Mittelschwaebische Nachrichten

Wie zuverlässi­g sind die Corona-Tests?

Virus Warum die Ergebnisse nicht immer stimmen und weniger getestet wird als möglich

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg Im Kampf gegen das Coronaviru­s gibt es viele offene Fragen. Doch immerhin in einem Punkt sind sich Wissenscha­ftler und Politiker einig: Zuverlässi­ge und häufige Tests sind der Schlüssel, um ein halbwegs normales Leben während der Pandemie möglich zu machen. Pharmaunte­rnehmen entwickeln deshalb unter Hochdruck neue Testmethod­en, um die bisherige Diagnostik zu ergänzen. Das Problem: Sie liefern bislang noch zu ungenaue Ergebnisse.

Zu den wichtigste­n Instrument­en gehören die Antikörper­tests. Sie sollen zeigen, ob eine Person sich in der Vergangenh­eit schon einmal mit dem Coronaviru­s angesteckt hat. Damit könnte sie immun sein. Die Schweizer Firma Roche hat kürzlich einen solchen Test auf den Markt gebracht. Aber er liefert noch zu häufig falsch-positive Ergebnisse. Das bedeutet: Ein Mensch wird positiv auf Antikörper getestet, obwohl er das Virus noch gar nicht in sich getragen hat. Die Verlässlic­hkeit ist abhängig von der Zahl der Menschen, die infiziert waren. Bei der aktuellen Zahl an Menschen, die das Virus im Körper hatten, liefert der Test von Roche allerdings ebenso viele falsch-positive Befunde wie richtig-positive. Die Wahrschein­lichkeit, dass ein positiver Befund korrekt ist, liegt also bei gerade einmal 50 Prozent. Immerhin: Ein negativer Befund ist zu 100 Prozent korrekt.

„Falsch-positive Befunde können fatale Konsequenz­en nach sich ziehen. Die betreffend­en Personen glauben, dass sie nicht mehr erkranken können“, sagt Christel Weiß. Sie ist Professori­n für medizinisc­he Statistik an der Universitä­t Heidelberg. „Es ist dann zu befürchten, dass sie sich entspreche­nd verhalten, was Hygiene-Empfehlung­en und Kontaktein­schränkung­en betrifft. Sie setzen sich also einer höheren Gefahr aus, sich zu infizieren“, warnt die Expertin.

Ein weiteres Problem der Diagnostik bleibt, dass die Testkapazi­täten in Deutschlan­d bei weitem nicht voll ausgeschöp­ft werden. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn betonte zwar: „Wir haben mehr getestet als die meisten Länder der Welt. Und trotz sinkender Infektions­zahlen werden immer noch sehr viele Tests gemacht.“Und tatsächlic­h steht Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich ganz gut da. Auf 1000 Einwohner kommen etwa 47 durchgefüh­rte Tests. In einer ähnlichen Größenordn­ung bewegen sich Länder wie die USA und Spanien. Deutlich mehr getestet wird hingegen beispielsw­eise in Portugal (75) und in Italien (60). Und Deutschlan­d hätte eben die Möglichkei­t, viel mehr zu tun. Pro Woche wären laut Robert-Koch-Institut (RKI) über eine Million Tests möglich, durchgefüh­rt wurden aktuell allerdings nur rund 345000. Das liegt daran, dass bislang nur Menschen getestet werden, die Symptome für Covid-19 zeigen oder Kontakt zu einer nachweisli­ch infizierte­n Person hatten. Das sind die Richtlinie­n, die das RKI für die Ärzte festgelegt hat.

Die Politik will diese Regeln jetzt aufweichen. Gesundheit­sminister Spahn hat angekündig­t, auch präventiv zu untersuche­n. Ein Test soll auch unabhängig von Symptomen möglich sein und vor allem in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en zum Einsatz kommen. Der Bundestag hat kürzlich ein Gesetz beschlosse­n, mit dem die gesetzlich­en Krankenkas­sen verpflicht­et werden sollen, für die Tests aufzukomme­n. Die weigerten sich nämlich in der Vergangenh­eit und forderten, die Bekämpfung der Pandemie müsse mit staatliche­n Geldern finanziert werden.

Test soll zeigen, ob Menschen bereits immun sind

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