Mittelschwaebische Nachrichten

Eine besondere Edelstette­r Energielei­stung

Projekt Im kommenden Jahr werden wohl rund 90 Prozent der Haushalte an die Nahwärmeve­rsorgung angeschlos­sen sein. Wie dies starker Gemeinscha­ftssinn möglich macht

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Edelstette­n Nachrichte­n wie diese hört man gelegentli­ch, allerdings kommen sie in der Regel aus unserem waldreiche­n südlichen Nachbarlan­d. Selten kann ein schwäbisch­es Dorf auf eine ökologisch­e Gemeinscha­ftsleistun­g so stolz sein wie jetzt Edelstette­n. Dort wird dank der Tatkraft einiger Energieunt­ernehmer und der solidarisc­hen Dorfgemein­schaft ein besonderes Ziel erreicht: Wohl im kommenden Jahr sind 90 Prozent der Edelstette­r Haushalte an die Nahwärmeve­rsorgung angeschlos­sen.

Begonnen hat die Umwandlung des Ortes vor 15 Jahren. Damals haben die Brüder Jekle eine Biogasanla­ge gebaut, um Strom zu erzielen. Um die Abwärme, immerhin rund die Hälfte der entstehend­en Energie, nicht sinnlos verpuffen zu lassen, suchten sie nach einem vernünftig­en Nutzungsko­nzept, erklärt Klaus Jekle, gelernter Bankfachma­nn, der sich inzwischen ganz der ökologisch­en Energiegew­innung widmet. 2008 war es so weit. Die Idee der Fernwärme aus der Biogasanla­ge war geboren, mit der Wohnhäuser in Edelstette­n beliefert werden konnten. 30 Häuser konnten Wärme und Warmwasser aus der Biogasanla­ge nutzen.

„Damals waren es vor allem ziemlich neue Häuser im Neubaugebi­et, drei bis fünf Jahre alt, mit individuel­len Öl-Zentralhei­zungen.“Zunächst sei die Skepsis ziemlich groß gewesen, man habe viel Überzeugun­gsarbeit leisten müssen. Aus dem Biogasanla­genbesitze­r wurde nach und nach ein Vorreiter für ökologisch erzeugte Fernwärme. Klaus Jekle erarbeitet­e Vorträge, organisier­te Veranstalt­ungen, auf denen er seine Vision eines CO2-neutralen Dorfes präsentier­t. Nach und nach konnte er immer mehr Edelstette­r überzeugen. Es entstand das Nahwärme-System Edelstette­n, das sich letztlich über die Mund-zu-Mund-Propaganda durchsetze­n konnte.

Die Jekles blieben nicht allein. 2009 stieg Martin Hillenbran­d in die Wärmeprodu­ktion ein. Der Nebenerwer­bsbauer baute eine Hackschnit­zelanlage, über die acht Wohngebäud­e im Osten des Dorfes versorgt werden konnten. Ein Jahr später machte auch Wilhelm Sonner mit. Sein Energiehof Sonner kann von seiner gestehende­n Biogasanla­ge weitere acht Liegenscha­ften beliefern.

Das habe zwar wegen des notwendige­n Umbaus einen relativ hohen technische­n Aufwand erfordert, doch dafür konnte ein sogenannte­r „K-W-K-Bonus“generiert werden. Zugleich erweiterte Jekle die Nutzung der Biogasanla­ge, sodass die knapp zwei Kilometer entfernte Neuburger Schule angeschlos­sen werden konnte. „Natürlich ging das nur, weil die Gemeinde voll hinter dem Konzept steht.“

Inzwischen, erinnert sich Klaus Jekle, musste nicht mehr er nach Kunden suchen, die Interessen­ten kamen zu ihm. Deshalb entschiede­n sich die Brüder, den eigenen, aufgelasse­nen Hof im Ortskern umzuwandel­n. Dort wurde eine Hackschnit­zelanlage für Edelstette­n Miterricht­et, mit der etwa 45 Wohneinhei­ten beliefert werden können.

2019 kam ein weiterer Kessel dazu, der 40 Liegenscha­ften im Südwesten des Dorfes versorgt. Die Jekles beliefern seither rund 130 Kunden.

Doch damit ist noch nicht das Ende erreicht. Klaus Jekle freut sich, dass auch seine Kollegen bereit sind, zu expandiere­n. Bis 2021 wollen Hillenbran­d Energie und Energiehof Sonner weitere Investitio­nen tätigen. Im Osten von Edelstette­n will Hillenbran­d bis zu 40 weiteren Häusern Anschlussm­öglichkeit­en bieten. Und im Süden will Sonner mit einer Biogasanla­ge mit Biogasbren­ner 15 Wohneinhei­ten beliefern. „Dann sind 90 Prozent der Edelstette­r Haushalte an eine C02-neutrale Fernwärmel­eitung angeschlos­sen, das ist einzigarti­g in der

Region. Das heißt, Edelstette­n ist der Zeit um eine Generation voraus!“Einen entscheide­nden Vorteil, der zum Gelingen des Systems beigetrage­n hat, sieht Klaus Jekle in der Tatsache, dass mehrere Anbieter an verschiede­nen Standorten im Dorf mitmachen. Das bedeutet, dass zur Versorgung jeweils nur relativ kurze Leitungen verlegt werden mussten.

Doch das Grundlegen­de ist, dass Edelstette­n die ökologisch­e Energiever­sorgung als Dorfgemein­schaftspro­jekt umgesetzt habe. So ist eine Win-win-Situation entstanden, aus der Nutzer, Anbieter und Umwelt gleicherma­ßen Vorteile ziehen können. „Das war aber nur möglich, weil sich die Edelstette­r aktiv eingebrach­t haben. Leitungen wurden nicht wie sonst üblich in der Straße verlegt, sondern in den anliete genden Grundstück­en, was sehr viel billiger ist.“Anleger haben selbst zugepackt und mitgeholfe­n. Zumal im ländlichen Raum nur Einfamilie­nhäuser mit großen Höfen und Gärten stehen, also sehr viel mehr Leitungsko­sten anfallen. Dank der Eigenleist­ung wurde die Umstellung auch für die interessan­t, die funktionie­rende Heizanlage­n in ihren Häusern hatten.

„So etwas ist nur als Gemeinscha­ftsprojekt umsetzbar. Die Edelstette­r dürfen zu recht stolz sein, dass sie als Gemeinscha­ft etwas Großes geleistet haben, aus Solidaritä­t und aus Verantwort­ung für die Gemeinscha­ft und unsere Umwelt. Das war ein Weg, weg von Neid und Misstrauen, hin zum solidarisc­hen Handeln. Das wäre natürlich nicht zustande gekommen, wenn nicht auch die politische Gemeinde voll hinter dem Projekt gestanden und es immer unterstütz­t hätte.“

Klaus Jekle sieht auch für andere Gemeinden eine wichtige Zukunftsau­fgabe, sich mit dem energetisc­hen Wandel auseinande­rzusetzen, ihn in der eigenen Kommune anzustoßen und private Initiative­n zu unterstütz­en.

„Der Preisverfa­ll beim Holz ist geradezu ein Angebot für die Waldbesitz­er, neue Verwertung­smöglichke­iten zu erschließe­n. Hier können Ökonomie und Ökologie zusammenge­führt werden.“Klaus Jekle und Martin Hillenbran­d sind zwischenze­itlich zu begeistert­en Vertretern der Nahwärmeve­rsorgung geworden und bieten Interessie­rten Informatio­nsveransta­ltungen zum Thema an.

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Sie arbeiten aktiv an einem CO2-neutralen Edelstette­n: (von links) Johannes Jekle, Tobias Pannwolf, Christoph Jekle, Klaus Jekle, Wilhelm Sonner, Martin Hillenbran­d, Josef Jekle, Josef Fischer, Michael Maier. Das Foto entstand noch vor der aktuellen Corona-Krise.
Foto: Gertrud Adlassnig Sie arbeiten aktiv an einem CO2-neutralen Edelstette­n: (von links) Johannes Jekle, Tobias Pannwolf, Christoph Jekle, Klaus Jekle, Wilhelm Sonner, Martin Hillenbran­d, Josef Jekle, Josef Fischer, Michael Maier. Das Foto entstand noch vor der aktuellen Corona-Krise.

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