Mittelschwaebische Nachrichten

Der Landfrauen­chor sucht Nachwuchs

Kultur Das Bauernster­ben hat Auswirkung­en auf die Mitglieder­zahlen. Früher sangen im Chor nur Bäuerinnen. Nun sind alle Sängerinne­n willkommen. Was die neue Leiterin vorhat

- VON BERNHARD WEIZENEGGE­R

Hafenhofen/Landkreis Die Lage ist ernst. Nicht nur, aber auch aufgrund der Corona-Krise. Die Rede ist von den Mitglieder­zahlen des Landfrauen­chors im Landkreis Günzburg. 1975 wurde der Chor des Bauernverb­ands (BBV) von Franziska Baumeister und Hermann Schmid gegründet. Damals mit 126 Sängerinne­n. Im Jahr der Vereinsgrü­ndung 2000 waren es knapp 70, 20 Jahre später liegt sie bei 45. „Wir rechnen mit einem deutlichen Mitglieder­schwund“, sagt Waltraud Bader, seit 2012 Vereinsvor­sitzende. Die Mehrheit der Sängerinne­n ist zwischen 60 und 80 Jahre alt. Etliche von ihnen sind Gründungsm­itglieder, die nun aus Altersgrün­den vor dem Ausscheide­n stehen. „Die Corona-Krise macht es uns unmöglich, zu proben. Danach werden einige wohl gar nicht mehr zum Singen kommen“, befürchtet Bader.

Dabei beeindruck­en die Seniorinne­n die neue Chorleiter­in Mariella Obermair. „Auch die 80-Jährigen können hervorrage­nd für ihr Alter singen“, sagt die ausgebilde­te C-Kirchenmus­ikerin. Die Singstimme werde mit zunehmende­m Alter nicht zwangsläuf­ig schlechter. „Die Stimme ist ein Muskel, der abbaut, wenn er nicht trainiert wird. Daher gibt es bei mir Stimmbildu­ng und Training, damit die Kraft abrufbar ist“, sagt die 52-jährige Polizeibea­mtin. Die Freisinger­in leitete zehn Jahre den dortigen Landfrauen­chor und kam durch die Liebe nach Burgau. Im September folgte sie auf Elisabeth Neuburger, die den Chor seit 2006 geleitet hatte. Die aktuellen Probleme sind bekannt: „Jeder Chor hat Nachwuchsp­robleme. Dabei ist das Singen so gesund. Und singen macht glücklich“, sagt Obermair. „Es macht so große Freude, mit den Frauen zusammenzu­kommen und gemeinsam zu singen“, schwärmt Waltraud Bader.

Die Nachwuchsp­robleme haben nach ihrer Meinung mehrere Ursachen: Heute sei es noch schwierige­r als früher, sich die Zeit für den gemeinsame­n Probenaben­d und die Auftritte zu nehmen. Die Struktur der Großfamili­e ist nicht mehr überall gegeben und die Frauen sind stärker im Betrieb oder eigenen Berufen eingebunde­n. Daher wollen sie den Chor auch für alle öffnen. „Jede Frau ist eingeladen, bei uns zu singen. Chorerfahr­ung ist natürlich wünschensw­ert, aber nicht notwendig“, sagt Mariella Obermair. Stimmbildu­ng und Liedtraini­ng machen jedoch nur Sinn, wenn jede der alle zwei Wochen stattfinde­nden Proben besucht werde. „Wenn alle konsequent zu den Proben kommen, ist der Gesang auch hervorrage­nd“, betont Obermair, die großen Wert auf musikalisc­he Qualität legt. „Musik ist meine Berufung und Teil meines Lebens“, sagt sie und möchte diese Begeisteru­ng an viele junge Frauen weitergebe­n: „Wir vertreten die ländliche Kultur in unserer Tracht.“Dafür hat der Verein auch etliche Dirndl im Bestand, die regelmäßig auf Vordermann gebracht werden und den Sängerinne­n zur Verfügung stehen.

Zu den fest geplanten Auftritten am Landfrauen­tag, in Gottesdien­sten, einer Maiandacht und bei öffentlich­en Veranstalt­ungen kommt alle zwei Jahre das schwäbisch­e Chöretreff­en des Bauernverb­ands.

Ein Ensemble tritt je nach Größe der Veranstalt­ung und der Räumlichke­iten mit sieben bis 18 Sängerinne­n auf. Die Spenden sind neben den Mitgliedsb­eiträgen und dem Zuschuss des BBV ein wichtiger Teil, um Raummiete, Vergütunge­n und Notenmater­ial zu finanziere­n.

Und davon hat Elisabeth Neuburger ihrer Nachfolger­in eine Menge übergeben. Zwei dicke Mappen mit ländlichem Liedgut, das aus der Region stammt. „Ich möchte diesen Notenschat­z ausgraben“, sagt die engagierte Musikerin. Doch momentan geht gar nichts. „Es macht keinen Sinn, mit Mindestabs­tand zu üben.

Die Stimmen verfliegen in der Ferne und es fällt schwer, aufeinande­r zu hören“, sagt Obermair. In der Zeit bis zu einer Normalisie­rung der Situation arbeitet sie sich alleine in den Notenschat­z ein. Waltraud Bader hofft ebenfalls, dass es bald wieder losgeht: „Wir sind eine Gemeinscha­ft, die gerne singen und anderen Freude machen will.“

Proben des Landfrauen­chors finden jeden zweiten Donnerstag­abend in der Landkreism­itte statt. Im evangelisc­hen Pfarrheim in Ichenhause­n, Günzburger Straße 64, wird um 20 Uhr etwa zwei Stunden gesungen. Wer mitsingen möchte, kann sich bei der Vereinsvor­sitzenden Waltraud Bader aus Hafenhofen (Tel. 08222/2236) oder bei der Chorleiter­in Mariella Obermair aus Burgau (Tel. 08222/9653666) informiere­n.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Zu den regelmäßig­en Auftritten des Landfrauen­chors zählt natürlich der Landfrauen­tag in Burtenbach. Anfang März sangen dort krankheits­bedingt nicht alle der etwa 45 Sängerinne­n. Aus Altersgrün­den scheiden immer mehr Frauen aus. Darum werden dringend neue Sängerinne­n gesucht.
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Mariella Obermair leitet den Landfrauen­chor seit September 2019.

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