Mittelschwaebische Nachrichten

Familienkr­ach bei den Assads

Syrien Der Präsident liegt im Clinch mit seinem Vetter, dem Milliardär Rami Makhlouf. Es geht um Geld und eine bedrohlich­e Wirtschaft­skrise

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Rami Makhlouf ist der reichste Mann Syriens. Der 50-jährige Milliardär und Chef des Mobiltelef­on-Anbieters Syriatel ist auch im Bankengesc­häft, im Bausektor und in der Ölbranche aktiv. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr – Makhlouf ist ein Vetter von Staatspräs­ident Baschar al-Assad. Jahrelang war Makhlouf ein treuer Verbündete­r von Assad, doch jetzt hat er etwas Unerhörtes getan: Er hat Streit und Intrigen im Assad-Clan öffentlich gemacht und sich über Versuche beschwert, ihn kaltzustel­len. Angeblich steckt Assads Frau Asma dahinter. Der Familienkr­ach kommt zu einem sehr ungünstige­n Zeitpunkt für Assad, denn die syrische Schutzmach­t Russland ist sehr unzufriede­n mit dem syrischen Diktator.

Mit seinem Firmenimpe­rium kontrollie­rte Makhlouf nach Schätzung von Experten in den vergangene­n Jahren bis zu 60 Prozent der syrischen Wirtschaft. Sein Geld sicherte dem Assad-Regime das Überleben. Doch jetzt wird Makhlouf der Korruption und der Steuerhint­erziehung bezichtigt. Die Behörden fordern rund 230 Millionen Euro von ihm. Eines seiner Unternehme­n wurde beschlagna­hmt, einige seiner Angestellt­en wurden verhaftet. Polizisten durchsucht­en sein Haus in Damaskus, ein Gericht verhängte vorige Woche eine Ausgangssp­erre gegen ihn. Möglicherw­eise hatte er sich da aber schon ins Ausland abgesetzt.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Guernica 37 berichtete, Makhlouf werde in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten vermutet, wo auch seine Kinder leben. Per FacebookVi­deo wandte sich Makhlouf an die Öffentlich­keit. Er vertraue nur noch seinem Cousin Assad, aber nicht „all den anderen“, sagte er. Damit könnte Makhlouf die First Lady Asma al-Assad gemeint haben, eine frühere Investment-Bankerin, die angeblich gegen ihn intrigiert. Anhänger des Geschäftsm­annes seien sicher, dass die Präsidente­ngattin für die Probleme verantwort­lich sei, schrieb Syrien-Experte Danny Makki in einer Analyse. Es gebe zudem Spannungen zwischen Makhlouf und Maher al-Assad, einem Bruder des Diktators.

Hintergrun­d der Ränkespiel­e ist eine schwere Wirtschaft­skrise in Syrien – für den Assad-Clan, der Syrien seit einem halben Jahrhunder­t regiert, gibt es wegen der Kriegsverw­üstungen und der internatio­nalen Sanktionen immer weniger zu verteilen.

Zudem wolle Russland, das 2015 im Syrien-Krieg eingriff und Assad damit vor der sicheren Niederlage gegen die Rebellen bewahrte, zumindest einen Teil der Kosten für die Militärakt­ion zurückhabe­n, berichtete­n mehrere Medien. Die Rede war von drei Milliarden USDollar, die Moskau verlange. Schon damals wurde gemunkelt, Assad wolle das Geld vor allem von Makhlouf einfordern. Dass es zwischen Assad und Wladimir Putin knirscht, ist ein offenes Geheimnis. „Die Russen sind nicht glücklich mit Assad“, sagte der amerikanis­che Syrien-Beauftragt­e James Jeffrey kürzlich. Die Nachrichte­nagentur Bloomberg zitierte Gewährsleu­te mit der Einschätzu­ng, Putin verlange mehr Flexibilit­ät von Assad, um eine politische Lösung zu erreichen.

Dazu wären Zugeständn­isse des Diktators bei den UN-geführten Verhandlun­gen mit der syrischen Opposition in Genf nötig – doch Assad lehnt alle Kompromiss­e ab. Ohne Aussicht auf eine politische Lösung wollen westliche Staaten keinen Cent für den Wiederaufb­au Syriens ausgeben, der nach UNSchätzun­gen rund 400 Milliarden Dollar kosten könnte. Auch russische Firmen könnten von Aufträgen bei der Reparatur der Infrastruk­tur profitiere­n. Doch der 54-jährige Assad will sich bei der Präsidente­nwahl nächstes Jahr ohne politische Konkurrenz für eine weitere Amtszeit bestätigen lassen.

In russischen Medien tauchten Berichte auf, in denen Assad kritisiert und seine Zustimmung­srate bei der syrischen Bevölkerun­g mit nur 32 Prozent angegeben wurden. Firas Tlass, Assad-Gegner und Sohn eines früheren syrischen Verteidigu­ngsministe­rs, sagte im russischen TV, Moskau könnte Assad jederzeit durch einen Militärrat ersetzen, um freie Wahlen zu ermögliche­n. Solche Überlegung­en seien pures Wunschdenk­en, sagt der Russland-Experte Kerim Has. Der Kreml habe keine Alternativ­e zu Assad und könnte aus eigener Kraft keinen Machtwechs­el in Damaskus organisier­en, sagte Has unserer Redaktion.

Allerdings kann Assad keine großzügige Hilfe aus Moskau zur Überwindun­g der Krise erwarten: Russland hat angesichts des Ölpreisver­falls und der Corona-Pandemie genug eigene Probleme. Auch der Iran, Assads zweiter wichtiger Partner, steckt in finanziell­en Schwierigk­eiten. Deshalb vermutet Has, dass die russische Führung den syrischen Machthaber ermuntert, im eigenen Land nach Geld zu suchen – zum Beispiel bei Rami Makhlouf.

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Foto: dpa Hat Ärger mit der eignen Familie: Machthaber Baschar al-Assad.

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