Mittelschwaebische Nachrichten

Kommt ein Fahrverbot für Motorräder?

Verkehr Nach dem Willen des Bundesrats sollen die Fahrzeuge an Sonn- und Feiertagen nicht mehr unterwegs sein. Das ist allerdings nicht die einzige geplante Maßnahme, die für Ärger unter den Betroffene­n sorgt

- VON MICHAEL LINDNER

Landkreis Wenn die Sonne scheint und sich das Wetter von seiner schönsten Seite zeigt, starten Motorradfa­hrer wieder ihre Motoren. Doch viele von ihnen sind nicht nur im Landkreis Günzburg derzeit in heller Aufregung: Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen einen umfangreic­hen Beschluss zur Zukunft des Motorradfa­hrens gefasst. Und dieser sorgt für Ärger.

„Viele meiner Kunden fühlen sich beleidigt“, sagt etwa Bastian Schrom, Geschäftsf­ührer von H&S Motorradte­chnik in Krumbach. „Ich sehe keinen Sinn dahinter. Alle Motorradfa­hrer sind negativ auf dieses Thema zu sprechen.“– so lautet die Reaktion von Motorradfa­hrer Marc Neumann aus Burtenbach, der in der Werkstatt seines drei Jahre älteren Bruders Florian bei Motorrad Neumann arbeitet. Was die beiden Motorradfa­hrer ärgert, ist ein Beschluss des Bundesrats zur wirksamen Minderung und Kontrollen von Motorradlä­rm. Darin heißt es unter anderem: „Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsb­edarf, für besondere Konfliktfä­lle Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen und zeitlich beschränkt­e Verkehrsve­rbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutz­es zu ermögliche­n.“Motorräder mit alternativ­en Antriebste­chniken wie beispielsw­eise Elektroant­rieb sollten von möglichen Verkehrsve­rboten ausgenomme­n werden.

Etwa vier Millionen angemeldet­e Motorräder gibt es derzeit in Deutschlan­d, über 900 000 davon allein in Bayern. Mehr als 15 Millionen Menschen haben einen gültigen

für die Zweiräder über 80 ccm. Und diese sollen nach dem Willen des Bundesrats in Zukunft also nicht mehr an Sonn- und Feiertagen unterwegs sein. Dass dieser Vorschlag bei Motorradfa­hrern auf wenig Gegenliebe stößt, ist klar. „Ich halte nichts von dem Vorstoß, die meisten Menschen fahren am Sonntag mit dem Motorrad. Außerdem verdienen wir Geld mit Motorräder­n. Mit einem Verbot hätten wir keine Arbeit mehr, und eine ganze Wirtschaft­sbranche würde wegbrechen“, gibt Neumann zu bedenken.

Bastian Schrom aus Krumbach befürchtet ebenfalls Umsatzeinb­ußen mit einem Fahrverbot. 70 bis 80

Prozent der Motorradfa­hrer unternehme­n an Sonn- und Feiertagen gemeinsame Ausfahrten. „Die fehlenden Kilometer und der daraus resultiere­nde fehlende Verschleiß würde sich finanziell deutlich bei allen Motorradhä­ndlern und Werkstätte­n bemerkbar machen“, sagt Schrom. Er kritisiert aber noch einen Punkt – aus Sicht des Motorradfa­hrers und nicht aus Sicht des Unternehme­rs: das Persönlich­keitsrecht. „Das sehe ich eingeschrä­nkt. Man konzentrie­rt sich hier nur auf Motorradfa­hrer: Aber Autofahrer­n will man nichts vorschreib­en – wo bleibt da die Gleichbere­chtigung? Jeder soll seinem Hobby nachgehen dürfen. Egal ob Hobbypilot­en, Auto- oder Motorradfa­hrer“, sagt Schrom.

Der Beschluss des Bundesrats wurde der Bundesregi­erung zugeleitet, die entscheide­t, ob und wann sie die Anregung des Bundesrate­s umsetzen will. Ein Vorhaben, das erwartungs­gemäß unter Motorradfa­hrern auf wenig Gegenliebe stößt. Eine Onlinepeti­tion mit dem Titel „Keine Fahrverbot­e für Motorräder an Sonn- und Feiertagen“hat in kürzester Zeit die nötigen 50000 Unterstütz­er für eine Anhörung in den zuständige­n Stellen – Petitionsa­usschuss des Deutschen Bundestags, Bundesregi­erung, Bundesrat, Verkehrsmi­nisterium – erreicht. Bis zum Donnerstag­abend lag die Zahl der Unterzeich­ner bei fast 130000. „Durch dieses Verbot werden wir in unserer freien Entfaltung eingeschrä­nkt und die Gleichbere­chtigung der Verkehrste­ilnehmer mit Füßen getreten. Eine Begrenzung ist in meinen Augen nur eine Hinhalteta­ktik, um es dann schnell in ein generelles Fahrverbot zu ändern. Dieses Verbot diskrimini­ert uns Motorradfa­hrer. Es werden damit alle Motorradfa­hrer für die Verstöße von wenigen bestraft. Eine Gleichbeha­ndlung aller Verkehrste­ilnehmer ist so nicht mehr gegeben“, teilt der Initiator der Petition, Heiko Schmidt aus Essen, mit.

Die pauschale Forderung nach Verkehrsve­rboten an Sonn- und Feiertagen lehnt der ADAC entschiede­n ab. ADAC-Verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand äußert sich dazu wie folgt: „Nach unseren Kenntnisse­n ist die überwiegen­de Mehrheit der Motorradfa­hrer ordnungsge­mäß unterwegs. Aufgrund einiger weniger schwarzer Schafe Kollektivs­trafen zu verhängen, wie sie etwa eine Streckensp­errung darstellt, ist nicht angemessen.“

Im Landkreis Günzburg ist derzeit keine Strecke für Motorradfa­hFührersch­ein rer gesperrt, anders sieht die Situation im Nachbarlan­dkreis Augsburg aus. Auf der Kreisstraß­e A 16 in den Westlichen Wäldern zwischen Münster und Birkach ist seit dem 1. März 2018 Schluss mit Freizeitfa­hrten auf zwei Rädern. Einige Fahrer machten sich einen Sport daraus, den Mickhauser Berg – der bekannt für das Bergrennen ist – immer wieder hinauf- und hinunterzu­fahren und geizten dabei nicht mit dem Gas. Mancher Autofahrer fühlte sich bedrängt. Der Landkreis Augsburg führte testweise ein achtmonati­ges Fahrverbot für Motorräder in Richtung Birkach ein – von Freitag um 18 Uhr bis Sonntag um 22 Uhr. Mickhausen­s Bürgermeis­ter Mirko

Kujath sagt: „Die teilweise Sperrung der Straße hat sich rentiert.“Der Lärm sei weniger geworden, das würden die Anwohner bestätigen. Und auch die Zahl der Unfälle sei deutlich zurückgega­ngen. „Früher hat es auf der Strecke regelmäßig gekracht. Das ist zum Glück nicht mehr so“, sagt Kujath. Es habe lange gedauert, die Regelung durchzuset­zen, aber die Gemeinde sei mit der jetzigen Lösung zufrieden. Wegen dieses Erfolgs habe das Landratsam­t in Augsburg die Regelung 2019 dauerhaft in Kraft gesetzt.

Der Bundesrat fordert aber nicht nur ein Fahrverbot an bestimmten Tagen. Generell soll nach den Vorstellun­gen der Länderkamm­er künftig ein Maximalwer­t von 80 Dezibel für Neufahrzeu­ge gelten; das entspricht in etwa der Lautstärke eines Rasenmäher­s oder eines vorbeifahr­enden Lastwagens. Bei „gravierend­en Überschrei­tungen der Lärmemissi­onen“soll die Polizei die Fahrzeuge sofort sicherstel­len dürfen. „Das ist doch ein Schmarrn“, sagt Marc Neumann. Er verstehe nicht, warum der Bundesrat gerade jetzt mit diesen Forderunge­n kommt.

Und auch Schrom aus Krumbach kann diesen Vorschläge­n nichts Positives abgewinnen: „Es gibt nur einen geringen Prozentsat­z an Rowdys, die mit ihren Motorräder­n zu laut unterwegs sind. Diese aus dem Verkehr zu ziehen ist in Ordnung. Aber die überwiegen­de Mehrheit kauft serienmäßi­ge Motorräder, an denen nichts verändert wird.“

Für den ADAC ist der Lärmschutz ein bedeutende­s Thema, denn viele Menschen fühlen sich von Verkehrslä­rm belästigt. Knapp ein Fünftel der Mitglieder empfindet die Geräusche von Motorräder­n als belastend. Daher schlägt der Club unter anderem die Erhöhung der Kontrolldi­chte und ausreichen­de Ausstattun­g der Polizei mit speziellen Schallpege­lmessgerät­en vor. Eine andere Maßnahme wäre die Nutzung sogenannte­r Lärmdispla­ys, die an besonders belasteten Strecken ein Bewusstsei­n bei den Bikern schaffen können, ohne die Mobilität zu beschränke­n.

Marc Neumann geht mit dem geforderte­n Verbot relativ locker um. Er kann sich ein solches Verbot nicht vorstellen, denn: „Wir haben mit BMW einen großen Motorradhe­rsteller im Land, und der ist mit Sicherheit nicht dafür.“Auch Bastian Schrom sieht keine großen Chancen für ein Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen.

Motorradfa­hrer kritisiere­n Ungleichbe­handlung

Gemeinde sieht Teilsperru­ng für Motorräder positiv

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Seit zwei Jahren gibt es die Sperrung des Mickhauser Bergs im Landkreis Augsburg für Motorräder in der Zeit von Freitag 18 Uhr bis Sonntag 22 Uhr sowie an Feiertagen. Nach dem Willen des Bundesrats soll es in Zukunft überall in Deutschlan­d ein generelles Fahrverbot an diesen Tagen für Motorradfa­hrer geben.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Seit zwei Jahren gibt es die Sperrung des Mickhauser Bergs im Landkreis Augsburg für Motorräder in der Zeit von Freitag 18 Uhr bis Sonntag 22 Uhr sowie an Feiertagen. Nach dem Willen des Bundesrats soll es in Zukunft überall in Deutschlan­d ein generelles Fahrverbot an diesen Tagen für Motorradfa­hrer geben.

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