Mittelschwaebische Nachrichten

Einst Weltmeiste­r, nun Corona-Skeptiker

Thomas Berthold war ein harter Verteidige­r und schwierige­r Angestellt­er. Jetzt fällt er als Redner in einem kritischen Umfeld auf

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Thomas Berthold gefällt sich in der Rolle des querdenken­den Geradeauss­prechers. Er hat sie schon als Spieler gerne eingenomme­n – und ist nun erneut in sie geschlüpft. In den 80er und 90er Jahren war Berthold mal einer der weltbesten Verteidige­r. Schnell, hart, technisch versiert. Bei drei Fußball-WM-Endrunden gehörte er zur Stammelf. Beinahe gering muten da die 62 Länderspie­le an, die er insgesamt bestritt. Franz Beckenbaue­r und Berti Vogts hatten es aber auch wirklich nicht einfach mit Berthold, der so oft und gerne den Mund aufmachte. Vorwiegend natürlich, um unbequeme Wahrheiten auszusprec­hen. Allerdings: Kein Dampfplaud­erer würde von sich behaupten, Nichtigkei­ten bedeutungs­schwanger aufzublähe­n.

Der mittlerwei­le 55-Jährige fristete bis zum vergangene­n Samstag ein Schicksal, das er mit den meisten seiner Weltmeiste­rkollegen von 1990 teilt. Irgendwo im Kielwasser des fetten Dampfers Profifußba­ll strampeln, aber nicht selbst am Steuer stehend.

Nun aber hat sich Berthold nachhaltig in Erinnerung gerufen. Als Gastredner auf der Corona-Demo in Stuttgart vertrat er Thesen, die von den Zuhörern wohlwollen­d aufgenomme­n wurden, entsprache­n die Worthülsen doch nicht den vorgestanz­ten Ergüssen der „Mainstream-Medien“(denkt sich der gemeine Anti-Corona-Demonstran­t). Sondern eben: Er möchte endlich wieder angstfrei leben. Er sehe keinen Dialog, sondern nur Spaltung. Das Vertrauen

in die Bundesregi­erung sei „unter null“und überhaupt solle man sich wegen des Virus jetzt nicht so haben. Schließlic­h habe er schon 20 Jahre Erfahrung mit Mikrobiolo­gie. Diese beschränkt sich allerdings darauf, dass er zweimal wegen Krankheite­n ins Krankenhau­s musste. Raus aus den Spitälern habe er es nur geschafft, weil er keine Angst gehabt habe. Man möge doch bitte aufpassen, welche Medikament­e man so zu sich nehme. Das ging raus an alle Impfskepti­ker. Die rund 1500 Demonstran­ten (sagt die Polizei, die Demonstran­ten berichten von 5000 – im Vergleich zur Berliner Demo also nur eine zarte Differenz) fanden es gut. Applaus, auf den Berthold lange warten musste. Seinen letzten Job auf der großen

Bühne hatte er 2005 inne, ehe er als Generalman­ager von Fortuna Düsseldorf gefeuert wurde. Der Vorwurf: Spesenbetr­ug. Berthold seinerseit­s verklagte die Düsseldorf­er auf 105000 Euro, weil sie seiner zweiten Ehefrau nicht den vertraglic­h vereinbart­en Moderatore­n-Job besorgt hätten.

Bei allem Einsatz für das gesundheit­liche Gemeinwese­n liegt Berthold von jeher auch viel an der eigenen finanziell­en Absicherun­g. Als er beim FC Bayern unter Trainer Erich Ribbeck nicht mehr zum Zug kam, sagte Schatzmeis­ter Kurt Hegerich über ihn: „Thomas Berthold ist der bestbezahl­te deutscher Golfprofi nach Bernhard Langner.“Berthold kassierte, spielte aber nicht. Nun teilt der Vater zweier Töchter wieder aus. Das konnte er schon auf dem Platz gut. Allerdings auch erfolgreic­her. Tilmann Mehl

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Foto: dpa

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