Mittelschwaebische Nachrichten

„Ich leide mit denen immer mit“

Interview Markus Wasmeier hätte Verständni­s für die Verschiebu­ng der Ski-WM. Der zweimalige Olympiasie­ger sieht für die kommende Saison die erfahrenen Athleten im Vorteil. Außerdem: Warum in der Schweiz 300 000 Franken nicht viel Geld sind

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Im Frühsommer sorgt der alpine Skisport für Schlagzeil­en. Zuerst der Streit um die Kosten für die Lauberhorn­rennen in der Schweiz, dann die geplante Verschiebu­ng der Ski-WM vom kommenden Winter ins Jahr 2022. Grund ist hier die Corona-Krise. Wie haben Sie das wahrgenomm­en? Markus Wasmeier: In Zeiten von Corona wird es vieles geben, was man sich vorher nicht vorstellen konnte. Aber du kannst es ja nicht ändern. Das Problem in Italien ist, dass sich dort bis Juli gar nichts tun wird. So eine Veranstalt­ung muss sich auch wirtschaft­lich tragen. Wenn das alles unsicher ist, ist es nachvollzi­ehbar, die WM zu verschiebe­n. Der Weltverban­d Fis weiß ja noch gar nicht, ob überhaupt Wettbewerb­e stattfinde­n werden. Die Vorbereitu­ng der Fahrer läuft in den verschiede­nen Ländern komplett unterschie­dlich ab. Das wird eine ganz ungewöhnli­che Saison werden, die vielleicht sogar ohne Zuschauer stattfinde­t.

Ist es im alpinen Skiweltcup überhaupt vorstellba­r, dass die Veranstalt­er auf die Zuschauere­innahmen verzichten? Wasmeier: Das ist das Hauptprobl­em. Natürlich brauchen die Veranstalt­er diese Einnahmen. Allerdings betrifft das nicht alle Orte gleicherma­ßen. Kitzbühel zum Beispiel vermarktet sich selbst. Der dortige Skiklub verkauft selbst die Fernsehrec­hte. Denen tut es also nicht ganz so weh, wenn mal keine 50000 dastehen – obwohl das natürlich ein Wahnsinn wäre. Ich glaube aber nicht, dass du Skirennen mit ihren riesigen Außenfläch­en derart einbremsen musst. Ich bezweifle, dass das ein Thema wird, und bin optimistis­ch, dass es bis zum Winter eine Lösung gibt. Wenn nicht, müssen wir eben in den sauren Apfel beißen – es wird ja kein Dauerzusta­nd für die nächsten 100 Jahre. Ich gehe davon aus, dass die Menschheit wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehr­t.

Den Athleten dürfte es egal sein, ob Publikum da ist...

Wasmeier: Den Skifahrern ist es Wurscht, ob Zuschauer da sind oder nicht. Beim Fahren kriegen die eh nix mit und es geht nur darum, der Schnellste zu sein. Klar war es für mich schön, wenn Leute da waren. Aber rund ums Rennen versuchst du immer, alle Einflüsse von außen auszublend­en.

Bleibt die Sorge, dass mancher Veranstalt­er passen muss, weil er ohne die Zuschauere­innahmen ein Minus schreiben würde.

Wasmeier: Das stimmt. Das ist das Problem der Kleinen. Der Weltcupkal­ender steht ja schon. Das wird noch sehr spannend.

Durch die Verschiebu­ng der Weltmeiste­rschaft auf März 2022 finden die WM-Rennen nur wenige Wochen nach den olympische­n Rennen statt. Entwertet das die WM?

Wasmeier: Nein. Der neue Termin ist sicherlich kein Nachteil. Skifahrer trainieren ja anders als Ausdauersp­ortler wie zum Beispiel die Biathleten oder Langläufer. Die konzentrie­ren sich viel mehr auf einen Termin, um dann topfit zu sein. Das machen die Alpinen nicht. Da versuchst du gleich von Anfang an dabei zu sein, denn das gibt dir den Schwung durch die Saison. Da kann man nicht auf ein einziges Rennen hintrainie­ren. Da willst du immer vorne dabei sein und dann ist es egal, ob auf der Medaille Olympische Spiele oder Weltmeiste­rschaft draufsteht. Vielleicht tun sich manche sogar leichter bei einer WM, die in dem Winter nicht ganz so präsent ist. Es ist dann viel eher ein Rennen wie jedes andere.

Halten Sie es für Wettbewerb­sverzerrun­g, dass manche Nationen schon wieder auf Schnee trainieren, andere (zum Beispiel Deutschlan­d) noch nicht?

Wasmeier: Ja, durchaus. Darunter werden vor allem junge Fahrer leiden. Die Pinturault­s oder Kristoffer­sens sind schon so weit, dass sie auch mit wenig Training sofort wieder an der Weltspitze stehen. Das hat man am besten am Felix Neureuther gesehen: Je weniger er vorbereite­t war, desto besser ist er gefahren. Die verlieren nichts. Du kannst halt keine Materialte­sts machen, aber so schlecht waren die Ski vom letzten Jahr auch nicht.

In Wengen ging der Streit ums Geld. Die Veranstalt­er vor Ort wollten mehr Geld, insgesamt fünf Millionen Franken, vom Schweizer Skiverband. Der aber sperrte sich und wollte die Lauberhorn­rennen zwischenze­itlich sogar aus dem Weltcupkal­ender streichen ... Wasmeier: Der Streit geht ja schon länger. Und ich verstehe, dass die in Wengen mehr Geld wollen. Die Örtlichkei­ten sind eigentlich ein Albtraum für jeden Organisato­r. Alles muss da mit dem Hubschraub­er und der Zahnradbah­n nach oben gebracht werden. Respekt, was die da jedes Jahr machen – und dann ist am Renntag schlechtes Wetter und alles fällt aus. Ich leide mit denen immer mit.

Sie halten die Forderunge­n also für nachvollzi­ehbar?

Wasmeier: Der Verband hat angefangen, mit dem Gießkannen­prinzip jedem gleichbere­chtigt Geld zu geben. Da oben in Wengen ist die Organisati­on aber weitaus schwierige­r als überall anders. Und dann ist klar, dass die das nicht gut finden.

Haben Sie sich ernsthaft Sorgen um die Rennen gemacht?

Wasmeier: Ich kenne die Schweizer.

Die wollen ihre Traditione­n bewahren. Deshalb hätte ich es mir nur schwer vorstellen können. Ich glaube, beide Seiten sind ans Limit gegangen – dann kann alles passieren. Mein Gefühl ist, dass der Schweizer Verbandsch­ef Urs Lehmann eine härtere Gangart eingelegt hat. Er hat Swiss-Ski aber auch extrem nach vorne gebracht.

Der Streit endete erst, als ein Privatmann 300 000 Franken spendete. Wasmeier: Ich bin viel in der Schweiz unterwegs und 300000 Franken sind da gar nichts. Wenn einer drei Millionen spendet, kann ich mir vorstellen, ist das eine Hilfe. Für 300 000 kannst ja gerade die Brotzeit und ein paar Übernachtu­ngen für die Helfer zahlen. Da werden sicher noch mehr Spender kommen, denn mit 300000 Franken wird es nicht getan sein. Trotzdem ist diese Spende ein wichtiges Zeichen der Anerkennun­g für die Veranstalt­er.

Interview: Andreas Kornes

● Markus Wasmeier, 56, gewann bei den Olympische­n Spielen 1994 zwei Goldmedail­len. Anschließe­nd arbeitete er als TVExperte. Seit 2007 betreibt er ein Freilichtm­useum in Schliersee.

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