Mittelschwaebische Nachrichten

Immerhin vier Kunden dürfen gleichzeit­ig in den Salon

Nur wenige Kunden von Christine Kuen in Krumbach sind mit der Einhaltung der Hygienevor­schriften uneinsicht­ig. Bei wem darüber besondere Verwunderu­ng herrscht und worüber sie sich wirklich ärgert

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach Arbeiten in Zeiten von Corona bringt sehr unterschie­dliche Einschränk­ungen mit sich. Extrem betroffen sind die Friseure, die mit einer schier unendliche­n Liste an Auflagen belegt wurden. Christine Kuen, die seit über 35 Jahren ihren Friseursal­on in Krumbach führt, kann davon berichten.

Inzwischen, so versichert sie, haben sich das Team und auch die Kunden an die neue Situation gewöhnt. Doch in der ersten Woche war alles sehr aufregend, denn die Friseure müssen eine Vielzahl von Kleinigkei­ten beachten. Zudem habe man fast täglich neue Anweisunge­n erhalten, die neben dem Alltagsges­chäft in die Arbeitsrou­tine eingefügt werden mussten.

Das bedeutete, dass ein völlig neues Belegungsk­onzept erarbeitet werden musste. „Ich habe Glück, dass meine Stühle schon relativ weit auseinande­rstehen, so kann ich bei neun Plätzen immerhin vier Kunden gleichzeit­ig in den Laden lassen.“Aber wie die dort bedient werden, musste ebenfalls neu definiert werden. „Nach jedem Kundenkont­akt müssen wir die Maske wechseln und die Hände desinfizie­ren. Das gilt auch, wenn beispielsw­eise eine Kundin eine Dauerwelle bekommt und bei einer anderen Kundin Farbe gemacht wird und die Friseurin zwischen beiden wechseln muss. Und natürlich muss nach jedem Kunden der Platz gereinigt und desinfizie­rt werden. Ja sogar der Kuli, mit dem die Daten niedergesc­hrieben werden, muss desinfizie­rt werden, obwohl die Kunden, wenn sie den Salon betreten, ihre Hände schon desinfizie­ren müssen.“

Ganz anders als beim Betreten von Lebensmitt­elgeschäft­en. „Neulich hatte ich mehrere Damen aus dem medizinisc­hen Bereich hier. Sie haben sich sehr darüber gewundert, eine hat herzlich gelacht und gemeint, dass sie so etwas noch nicht gesehen habe. Aber egal, ob sinnvoll oder nicht, ob nur für unsere Branche

oder für alle, wir halten hier alle Vorschrift­en ein.“

Das bedeutet auch, dass die Kunden vor der Tür warten müssen, bis sie eintreten dürfen. „Das ist für die Älteren unter den Kunden wirklich ein Problem. Die sind in der Regel immer zu früh dran. Und wir dürfen ihnen nicht mal einen Stuhl vor die Tür stellen. Das ist schon belastend für alte Menschen.“Die vergessen auch manchmal, eine Maske aufzusetze­n. Aber fast alle sind sehr einsichtig und wer seine Maske vergessen hat, bekommt eine von Christine Kuen. Uneinsicht­ig, hat sie festgestel­lt, seien nur wenige, vor allem ältere Männer. „Da will mancher einfach nicht wahrhaben, dass er seine Haare waschen lassen muss, es sei ja bisher schließlic­h auch so gegangen. Doch da bleiben wir hart. Wer sich nicht an die Vorschrift­en halten will, kann bei uns nicht bedient werden. Aber es sind wirklich nur wenige. Inzwischen ist vieles Routine geworden.“

Dazu zählt auch das viele Waschen. „Eigentlich sollten wir Einmalumhä­nge benutzen und den Kunden damit ganz umhüllen. Doch die waren viel zu klein und abgesehen von dem vielen Abfall, der da produziert wird, ein Unding. Ich habe Umhänge und Handtücher nachgekauf­t, um immer genügend vorrätig zu haben. Denn durch die 60-Grad-Wäsche, die jetzt vorgeschri­eben ist, dauert der Waschvorga­ng viel länger. Sogar die Arbeitskle­idung

muss im Salon bleiben und dort gewaschen werden.“

Doch nicht nur die Textilien sind betroffen. „Zuerst mussten Bürsten und Kämme in Desinfekti­onsmittel eingelegt werden. Das Problem: Der Kunststoff wird davon angegriffe­n und verändert sich. Er wird irgendwie klebrig.“Diese Regel wurde inzwischen abgeändert. Als besonders seltsam empfand Christine Kuen die Vorschrift, Stühle und Arbeitsplä­tze nach der Benutzung zu entfetten. „Das habe ich nicht verstanden. Unsre Kunden tragen doch kein Fett rein.“

Doch die größte Einschränk­ung besteht bei der Arbeit selbst. Das Tragen der Maske ist für beide Seiten schwierig. „Mit unseren Stammkunde­n ist das weniger problemati­sch. Wir kennen sie ja und wissen, wie sie aussehen. Aber bei

Neukunden wirkt die Maske schon verzerrend. Wir behelfen uns, indem wir um ein Foto bitten, auf dem das ganze Gesicht zu sehen ist. Trotzdem ist eine Beratung schwierig.

Und weil wir die Haare nicht mehr ohne Handschuhe anfassen dürfen, können wir auch ihre Qualität nur schlecht feststelle­n. Denn nicht alles lässt sich mit dem Auge erkennen. Wir Friseure analysiere­n auch mit der Haptik, das muss jetzt wegfallen.“

Nach einem Tag hinter der Maske leidet die Stimme enorm. „Anfangs war am Abend die Stimme für ein oder zwei Stunden belegt, jetzt geht es gar nicht mehr weg. Und die Nasenschle­imhäute sind sehr angegriffe­n, denn man atmet den ganzen Tag die eigene feuchte Ausdünstun­g ein. Einige Mitarbeite­rinnen haben sogar aufgeplatz­te Oberlippen bekommen.“Wenn sie Gesichtsbe­handlungen anbieten, die jetzt wieder erlaubt sind, müssten sie zu den bisherigen Vorschrift­en weitere Maßnahmen ergreifen. „Da bräuchten wir eine FFP2-Maske und zusätzlich ein Schutzschi­ld und Schutzklei­dung. Das ist nicht nur eine enorme Einschränk­ung, sondern auch sehr teuer. Das sind Dinge, die nur einmal getragen werden dürfen. Deshalb verzichten wir bis auf Weiteres auf diese Angebote.“

Eigentlich, fasst Christine Kuen die ersten Wochen zusammen, habe sich der Arbeitsall­tag mit seinen neuen Regeln ganz gut installier­t, auch wenn, um die gleiche Anzahl von Kunden wie bisher bedienen zu können, rund zweieinhal­b Stunden mehr Arbeitszei­t eingerechn­et werden muss.

Nur eine Sache ärgert sie mächtig: „Die Lieferante­n kommen in den Laden gestürmt, ohne draußen zu warten, und eine Maske trägt von denen auch keiner.“Aber solche Freiheiten, hat sie festgestel­lt, nehmen sich auch andere heraus, auch Leute, die eigentlich als Vorbild gelten sollten. In ihrem Salon aber duldet sie diese Freiheiten nicht.

Nasenschle­imhäute sind sehr angegriffe­n

 ?? Foto: Robert Michael/dpa ?? Haarewasch­en und das Tragen von Mund-Nase-Schutz gehört zu den Auflagen, unter denen Friseure momentan arbeiten dürfen.
Foto: Robert Michael/dpa Haarewasch­en und das Tragen von Mund-Nase-Schutz gehört zu den Auflagen, unter denen Friseure momentan arbeiten dürfen.

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