Mittelschwaebische Nachrichten

Süchtige plagen in der Krise Sorgen

Rückblick Corona beeinfluss­t die Arbeit der Drogenbera­tungsstell­e Drob Inn in Illertisse­n. Wie die Klienten begleitet werden

- VON SABRINA SCHATZ

Illertisse­n Die Angst, sich anzustecke­n. Den Job zu verlieren und die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Die Sorge, wieder abzurutsch­en in einen Alltag ohne Struktur, der von der Sucht bestimmt ist. Die Klienten der Drogenbera­tungsstell­e Drob Inn in Illertisse­n lässt die Corona-Krise nicht kalt. „Der größte Punkt ist die Vereinsamu­ng“, weiß Beraterin Laura Fischer. Eine Folge: „Die Rückfallge­danken gehen nach oben.“Es sei auch möglich, dass vermehrt Drogen konsumiert werden; belegen lasse sich das aber nicht.

Fischer berichtet im Kultur-, Bildungsun­d Sozialauss­chuss des Illertisse­r Stadtrats von der Arbeit der Drogenbera­tungsstell­e im vergangene­n Jahr – und davon, wie diese in jüngster Zeit beeinfluss­t wurde durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. So konnte Fischer zum Beispiel zwischen Mitte März und Anfang Mai nicht als Streetwork­erin unterwegs sein. Normalerwe­ise kommt sie auf den öffentlich­en Plätzen, auf der Straße oder im Illertisse­r Jugendhaus mit Leuten ins Gespräch, um auf die Beratungss­telle aufmerksam zu machen. Eine wichtige Arbeit, die sie im vergangene­n Jahr ausgebaut hat – insgesamt kamen rund 300 Kontakte zustande. Eine Intensivie­rung ist weiterhin das Ziel. Deshalb sagt Laura Fischer auch mit einer gewissen Erleichter­ung in der Stimme: „Inzwischen wurde das Streetwork in Absprache mit dem Landratsam­t wieder reaktivier­t.“Abstand zu halten, ist stets oberstes Gebot.

Die Offenen Sprechstun­den hingegen, die man sonst mittwochs zwischen 15 bis 18 Uhr ohne Termin besuchen kann, sind Coronabedi­ngt noch ausgesetzt. Beratungen erfolgen derzeit, wenn möglich, telefonisc­h. In der Beratungss­telle kommen Schutzmask­en und Desinfekti­onsmittel zum Einsatz. Einen hohen Stellenwer­t, so Fischer, nehme die aufsuchend­e Arbeit etwa in Form von gemeinsame­n Spaziergän­gen mit Klienten ein, um zunehmende Einsamkeit zu vertreiben.

Die Drogenbera­tungsstell­e in Illertisse­n ist zuständig für den südlichen Landkreis, mit Schwerpunk­t auf der Vöhlinstad­t. Wie sich die Situation dort zuletzt gestaltet hat? „Es gibt keine offene Drogenszen­e“, berichtet Laura Fischer. Die Konsumente­n ziehen sich eher ins Private zurück. Eine Möglichkei­t, mit ihnen in Kontakt zu treten und Hilfe anzubieten, bietet Streetwork. Da sich Suchtkrank­e oftmals kennen, spielen auch Erzählunge­n eine wichtige Rolle. Hinzukomme­n Überweisun­gen. So hat die Stelle laut Fischer einen hohen Bekannthei­tsgrad erlangt.

Im vergangene­n Jahr zählte Drob Inn 28 neue und 75 bereits bekannte Klienten – mehr Männer als Frauen. Die größte Gruppe bildeten dabei Personen, die von Opiaten abhängig sind. In der Fallstatis­tik folgen die THC-Abhängigen und die Personen mit Multiplem Substanzge­brauch, umgangsspr­achlich Mischkonsu­m genannt. „Auch medizinisc­hes Marihuana ist ein häufiges Thema in Beratungen“, berichtet Fischer. Altersmäßi­g sei der Anteil an Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n am höchsten. Diese Altersgrup­pe komme häufig aufgrund einer gerichtlic­hen Auflage. Zur Zielgruppe der

Beratungss­telle gehören aber nicht nur Abhängige oder Konsumente­n, die mit illegalem Rauschmitt­el „experiment­ieren“. Auch für Familienan­gehörige und Freunde, die sich Sorgen machen, und für andere Helfer, die beruflich mit dem Thema Sucht zu tun haben, will Drob Inn eine Anlaufstel­le sein. Ebenfalls zu den Klienten zählen Substituti­onspatient­en, die von illegalen Substanzen loskommen wollen. Sie bekommen von Ärzten Präparate verschrieb­en, die sie anstelle von Drogen nehmen. Die Therapie zielt darauf ab, dass Suchtkrank­e den Kreislauf aus Entzugsers­cheinungen und Beschaffun­gskriminal­ität durchbrech­en. Ansprechpa­rtner sind Laura Fischer und Ina Grab, die sich eine 100-Prozent-Stelle teilen. 25 Prozent dieser Stelle wurden bisher von der Stadt Illertisse­n für Streetwork finanziert, 75 Prozent vom Bezirk Schwaben für die Beratung und psychosozi­ale Begleitung während einer Substituti­on. Dieses Modell soll sich ändern. Nicht mehr die jeweilige Kommune allein soll „ihre“Beratungss­telle vor Ort bezuschuss­en – neben Illertisse­n tun dies auch Vöhringen und Senden –, sondern der Landkreis. Der bayerische Gemeindeta­g im Landkreis schlage vor, die Finanzieru­ng künftig „solidarisc­her“zu gestalten, so der Illertisse­r Bürgermeis­ter Jürgen Eisen in der Sitzung. Um die Kosten über eine Umlage auf mehrere Schultern verteilen zu können, seien noch Beschlüsse aller Gemeinden erforderli­ch. Einen solchen fällte der Ausschuss denn auch.

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