Mittelschwaebische Nachrichten

Offen, geschlosse­n, wieder offen

Handel Wechselnde Corona-Regeln haben die Fahrradhän­dler geärgert. Sogar Ex-Profifußba­ller Bastian Schweinste­iger meldete sich zu Wort. Was jetzt wirklich gilt

- VON BRIGITTE MELLERT

Augsburg Die Nachfrage im Moment ist enorm: lange Schlangen vor und in den Fahrradges­chäften, telefonisc­h ist sowieso schon lange kein Durchkomme­n mehr. Seit den Corona-Ausgangsbe­schränkung­en ist das Fahrrad nicht mehr nur Fortbewegu­ngsmittel, sondern für viele ein beliebtes Sportgerät geworden. Die Fahrradhän­dler sind in diesen Frühlingst­agen gefragt wie nie. Umso verärgerte­r zeigen sich die Händler über die wechselnde­n Vorgaben vonseiten der Regierung.

Ein kurzer Rückblick: Zunächst durften Fahrradhän­dler während der Ausgangsbe­schränkung­en nur ihre Werkstätte­n geöffnet lassen, der Verkauf aber musste ruhen. Ab 27. April durften die Händler diesen in Bayern für ihre Kunden wieder uneingesch­ränkt öffnen – allerdings nur für zwei Tage. Ab dem 29. April trat die Regelung in Kraft, Geschäfte auf eine Verkaufsfl­äche von 800 Quadratmet­ern zu reduzieren. Dazu zählten auch die Fahrradläd­en. Aber auch diese Regelung dauert nur wenige Tage an: Ab 11. Mai dürfen Geschäfte bald wieder ohne Absperrung­en öffnen.

Thomas Kleiber, Filialleit­er von Radlbauer in Augsburg, kann über die wechselnde­n Regelungen nur den Kopf schütteln. „Montags und dienstags hatten wir normal geöffnet, dann folgte am Nachmittag die Entscheidu­ng, die Verkaufsfl­äche auf 800 Quadratmet­er zu verkleiner­n.“Für die Mitarbeite­r der Augsburger Filiale bedeutete das, über Nacht zu überlegen, welche Bereiche den Kunden künftig zur Verfügung stehen und welche hinter einem Absperrban­d verschwind­en werden. „Morgens um 7 Uhr haben wir den Laden mit Bändern abgesperrt“, sagt Kleiber. Seither zieht sich durch die rund 4000 Quadratmet­er große Verkaufsfl­äche im Fabrikschl­oss eine Schneise: Ein- und Ausgang sind fest vorgegeben, die Verkäufer beraten die wartenden Kunden hinter den Absperrbän­dern. Ein großes Schild bittet darum, Zubehör nicht selbststän­dig aus den Regalen zu nehmen.

Für die Kunden bedeutet die verkleiner­te Fläche lange Wartezeite­n. Kleiber empfiehlt seinen Kunden daher, zuvor auf der Homepage des Fahrradhän­dlers zu prüfen, wie hoch die Auslastung momentan ist. Eine Art Ampelsyste­m zeigt den Kundenanst­urm an: Unter der Woche am Vormittag verspricht ein hellgrüner Punkt ein geringes Kundenaufk­ommen. Freitagnac­hmittags, samstags und in den Abendstund­en hingegen färbt sich der Punkt dunkelrot: sehr viel los. Mit einer Wartezeit bis zu einer Stunde müssten Kunden dann in der Augsburger Filiale rechnen – ein Sicherheit­smann überprüft mit einem Klicker, wie viele Kunden den Laden betreten. Mehr als 40 dürfen nicht zur gleichen Zeit hinein.

Aufgrund der hohen Nachfrage kann Kleiber die Vorgabe der Regierung,

Fahrradges­chäfte von der Sonderrege­lung für Geschäfte auszuschli­eßen, nicht nachvollzi­ehen. „Das Fahrrad ist für viele ein Ausgleich geworden, der Bedarf ist vor Ort gestiegen“, sagt er.

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Vorstandsv­orsitzende der Zweirad-Einkaufs-Genossensc­haft, Georg Honkomp. In einem offenen Brief, den er am Montag an Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) geschickt hatte, kritisiert er die nachträgli­che Beschränku­ng der Fahrradges­chäfte. Unterschri­eben hatte den Brief zudem der ehemalige Profifußba­ller Bastian Schweinste­iger, der als Markenbots­chafter für den Fahrradhän­dler Kettler AluRad auftritt. Honkomp fordert die bayerische Regierung auf, den Fahrradfac­hhandel ähnlich wie Baumärkte, Gartenzent­ren und den KfzHandel umgehend zu der Sonderrege­lung für „privilegie­rte Geschäfte des täglichen Bedarfs“zu zählen. Als Argument nennt er die Empfehlung des Gesundheit­sministers Jens Spahn (CDU) an die Bevölkerun­g, Fahrräder und E-Bikes für die Fortbewegu­ng zu nutzen. Als „seuchenhyg­ienisch unbedenkli­ches“Transportm­ittel seien diese in der CoronaKris­e die „idealsten Produkte“, um sich sicher zu bewegen.

Was aber ist nach dem Hin und Her jetzt wirklich Stand der Dinge? Am Dienstag verkündete die Regierung, ab kommenden Montag die Beschränku­ng für alle Geschäfte aufzuheben. Für Thomas Kleiber bedeutet das: Nach zwölf Tagen kann das Absperrban­d wieder weg, es dürfen wieder 100 Kunden gleichzeit­ig das Geschäft betreten.

Dennoch appelliert der Filialleit­er an die Vernunft der Kunden, nicht unbedingt zu Stoßzeiten zu kommen. Die Fahrradkäu­fer zeigten sich trotz der langen Warteschla­ngen geduldig. Manche kehrten aber angesichts der Wartezeit lieber wieder um – und kommen am Montag wieder.

Fahrradges­chäfte vor Ort sind für Kunden wichtig

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Viele Fahrradhän­dler sind sauer auf die Staatsregi­erung in München, weil die Corona-Regeln mehrfach geändert wurden. So sah es gestern zum Beispiel bei Radlbauer in Augsburg aus.
Foto: Annette Zoepf Viele Fahrradhän­dler sind sauer auf die Staatsregi­erung in München, weil die Corona-Regeln mehrfach geändert wurden. So sah es gestern zum Beispiel bei Radlbauer in Augsburg aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany