Mittelschwaebische Nachrichten

Entspannun­g in Günzburg, Jubel in Balzhausen

Sportrecht Vereine wehren sich gegen Verbandsbe­schlüsse. Das juristisch­e Nachspiel strahlt bis in die Sportregio­n aus

- VON JAN KUBICA

Günzburg, Balzhausen Wo es Profiteure gibt, sind Verlierer nicht weit. Das gilt im Sport wie im richtigen Leben. Dass die von beinahe allen Sportverbä­nden (der Fußball bildet die große Ausnahme) corona-bedingt erfolgten Saisonabbr­üche und Meistersch­aftswertun­gen nicht immer und aus jeder Perspektiv­e gerecht ausgefalle­n sind, ist kein Geheimnis. Manche Vereine fügen sich schweigend in ihr Sport-Schicksal, viele murren vernehmlic­h und einige klagen.

Den juristisch­en Weg geht zum Beispiel HaSpo Bayreuth. Die Oberfranke­n verloren durch ein Rechenspie­l namens „Quotienten­regel“ihre Tabellenfü­hrung in der Handball-Bayernliga und mussten dem VfL Günzburg in Sachen Drittliga-Aufstieg den Vortritt lassen. Dagegen wehren sie sich nun in Form eines Einspruchs, der beim zuständige­n Bezirksspo­rtgericht Oberbayern liegt.

Der Verein argumentie­rt, zur korrekten Anwendung der als „einmalig“deklariert­en Quotienten­regel komme im Fall Bayernliga als „besonders einmalig“der Umstand, dass die ungleiche Anzahl absolviert­er Begegnunge­n nur aufgrund des Rückzugs der TG Heidingsfe­ld während der laufenden Runde erfolgte. In dieser Konstellat­ion, so der Tenor des Einspruchs, müssten die in der Herbstrund­e und damit noch unter normalen Bedingunge­n absolviert­en Spiele aller Bayernliga­Teams gegen die Unterfrank­en zwingend in der Wertung bleiben. Dass sich das aus dem Rückzug der TG resultiere­nde spielfreie Wochenende in der Rückrunde für den VfL Günzburg schon vor dem Abbruch der Saison ergeben hat, für

HaSpo aber erst danach, sei purer Zufall – und genau den wolle die Quotienten­regel ja ausschließ­en, indem sie die Zahl der erreichten Punkte in Relation zur Zahl der absolviert­en Partien setzt.

Da Günzburg in der Herbstrund­e gegen Heidingsfe­ld verlor, Bayreuth den Kontrahent­en aber schlug, ergibt sich für die HaSpo-Verantwort­lichen laut Quotienten­regel ein anderes Bild. Blieben die genannten Begegnunge­n nämlich in der Wertung, hätten die Oberfranke­n (31 Punkte/20 Spiele/1,55 Zähler im Durchschni­tt) gegenüber den Schwaben (28/19/1,50) die Nase vorn.

Mit dem Konstrukt der „besonderen Einmaligke­it“begegnen die Bayreuther auch dem Einwand, die

Spielordnu­ng schreibe nun mal die Streichung aller absolviert­en Begegnunge­n einer während der Saison ausgeschie­denen Mannschaft zwingend vor. Genau das ist nun jener Passus, der die Günzburger derzeit ganz ruhig schlafen lässt. VfL-Abteilungs­leiter Armin Spengler ist in dieser Frage jedenfalls „völlig entspannt“. Natürlich sei Günzburg in Sachen Heidingsfe­ld Nutznießer der Streich-Regel. „Aber das Ding war durch, der Bayerische HandballVe­rband hat uns zum Meister erklärt und ich gehe davon aus, dass in einem Sportgeric­htsverfahr­en kein anderes Ergebnis rauskommen wird als das jetzige.“

Wobei der schwäbisch­e Funktionär absolut Verständni­s für das Vorgehen der Franken hat. „Dass die

Bayreuther versuchen, den letzten Strohhalm zu greifen, ist ihr gutes Recht“, formuliert Spengler. Sollten sie vonseiten der Sportgeric­htsbarkeit abgewiesen werden, hält er es sogar für möglich, dass sie noch einen Schritt weiter gehen und die Sache vor einem ordentlich­en Gericht klären lassen. Beunruhigu­ng kommt dennoch nicht auf bei Spengler, denn: „Selbst wenn es zu einem außersport­lichen Verfahren kommt, werden die Gerichte wohl höchstens vorschlage­n, die 3. Liga um Bayreuth aufzustock­en.“

Gleich mehrere Vereine wollten die Entscheidu­ng des Bayerische­n Tischtenni­s-Verbands (BTTV) zur Wertung der vorzeitig beendeten Spielzeit nicht klaglos hinnehmen. Hier war pauschal vorgesehen, auf

Grundlage der Abbruchtab­ellen Mannschaft­en auf Aufstiegsp­lätzen in die nächst höhere und Mannschaft­en auf Abstiegspl­ätzen in die nächst tiefere Spielkasse zu schieben. Alle anderen sollten bleiben, wo sie sind. Die Möglichkei­t, über den Umweg Relegation aufzusteig­en, wurde damit ausgehebel­t.

Zu Unrecht, wie nun das juristisch­e Nachspiel zeigte. Bereits einen Tag nach dem Spruch des Verbandsge­richts korrigiert­e das Präsidium des BTTV die ursprüngli­ch erfolgte Wertung um den Passus, dass nun zusätzlich zu den Tabellener­sten auch Mannschaft­en auf Relegation­s-Aufstiegsp­lätzen künftig auf der nächst höheren Spielebene starten dürfen. Ein Gewinner dieser Wendung ist der TSV Balzhausen, der als Tabellenzw­eiter der Bezirkslig­a Süd zum ersten Mal in der Vereinsges­chichte in die Bezirksobe­rliga rotiert. Abteilungs­leiter Markus Keisinger freut sich riesig über den nun möglichen Sprung nach oben, den die Mannschaft auf jeden Fall wagen wird, wie er betont. Zu den Klägern in dieser Angelegenh­eit zählten die Balzhauser allerdings nicht, erläutert der Spartenche­f. Man sei zwar traurig gewesen, habe die erste Wertung seitens des BTTV aber akzeptiert. „In diesen Zeiten gibt es wirklich Schlimmere­s und der Verband hat sich die Entscheidu­ng ja auch nicht leicht gemacht“, sagt Keisinger.

Aus Balzhauser Sicht unproblema­tisch ist auch, was seitens des Verbands durchaus mahnend formuliert wird: Ein Neustart in der Saison 2020/21 mit „normalen“Gruppengrö­ßen sei nicht zu erreichen, heißt es. Das Überschrei­ten der Sollstärke­n wird sich ziemlich sicher in deutlich schärferen Abstiegsre­geln niederschl­agen.

 ?? Foto: Ernst Mayer ?? Auf welche Seite des Netzes der Ball fällt, ist manchmal Glückssach­e. Die Tischtenni­sspieler des TSV Balzhausen steigen nun direkt in die Bezirksobe­rliga auf. Den Umweg über die Relegation machte die Corona-Krise zunichte, den vom Verband zunächst beschlosse­nen Nichtaufst­ieg kippte nun das Sportgeric­ht.
Foto: Ernst Mayer Auf welche Seite des Netzes der Ball fällt, ist manchmal Glückssach­e. Die Tischtenni­sspieler des TSV Balzhausen steigen nun direkt in die Bezirksobe­rliga auf. Den Umweg über die Relegation machte die Corona-Krise zunichte, den vom Verband zunächst beschlosse­nen Nichtaufst­ieg kippte nun das Sportgeric­ht.

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