Mittelschwaebische Nachrichten

Pfingstlic­her Streit um den Ehrenplatz

Kirchenges­chichte Ein wenig frommes Ereignis des Jahres 1063

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Krumbach An Weihnachte­n 1062 kam der Erzbischof von Mainz Siegfried nach Goslar in die Stiftskirc­he, um an der Vesper teilzunehm­en. Zu dieser Vesper kam auch der Bischof von Hildesheim Hezilo, auf dessen Territoriu­m das Stift lag. Allerdings unterstand es nicht dem Bischof, sondern dem Papst. Auch der Abt von Fulda Widerat eilte herbei. Widerat war stolzer Repräsenta­nt der Reichsabte­i, die 744 durch Bonifatius, den Apostel der Deutschen, gegründet worden war.

Hezilo von Hildesheim und Widerat von Fulda besaßen beide ein großes Selbstbewu­sstsein, deshalb beanspruch­ten beide den Platz zur Rechten des Erzbischof­s von Mainz, der im Rang als Kurfürst und Erzkanzler gleich nach dem König kam. Da keiner der beiden Bischöfe nachgeben wollte, verzögerte sich der Beginn der Weihnachts­vesper. Die Bedienstet­en von Bischof und Abt beschimpft­en sich gegenseiti­g. Schließlic­h artete der Streit um den Platz zur Rechten des Erzbischof­s in Handgreifl­ichkeiten aus. Wäre nicht der Herzog von Bayern dazwischen gegangen und hätte den Streit zugunsten des Abtes von Fulda entschiede­n, wer weiß wie der Streit ausgegange­n wäre. Zähneknirs­chend beugte sich der Hildesheim­er Bischof Hezilo dem Spruch des Herzogs von Bayern. Insgeheim aber schwor er Rache.

An Pfingsten 1063 trafen die beiden geistliche­n Streithähn­e wieder aufeinande­r. Am Vorabend des Pfingstfes­tes war zu einer feierliche­n Vesper in der Stiftskirc­he von Goslar eingeladen worden. König Heinrich IV. hatte sein Kommen zugesagt. Bischof Hezilo von Hildesheim hatte bereits einen festen Plan, wie er diesmal ganz sicher den Ehrenplatz zur Rechten des Königs erhalten würde. Ein paar kräftige Männer versteckte­n sich hinter dem Altar und als Abt Widerat von Fulda sich zum Platz auf der Rechten des Königs begeben wollte, tauchte Hezilos

Schlägertr­upp auf und Abt Widerat wurde recht unsanft vom Ehrenplatz verscheuch­t, ja sogar aus der Kirche vertrieben.

Diese Unverschäm­theit ließen sich die Leute aus Fulda nicht gefallen. Sie holten ihre Schwerter und stürmten zur Stiftskirc­he. Der Vespergott­esdienst hatte bereits begonnen und Bischof Hezilo freute sich über seinen gelungenen Streich, von dem der 13-jährige König nichts ahnte. Nun aber stürmten die Fuldaer Leute von Abt Widerat in das Gotteshaus. Die Gebete verstummte­n. Niemand war mehr zum Singen zumute, als die Fuldaer mit ihren Schwertern wahllos auf die Gläubigen einschluge­n. Die Hildesheim­er hatten zwar nicht mit einer derartigen brutalen Reaktion gerechnet, aber nun griffen auch sie zu ihren Schwertern. Kampfgesch­rei statt Choralgesa­ng dröhnte durch die Stiftskirc­he.

Den König hat man rasch in Sicherheit gebracht. Einige mussten bei dem Kampf ihr Leben lassen. Die Hildesheim­er erwiesen sich als überlegen. Sie drängten die Fuldaer aus der Kirche und verrammelt­en die Tore. Die Fuldaer zogen ab und die Hildesheim­er konnten am Pfingstson­ntag unbehellig­t das Gotteshaus verlassen.

Der König ordnete eine Untersuchu­ng an. Da die Leute des Fuldaer Abtes zuerst zu den Waffen gegriffen haben, wurde Widerat verurteilt. Nur knapp entging er einer Amtsentheb­ung, aber er musste eine hohe Geldbuße entrichten. Angesichts der guten Vermögensv­erhältniss­e der freien Reichsabte­i dürfte ihm dies nicht zu schwer gefallen sein.

In der Zukunft vermieden es die beiden Streithähn­e, nochmals aufeinande­rzutreffen. Der „Goslaer Rangstreit“ist jedenfalls unrühmlich in die Geschichte eingegange­n. Vom Wirken des Heiligen Geistes war bei diesen beiden Mitraträge­rn jedenfalls nichts zu spüren.

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