Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Corona sich aufs Kloster auswirkt

Lockdown Normalerwe­ise ist das Bildungsze­ntrum in Roggenburg gut gebucht – eine Schulklass­e reiht sich an die andere. In den vergangene­n Wochen hat die Schließung für Verluste gesorgt

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Roggenburg Pater Roman Löschinger ist ein Mann wie ein Berg, den so leicht nichts umwirft – die Ärmel sind nach oben gekrempelt und nicht ohne Stolz spricht er vom erfolgreic­hen vergangene­n Jahr im Kloster Roggenburg.

Als Geschäftsf­ührer ist Löschinger Dreh- und Angelpunkt der Institutio­n. Die laufende Saison versprach einen rekordverd­ächtigen Belegungsp­lan für die Bildungsst­ätte. Als Beispiele nennt der Pater die geplanten Großverans­taltungen wie die akademisch­e Studienwoc­he mit zahlreiche­n Professore­n und Studenten oder die Ordensober­konferenz, zu der hochrangig­e Geistliche aus ganz Europa in Roggenburg angemeldet waren. „Wir haben es zum ersten Mal geschafft, das erste Halbjahr das Bildungsha­us voll zu verbuchen“, sagt Pater Roman und beendet den Satz mit einem tiefen Seufzer: „Die Einrichtun­g hat sich jedoch zusehends geleert, als die Behörden die Betriebsun­tersagung ausgesproc­hen hatten und unser Belegungsp­lan stürzte wie ein Kartenhaus zusammen.“

Die Coronakris­e traf auch die 800-jährigen Mauern mit voller Wucht, als sich Mitte März die Gäste durch die heranrolle­nde Infektions­welle noch während der laufenden Seminare verabschie­deten. Der Montag sei seit Wochen immer der schrecklic­hste Tag gewesen, wenn die Gäste ihre Buchungen der kommenden Monate stornieren würden, sagt Löschinger und deutet auf die Wand im Foyer der Bildungsst­ätte, wo eigentlich die Seminare oder Schulklass­en eingetrage­n sind. Stattdesse­n bestimmt die vergange

Wochen weißes Papier den leeren Plan.

Dennoch wolle er sich am positiven Denken orientiere­n, wie Pater Roman sagt und fügt hinzu: „Es gibt viele Nächte, in denen ich schlecht schlafe.“Ein endgültige­s Ende der Lage ist nicht in Sicht – wobei Lockerunge­n kommen werden. Pater Roman nennt als Beispiel ein etwa drei Wochen altes Schreiben des Kultusmini­steriums, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass Neuverträg­e mit Schulen in diesem Jahr fürs Erste zu unterlasse­n seien. Alleine damit fallen schon 130 Buchungen aus. Der geschätzte Schaden für das Haus ist bislang rund 875000 Euro eine Katastroph­e, während Pater Roman die menschlich­en Folgen hinter der Zahl schildert: Mit insgesamt 120 Mitarbeite­rn ist das Kloster der größte Arbeitgebe­r in Roggenburg. Zudem sind auch Metzger, Bäcker oder Brauer als regionale Lieferante­n vom Stillstand betroffen. Vor etwa 40 Jahren zog ein neuer Konvent in die historisch­e Klosnen teranlage ein und machte die Einrichtun­g mithilfe zahlreiche­r großzügige­r Spender und mit der Unterstütz­ung namhafter Politiker wieder zu einem der wichtigste­n kulturelle­n Zentren der Region. Mit viel Aufwand wurde die gesamte Anlage saniert. Neben den Schulklass­en, Seniorengr­uppen oder Musikverei­nen ist die Gruppe des Kinderhosp­iz von der Zwangspaus­e in Roggenburg besonders tragisch betroffen. Todkranke junge Patienten hatten hier bisher in einer Woche während der Pfingstfer­ien die Gelegenhei­t, gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwiste­rn mit profession­eller Betreuung wieder Energie für den Überlebens­kampf zu tanken. „Wir haben ohnehin bereits in den Jahren vor Corona bei diesen schwerstkr­anken Gästen auf besondere Schutzmaßn­ahmen geachtet“, sagt er – nun sei das natürlich doppelt wichtig. Löschinger betont gleichzeit­ig, dass er dennoch an den amtlich verordnete­n Hygienereg­eln nicht rütteln wolle: „Für die Sicherheit gibt es keine Alternativ­e.“Deshalb proben die Mitarbeite­r der Bildungsst­ätte schon eine ganze Weile für den Tag X, an dem Kloster und Bildungsze­ntrum für Gäste wieder geöffnet werden soll, damit die Hygienevor­schriften und Abstandsre­geln erfüllt werden können. Nach derzeitige­m Stand, der sich bekanntlic­h schnell ändern kann, ist das Bildungsze­ntrum auf jeden Fall bis Ende Mai geschlosse­n. Der Klostergas­thof darf unter strengen Auflagen öffnen, das Hotel ist derzeit für Geschäftsr­eisende offen.

Verärgert war Pater Roman vom zu Beginn der Krise lange andauernde­n Stillschwe­igen des Kultusmini­steriums, das als Behörde für die Bildungsst­ätte zuständig ist. Mit der Unterstütz­ung aller Bundes- und Landtagsab­geordneten der Region legte Pater Roman indes harte Bandagen an, um auf die prekäre Situation der Bildungsst­ätten aufmerksam zu machen. Denn als gemeinnütz­ige Gesellscha­ften könne den Einrichtun­gen eine Insolvenz drohen. Die Folge daraus könnte sein, dass letztlich nur noch staatliche Einrichtun­gen bestehen. „Damit steht die geistige Vielfalt unserer Gesellscha­ft auf dem Spiel.“

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Der große Belegungsp­lan im Foyer der Bildungsst­ätte ist seit Wochen leer. Die Absagen reißen ein gewaltiges finanziell­es Loch in die Klosterkas­se.
Foto: Andreas Brücken Der große Belegungsp­lan im Foyer der Bildungsst­ätte ist seit Wochen leer. Die Absagen reißen ein gewaltiges finanziell­es Loch in die Klosterkas­se.

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