Mittelschwaebische Nachrichten
Kommt ein Fahrverbot für Motorräder?
Verkehr Nach dem Willen des Bundesrats sollen die Fahrzeuge an Sonn- und Feiertagen nicht mehr unterwegs sein. Das ist allerdings nicht die einzige geplante Maßnahme, die für Ärger unter den Betroffenen sorgt
Landkreis Wenn die Sonne scheint und sich das Wetter von seiner schönsten Seite zeigt, starten Motorradfahrer wieder ihre Motoren. Doch viele von ihnen sind nicht nur im Landkreis Günzburg derzeit in heller Aufregung: Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen einen umfangreichen Beschluss zur Zukunft des Motorradfahrens gefasst. Und dieser sorgt für Ärger.
„Viele meiner Kunden fühlen sich beleidigt“, sagt etwa Bastian Schrom, Geschäftsführer von H&S Motorradtechnik in Krumbach. „Ich sehe keinen Sinn dahinter. Alle Motorradfahrer sind negativ auf dieses Thema zu sprechen.“– so lautet die Reaktion von Motorradfahrer Marc Neumann aus Burtenbach, der in der Werkstatt seines drei Jahre älteren Bruders Florian bei Motorrad Neumann arbeitet. Was die beiden Motorradfahrer ärgert, ist ein Beschluss des Bundesrats zur wirksamen Minderung und Kontrollen von Motorradlärm. Darin heißt es unter anderem: „Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen.“Motorräder mit alternativen Antriebstechniken wie beispielsweise Elektroantrieb sollten von möglichen Verkehrsverboten ausgenommen werden.
Etwa vier Millionen angemeldete Motorräder gibt es derzeit in Deutschland, über 900 000 davon allein in Bayern. Mehr als 15 Millionen Menschen haben einen gültigen
für die Zweiräder über 80 ccm. Und diese sollen nach dem Willen des Bundesrats in Zukunft also nicht mehr an Sonn- und Feiertagen unterwegs sein. Dass dieser Vorschlag bei Motorradfahrern auf wenig Gegenliebe stößt, ist klar. „Ich halte nichts von dem Vorstoß, die meisten Menschen fahren am Sonntag mit dem Motorrad. Außerdem verdienen wir Geld mit Motorrädern. Mit einem Verbot hätten wir keine Arbeit mehr, und eine ganze Wirtschaftsbranche würde wegbrechen“, gibt Neumann zu bedenken.
Bastian Schrom aus Krumbach befürchtet ebenfalls Umsatzeinbußen mit einem Fahrverbot. 70 bis 80
Prozent der Motorradfahrer unternehmen an Sonn- und Feiertagen gemeinsame Ausfahrten. „Die fehlenden Kilometer und der daraus resultierende fehlende Verschleiß würde sich finanziell deutlich bei allen Motorradhändlern und Werkstätten bemerkbar machen“, sagt Schrom. Er kritisiert aber noch einen Punkt – aus Sicht des Motorradfahrers und nicht aus Sicht des Unternehmers: das Persönlichkeitsrecht. „Das sehe ich eingeschränkt. Man konzentriert sich hier nur auf Motorradfahrer: Aber Autofahrern will man nichts vorschreiben – wo bleibt da die Gleichberechtigung? Jeder soll seinem Hobby nachgehen dürfen. Egal ob Hobbypiloten, Auto- oder Motorradfahrer“, sagt Schrom.
Der Beschluss des Bundesrats wurde der Bundesregierung zugeleitet, die entscheidet, ob und wann sie die Anregung des Bundesrates umsetzen will. Ein Vorhaben, das erwartungsgemäß unter Motorradfahrern auf wenig Gegenliebe stößt. Eine Onlinepetition mit dem Titel „Keine Fahrverbote für Motorräder an Sonn- und Feiertagen“hat in kürzester Zeit die nötigen 50000 Unterstützer für eine Anhörung in den zuständigen Stellen – Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags, Bundesregierung, Bundesrat, Verkehrsministerium – erreicht. Bis zum Donnerstagabend lag die Zahl der Unterzeichner bei fast 130000. „Durch dieses Verbot werden wir in unserer freien Entfaltung eingeschränkt und die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer mit Füßen getreten. Eine Begrenzung ist in meinen Augen nur eine Hinhaltetaktik, um es dann schnell in ein generelles Fahrverbot zu ändern. Dieses Verbot diskriminiert uns Motorradfahrer. Es werden damit alle Motorradfahrer für die Verstöße von wenigen bestraft. Eine Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer ist so nicht mehr gegeben“, teilt der Initiator der Petition, Heiko Schmidt aus Essen, mit.
Die pauschale Forderung nach Verkehrsverboten an Sonn- und Feiertagen lehnt der ADAC entschieden ab. ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand äußert sich dazu wie folgt: „Nach unseren Kenntnissen ist die überwiegende Mehrheit der Motorradfahrer ordnungsgemäß unterwegs. Aufgrund einiger weniger schwarzer Schafe Kollektivstrafen zu verhängen, wie sie etwa eine Streckensperrung darstellt, ist nicht angemessen.“
Im Landkreis Günzburg ist derzeit keine Strecke für MotorradfahFührerschein rer gesperrt, anders sieht die Situation im Nachbarlandkreis Augsburg aus. Auf der Kreisstraße A 16 in den Westlichen Wäldern zwischen Münster und Birkach ist seit dem 1. März 2018 Schluss mit Freizeitfahrten auf zwei Rädern. Einige Fahrer machten sich einen Sport daraus, den Mickhauser Berg – der bekannt für das Bergrennen ist – immer wieder hinauf- und hinunterzufahren und geizten dabei nicht mit dem Gas. Mancher Autofahrer fühlte sich bedrängt. Der Landkreis Augsburg führte testweise ein achtmonatiges Fahrverbot für Motorräder in Richtung Birkach ein – von Freitag um 18 Uhr bis Sonntag um 22 Uhr. Mickhausens Bürgermeister Mirko
Kujath sagt: „Die teilweise Sperrung der Straße hat sich rentiert.“Der Lärm sei weniger geworden, das würden die Anwohner bestätigen. Und auch die Zahl der Unfälle sei deutlich zurückgegangen. „Früher hat es auf der Strecke regelmäßig gekracht. Das ist zum Glück nicht mehr so“, sagt Kujath. Es habe lange gedauert, die Regelung durchzusetzen, aber die Gemeinde sei mit der jetzigen Lösung zufrieden. Wegen dieses Erfolgs habe das Landratsamt in Augsburg die Regelung 2019 dauerhaft in Kraft gesetzt.
Der Bundesrat fordert aber nicht nur ein Fahrverbot an bestimmten Tagen. Generell soll nach den Vorstellungen der Länderkammer künftig ein Maximalwert von 80 Dezibel für Neufahrzeuge gelten; das entspricht in etwa der Lautstärke eines Rasenmähers oder eines vorbeifahrenden Lastwagens. Bei „gravierenden Überschreitungen der Lärmemissionen“soll die Polizei die Fahrzeuge sofort sicherstellen dürfen. „Das ist doch ein Schmarrn“, sagt Marc Neumann. Er verstehe nicht, warum der Bundesrat gerade jetzt mit diesen Forderungen kommt.
Und auch Schrom aus Krumbach kann diesen Vorschlägen nichts Positives abgewinnen: „Es gibt nur einen geringen Prozentsatz an Rowdys, die mit ihren Motorrädern zu laut unterwegs sind. Diese aus dem Verkehr zu ziehen ist in Ordnung. Aber die überwiegende Mehrheit kauft serienmäßige Motorräder, an denen nichts verändert wird.“
Für den ADAC ist der Lärmschutz ein bedeutendes Thema, denn viele Menschen fühlen sich von Verkehrslärm belästigt. Knapp ein Fünftel der Mitglieder empfindet die Geräusche von Motorrädern als belastend. Daher schlägt der Club unter anderem die Erhöhung der Kontrolldichte und ausreichende Ausstattung der Polizei mit speziellen Schallpegelmessgeräten vor. Eine andere Maßnahme wäre die Nutzung sogenannter Lärmdisplays, die an besonders belasteten Strecken ein Bewusstsein bei den Bikern schaffen können, ohne die Mobilität zu beschränken.
Marc Neumann geht mit dem geforderten Verbot relativ locker um. Er kann sich ein solches Verbot nicht vorstellen, denn: „Wir haben mit BMW einen großen Motorradhersteller im Land, und der ist mit Sicherheit nicht dafür.“Auch Bastian Schrom sieht keine großen Chancen für ein Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen.
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