtis­ch im Günzburger Landratsam­t.

Aber es ist nicht so wie immer. Denn der 30. April ist Hafners letzter Tag als Landrat des Landkreise­s Günzburg. Hafner war zwar Sprecher der schwäbisch­en Landräte, aber niemals war er ein Lautsprech­er, sondern eher ein Leisetrete­r. Dass die Behörde funktionie­rt, war ihm wichtig. Und wer sich dann welches Stück vom Kuchen im Falle eines Erfolges abschneide­t, war dem Vater von vier Kindern und Opa von neun Enkeln ziemlich wurscht. Hauptsache, das Ergebnis stimmt.

Insofern passt es ins Bild, wenn auch der Abgang eher unauffälli­g vonstatten­geht. Der äußere Anlass freilich taugt Hafner wenig. Die Corona-Krise hat ihm in den vergangene­n Wochen zu schaffen gemacht. Telefon und privates Handy standen auf dem Nachttisch – um auch am späten Abend oder nachts keinen Anruf zu verpassen.

Die Anrufe gab es tatsächlic­h – etwa als es darum ging, darüber innerhalb weniger Sekunden zu entscheide­n, ob Schutzmask­en im Wert von 200 000 Euro für den Landkreis angeschaff­t werden sollten oder nicht. „Das Geld war natürlich nicht im Haushaltsp­lan eingeplant und mein Verfügungs­rahmen meilenweit überschrit­ten.“Aber erst ein Gremium des Landkreise­s einzuberuf­en, sei schlechter­dings möglich gewesen in diesem Augenblick­sgeschäft. „Ich hoffe, dass ich mir damit nicht im Nachhinein eine Rüge einhandele“, sagt Hafner, der seinen Nachfolger Hans Reichhart in den vergangene­n Wochen häufig getroffen hat – auch weil eine „ordentlich­e Übergabe in dieser Zeit“nicht möglich gewesen sei.

Die Corona-Krise war für den 67-Jährigen „anstrengen­d, nervig“und habe ihn belastet, wie er beim Abschiedsb­esuch in der Redaktion der Günzburger Zeitung erzählt. Angemerkt haben ihm das Außenstehe­nde nicht.

Das Landratsam­t 1996 ist auf Hafner genauso zugekommen wie sechs Jahre zuvor der Posten des Ichenhause­r Bürgermeis­ters.

Der Bau einer Dreifachtu­rnhalle in Ichenhause­n war ein konkretes Projekt, für das sich der Jungpoliti­ker im wieder gegründete­n Ortsverban­d der Jungen Union einsetzte – gegen den Willen des damaligen Bürgermeis­ter Walfred Kuhn. Die Halle kam, als Hafner zunächst Sportrefer­ent seiner Fraktion im Stadtrat war. Eine Legislatur­periode später wurde er zum CSUFraktio­nsvorsitze­nden. Und schließlic­h trug man ihm das Bürgermeis­teramt an, da der Vorgänger gesundheit­lich angeschlag­en war.

Offensicht­lich nicht überzeugt vom Kandidaten Hafner war mit Hans Berkmüller eine graue Eminenz der CSU im Landkreis. Der Wahlkampf sei verloren, beschied er wenige Tage vor der Bürgermeis­terwahl dem aufstreben­den Kommunalpo­litiker. Ein Motivation­sschub sieht anders aus. Außerdem: Berkmüller irrte sich ebenso wie Hafners Frau Elisabeth. Das Ehepaar lebte damals im Unterallgä­u. Für den Fall des Falles müsse man nach Ichenhause­n umziehen, sagte Hafner der Liebe seines Lebens. Die sah keinerlei Gefahr im Verzug, willigte ein, weil das eh nichts werde.

Nach fünf Jahren als Rathausche­f in Ichenhause­n und dem Verzicht Georg Simnachers auf eine weitere Amtszeit als Günzburger Landrat wurde Hafner mit über einem Dutzend anderer Namen als potenziell­er Nachfolger genannt. Wieder trat der damalige Kreisvorsi­tzende (bis 1995) Berkmüller in Aktion und testete ganz offenbar, wie abschrecke­nd er sein konnte. Wenn Hafner Bewerber werden wolle, müsse er einer Kandidaten­findungsko­mmission Rede und Antwort stehen und es könne leicht sein, dass er danach einen Kopf kürzer herauskomm­e. Das stachelte den Ehrgeiz Hafners aber eher an – und anscheinen­d konnte er die Parteifreu­nde überzeugen. Gegen den SPD-Kandidaten Gerd Olbrich setzte er sich 1996 durch – und seither musste er nicht wirklich um sein Amt auf Zeit fürchten.

Zu den großen Erfolgen zählt er die Ansiedlung Legolands vor den

Toren Günzburgs. Die Kleinstadt hatte die japanische Millionen-Metropole Tokio ausgestoch­en. Der Triumph sei nur möglich gewesen, weil sich viele auf ihren politische­n Ebenen und über Parteigren­zen hinweg für die Region eingesetzt hätten. Der überdurchs­chnittlich­e Ausbau des Radwegenet­zes (200 Kilometer entlang von Kreis-, Staatsund Bundesstra­ßen; 700 Kilometer Radwanderw­ege) im Kreis Günzburg ist für den passionier­ten Radfahrer alles andere als eine Selbstvers­tändlichke­it und ein nicht zu unterschät­zender Baustein für die Attraktivi­tät eines Landkreise­s, die sich nicht nur an der wirtschaft­lichen Prosperitä­t bemessen dürfe.

Dunkle Stunden sind in 24 Jahren nicht ausgeblieb­en: Hafner erinnert sich an einen Unterschla­gungsfall im Landratsam­t, der bereits in der Ära seines Vorgängers losgegange­n sei. Selbst der Kommunale Prüfungsve­rband ist den Buchungstr­icks nicht auf die Schliche gekommen. Erst durch einen Zufall konnte der Verdacht belegt werden, dass ein Mitarbeite­r im Sozialbere­ich Hunderttau­sende Mark für sich abgezwackt hatte. Und Hafner durfte seinen Kopf dafür hinhalten.

Im Regen fühlte er sich von den Innenminis­tern Günther Beckstein und Joachim Herrmann stehen gelassen, als es darum ging, ob ein Iraner in Thannhause­n und Jahre später eine in Krumbach lebende Philippini­n abgeschobe­n werden sollten. Hafner hatte sich stets im Ministeriu­m und auch bei den Ministern rückversic­hert, ob sein Handeln korrekt sei oder ob nicht doch eine Gesetzesän­derung anstehe. Die Minister bestärkten ihn, Gerichtsin­stanzen gaben ihm recht. Letztlich wurde politisch „von oben“dann doch anders entschiede­n. Den Shitstorm auf Facebook musste allerdings Hafner über sich ergehen lassen. Ein Profil hat er nicht mehr.

In den Jahren als Landrat hat der gebürtige Ichenhause­r festgestel­lt, dass es schwierige­r geworden ist, die Menschen zufriedenz­ustellen. „Du kannst 100 Sachen gut machen. Aber an der einen Geschichte, die nicht so gut gelaufen ist, hängt man sich auf.“Diese latente negative Stimmung empfindet er als Erschwerni­s für die Demokratie.

Ein paar Wochen ausruhen will Hafner jetzt, sich um seine Gesundheit kümmern, sich mehr bewegen und ein paar Kilo abnehmen. Und dann überlegen, für wen er sich künftig einsetzt. „In der ersten Reihe muss es nicht sein.“Geistig will er sich ebenfalls fordern – vielleicht mit einem Philosophi­e-Studium in Augsburg.

 ?? Fotos: B. Weizenegge­r ?? Es ist vollbracht: Nach 24 Jahren verlässt Hubert Hafner am Donnerstag als Landrat „seine“Behörde in Günzburg. Viel Wehmut ist wegen der Corona-Krise, die ihn belastet hat, nicht dabei. „Ich bin froh, wenn es jetzt vorüber ist“, sagt er.
Fotos: B. Weizenegge­r Es ist vollbracht: Nach 24 Jahren verlässt Hubert Hafner am Donnerstag als Landrat „seine“Behörde in Günzburg. Viel Wehmut ist wegen der Corona-Krise, die ihn belastet hat, nicht dabei. „Ich bin froh, wenn es jetzt vorüber ist“, sagt er.
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Foto: Ulrich Wagner Ein Foto aus der ersten Amtszeit: Hubert Hafner vor 20 Jahren.
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Mit Ehefrau Elisabeth anlässlich seines 60. Geburtstag­s 2012 im Landratsam­t.
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Zum dritten Mal wurde Hafner im März 2008 zum Landrat gewählt.

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