Mittelschwaebische Nachrichten
Nach 36 Jahren von der politischen Bühne abgetreten
Abschied Deisenhausens Bürgermeister Norbert Weiß startete mit einer Hypothek von vier Millionen Mark Schulden ins Amt
Deisenhausen Bürgermeister Norbert Weiß trat in Deisenhausen am 1. Mai als einer der längst gedienten Kommunalpolitiker im Landkreis Günzburg von der politischen Bühne ab. In 36 Jahren erhielt er bei Wahlen sechsmal das Vertrauen der Bürger. 1984 erklärte er sich nach persönlicher Ansprache damaliger Gemeinderäte bereit, sich für das Amt des Gemeinderats nominieren zu lassen. 1990 wiederum in den Gemeinderat gewählt, wurde er mit dem Amt des zweiten Bürgermeisters betraut.
Sechs Jahre später, nachdem er sich seit 1985 bereits im Vorstand der angeordneten Dorferneuerung bewährt hatte, gewann er gegen einen Kandidaten aus Oberbleichen die Bürgermeisterwahl und blieb in diesem Amt bis heute. Bürgermeister Weiß blickt, auch wenn im Laufe der 24 Jahre Enttäuschungen nicht ganz ausblieben, zufrieden und glücklich auf seine Amtszeit zurück, hat aber bereits Pläne für die Zeit danach.
Der Start als erster Bürgermeister war nicht gerade einfach. Mit einer Verschuldung von über vier Millionen Mark war Deisenhausen damals eine der höchstverschuldeten Gemeinden im Umkreis. Trotzdem war der erforderliche und kurz vor dem Spatenstich stehende Neubau der Grundschule mit Turnhalle nicht aufschiebbar. Dazu kam die bereits laufende Dorferneuerung, bei der man aber wegen fehlender Mittel in der Staatskasse „keine großen Sprünge machen“konnte. Doch als Chef des eigenen Handwerksbetriebes, „Weiss Pflaster & Bau GmbH“, brachte er die Erfahrung mit, die richtigen Entscheidungen zu finden und diese beherzt und optimistisch umzusetzen. Dass er dabei erfolgreich war, zeigt die finanzielle Lage der Gemeinde bei der Übergabe an seinen Nachfolger. Über vier Millionen Euro stehen auf dem Rücklagenkonto der Gemeinde. Zu den ersten Maßnahmen, die unter Bürgermeister Weiß verwirklicht wurden, gehörten die Erschließung der Baugebiete „Bei der Schule“in Deisenhausen und „Schwaninger Garten“in Oberbleichen. Es folgten der Radweg entlang der Staatsstraße 2019 nach Krumbach (finanziert vom Freistaat Bayern), die Staubfreimachung des Ortskerns (Altdorf) von Deisenhausen und „unfreiwillig“die Hochwasserfreilegung vonseiten der Günz.
Das zuletzt genannte Projekt, das
Weiß während seiner ganzen Amtszeit in vielen positiven, aber auch negativen Facetten begleitete, wurde 1983 vom Gemeinderat auf den Weg gebracht. Dadurch wurde zuerst einmal regional beschränkt die Ausweisung des Gewerbegebietes westlich der Günz und damit die Ansiedlung von Holz Thalhofer möglich.
Die Verwirklichung eines 100-jährigen innerörtlichen Hochwasserschutzes konnte nur in interkommunaler Zusammenarbeit mit anderen betroffenen Gemeinden verwirklicht werden. Die Gründung des Zweckverbandes Hochwasserschutz Günz schuf dazu die Voraussetzung. Zusätzlich zu den bereits abgeschlossenen Hochwasserschutzmaßnahmen innerorts bringen die derzeit schon teilweise im Bau befindlichen fünf Regenrückhaltebecken im Unterallgäu bis südlich der A 96 weitere Sicherheit. Für Weiß war es ein besonderes Erlebnis,
als er beim Hochwasserereignis im Mai 2020 bei Sonnenaufgang auf dem Damm stehend den Erfolg des Hochwasserschutzes für Deisenhausen „in natura“sehen durfte.
Doch das finanziell sehr teure Projekt der Hochwasserfreilegung war in der Gemeinde nicht unangefochten. Leider wurden die Auseinandersetzungen darüber, bedauerte Bürgermeister Weiß, von etlichen Bürgern „angeheizt“und verbale Angriffe, nicht nur gegen ihn, sondern gegen seine ganze Familie, „gingen teilweise unter die Gürtellinie“. Diese Vorgänge waren für ihn schmerzhaft und beeinträchtigten seine gesundheitliche Substanz. In dieser Situation habe ihm der Rückhalt in seiner Familie und vieler Bürger, die aufgrund dieser „infamen“Kampagne gegen ihn vor der letzten Kommunalwahl 2014 zur Nominierungsversammlung kamen und damit ihr Vertrauen in ihn zum Ausdruck brachten, Kraft gegeben. Daneben gab es für Weiß einige Menschen, die ihn bei seiner Arbeit immer wieder unterstützten und denen er deshalb sehr dankbar ist. Zu diesen gehören Landtagsabgeordneter Alfred Sauter, Landrat Hubert Hafner und der frühere Bürgermeister von Ichenhausen Hans Klement. Als Basis für sein Handeln nennt Weiß das Wohl der Gemeinde und die Gleichbehandlung aller Bürger. Wenn ihm ein Anliegen vorgetragen wurde, sollte dieses immer im Sinne aller Bürger betrachtet werden und Entscheidungen allen und nicht nur einem oder wenigen gerecht werden. Wenn er die Mitarbeit seiner Bürger immer wieder einforderte, ging er stets mit gutem Beispiel voran: als Vorstandsmitglied der Dorferneuerung, als Mitglied der Wasserversorgung der Günztalgruppe und des Abwasserzweckverbandes Unteres Günztal, als Vorsitzender der Wasserinteressen-Gemeinschaft Deisenhausen, als Vorsitzender des Schulverbandes Deisenhausen, als Vorsitzender des Gewässer- und Landschaftspflegeverbandes im Landkreis Günzburg, als Vorsitzender und Rechnungsprüfer des Zweckverbandes Hochwasserschutz Günz mit Sitz in Ottobeuren. Daneben hielt er dem Technischen Hilfswerk (THW) 43 Jahre die Treue: als Ortsbeauftragter des THW Krumbach, Baufachberater der THW Regionalstelle Kempten sowie Sprecher im Landesausschuss des THW Bayern für den Geschäftsbereich Kempten.
Bürgermeister Weiß ist sich nicht ganz sicher, ob die Zeit danach ein Ruhestand wird. Denn da gebe es ja noch den erlernten Beruf, Bauplanung und -leitung, der noch immer seine Leidenschaft sei, und in den er sich wieder mehr einbringen möchte. Sein großes Ziel, die Alpenüberquerung habe er sich zum 60sten erfüllt. Dann bleibt noch seine Begeisterung für die Berge: Er freut sich auf Bergwandern, Bergsteigen, Skifahren und auf viele gemütliche Rad- und Motorradtouren mit Freunden.