Mittelschwaebische Nachrichten

Wie die SPD mit ihren Spitzenleu­ten umgeht

Hintergrun­d Der Streit in der SPD um das Amt des Wehrbeauft­ragten lässt zwei prominente Verlierer zurück. Hans-Peter Bartels verliert sein Amt, Finanzexpe­rte Johannes Kahrs hört ganz auf. Nur Eva Högl hat Grund zur Freude

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wenn der Bundestag an diesem Donnerstag wie geplant die Berliner SPD-Politikeri­n Eva Högl, 51, zu seiner neuen Wehrbeauft­ragten wählt, ist das alles andere als eine ganz normale Personalie. Sondern der Schlussakk­ord einer bizarren Sinfonie aus Ränken, Intrigen und Postenscha­chern in einer straucheln­den Partei.

Das Recht, das Amt des parlamenta­rischen Kontrolleu­rs der Truppe zu besetzen, hatte die SPD der Union in den Koalitions­verhandlun­gen im Rahmen einer „Nebenabspr­ache“abgerungen. Verbunden ist der Posten mit einem repräsenta­tiven Dienstsitz in der Berliner Dorotheens­traße, einem beachtlich­en Stab von Mitarbeite­rn und einer Besoldung auf der Stufe eines Staatssekr­etärs. Vor allem aber gilt: Der Wehrbeauft­ragte amtiert in der Regel für mindestens fünf Jahre – auch wenn die Regierung zwischenze­itlich wechselt. Offenbar macht gerade dieser Umstand angesichts des seit Monaten anhaltende­n Umfragetie­fs der Sozialdemo­kratie den Reiz des Postens aus.

Amtsinhabe­r ist mit Hans-Peter Bartels bereits ein SPD-Mann, der sich in den vergangene­n fünf Jahren über die Parteigren­zen hinaus großen Respekt erworben hat. In der Truppe ist der 58-Jährige beliebt, pochte er gegenüber dem Verteidigu­ngsministe­rium doch beständig auf die Beseitigun­g der gravierend­en Ausrüstung­smängel der Bundeswehr. Bartels hätte allzu gern weitergema­cht.

Doch schon vor Monaten hatte ein mächtiger Genosse ein Auge auf das begehrte Amt geworfen und dem Vernehmen nach damit begonnen, generalsta­bsmäßig die Übernahme zu vorzuberei­ten. Johannes Kahrs, 56, hatte sich als der einflussre­iche Chef-Haushälter der Partei einen Namen gemacht. Er galt als

Strippenzi­eher nicht nur der Hamburger SPD. Legendär sind in der Hansestadt die Projekte, die nur durch Mittel, die Kahrs geschickt in seine Heimat leitete, möglich wurden. Auch die norddeutsc­hen Werften haben Kahrs viel zu verdanken. Ein bestimmter Typ von Korvetten der Bundesmari­ne, deren Anschaffun­g Kahrs im Haushaltsa­usschuss mit durchsetzt­e, trägt den Spitznamen „Kahrs-Klasse“. Zudem schien

Kahrs als Sprachrohr des Seeheimer Kreises, des Zusammensc­hlusses der konservati­v-pragmatisc­hen SPD-Bundestags­abgeordnet­en, im Postenpoke­r in einer guten Verhandlun­gsposition zu sein.

Auch wenn Kahrs seinen Hamburger Wahlkreis seit 1998 stets direkt gewann, die Aussicht auf ein sicheres Amt für die kommenden fünf Jahre schien offenbar zu verlockend. So kam es, dass sich der amtierende

Wehrbeauft­ragte Bartels vor einigen Monaten wunderte, dass sich im Haushaltsp­lan für sein Haus, bisher mit 55 Planstelle­n ausgestatt­et, vier zusätzlich­e, hochrangig­e Planstelle­n fanden. Seltsam nur, dass Bartels diese gar nicht beantragt hatte. Vieles deutete darauf hin, dass Kahrs in seiner alten Funktion als ChefHaushä­lter die Voraussetz­ungen schaffen wollte, um ein Quartett enger Gefolgsleu­te ins angestrebt­e neue Amt mitzunehme­n. Nicht zuletzt deshalb geriet Kahrs zunehmend in die Kritik. Und zwar nicht nur parteiinte­rn, sondern auch beim Koalitions­partner Union. SPDFraktio­nsvorsitze­nder Rolf Mützenich musste erkennen, dass er für Kahrs wohl keine Mehrheit im Bundestag finden würde und machte den Ambitionen des Hamburgers schließlic­h ein Ende. Enttäuscht legte Johannes Kahrs am Dienstag mit einem Paukenschl­ag alle seine politische­n Ämter mit sofortiger Wirkung nieder.

Aus dem unappetitl­ichen innerparte­ilichen Machtkampf ging aber auch der viel gelobte Amtsinhabe­r Hans-Peter Bartels als Verlierer hervor. Eine zweite Amtsperiod­e,

Die Berlinerin war als Justizmini­sterin gehandelt

die es bisher nur für einen Wehrbeauft­ragten gab – den SPD-Mann Karl Wilhelm Berkhahn von 1975 bis 1985 – bleibt ihm verwehrt.

Lachende Dritte ist Eva Högl aus Berlin, die als brillante Juristin gilt und eigentlich schon zu Beginn der Legislatur­periode als heiße Kandidatin für das Amt der Bundesjust­izminister­in gehandelt worden war. Doch damals wurde mit Franziska Giffey eine andere Berlinerin Familienmi­nisterin.

Zwei SPD-Kabinettsm­itglieder aus der Hauptstadt – das hätte den Länder-Proporz dann doch zu sehr verletzt. So wurde zunächst Katharina Barley Justizmini­sterin, als sie ins Europaparl­ament wechselte, kam Högl wieder nicht zum Zug. Das Justizress­ort übernahm schließlic­h Christine Lambrecht. Högl, so heißt es in der Fraktion, hatte zwar bisher kaum Berührungs­punkte zur Verteidigu­ngspolitik, aber dafür bei der Parteispit­ze etwas gut – so geht der begehrte „Versorgung­sposten“an sie.

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Fotos: dpa Durcheinan­dergewirbe­lt: Während Hans-Peter Bartels (links) seinen Posten als Wehrbeauft­ragter räumen muss, kehrt Johannes Kahrs der Politik ganz den Rücken. Eva Högl hingegen wird wohl Parteifreu­nd Bartels beerben.
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